Otto-Konzernchef Alexander Birken war voll des Lobes: Ottos Onlinemodehandelstochter About You sei „hervorragend aufgestellt und extrem wachstumsstark“, sagte er im März im Interview mit der WirtschaftsWoche. Zu Spekulationen, About You würde bald an die Börse gehen, wollte sich Birken damals nicht äußern. Aber: Wenn es soweit wäre, dann würde er als Privatmann „definitiv bei About You investieren“, kündigte Birken an.
Mitte Juni wagte der Onlinemodehändler tatsächlich den Gang auf das Börsenparkett. Und ja, er habe „privat gekauft, natürlich“, sagt Birken nun im WirtschaftsWoche-Podcast „Chefgespräch“ mit Beat Balzli.
Richtig gelohnt hat sich das Investment allerdings nicht – weder für Birken noch für andere Anteilseigner, die im Umfeld des Börsengangs eingestiegen sind.
Schon kurz nach dem IPO brach der Aktienkurs des Onlinehändlers ein. Bezogen auf den Ausgabepreis von 23 Euro rauschte der Kurs in der Spitze um rund 25 Prozent nach unten auf 17,30 Euro. In der vergangenen Woche legte der Aktienkurs plötzlich wieder rasant zu und liegt nun in etwa wieder auf dem Ausgangsniveau. Was also ist los bei About You? Und wurde die Otto-Tochter nur schnell an die Börse gebracht, um Kasse zu machen?
Otto-Chef Birken widerspricht. Das Unternehmen sei nicht zu früh, sondern „zum richtigen Zeitpunkt“ an die Börse gegangen. Und: „Wir haben auch nicht Kasse gemacht, wir haben als Otto Group gar keine Aktien verkauft“, sagt Birken und fügt hinzu: „Wir glauben an About You.“ Langfristig habe das Unternehmen ein „Riesenpotenzial“.
Was Birken so optimistisch stimmt, ist vor allem das hohe Wachstumstempo von About You. So steigerte die Otto-Tochter ihren Umsatz im zweiten Geschäftsquartal zu Ende August um 53 Prozent auf fast 396 Millionen Euro – und legte damit deutlich stärker zu als der größere Konkurrent Zalando. Der kam zuletzt auf ein Umsatzplus von 23,4 Prozent. Die Analysten von JPMorgan sprachen von einem soliden Quartalsergebnis für About You. „Es hätte kaum besser laufen können", kommentierte derweil Firmenchef Tarek Müller die Entwicklung.
Die Technologiesparte wächst um 181 Prozent
Ende August zählte About You demnach 9,7 Millionen Kunden und damit 37 Prozent mehr als ein Jahr zuvor – auch dank stark nachgefragter Exklusivkollektionen der Models Kendall Jenner und Leni Klum. Für weiteres Wachstum soll der kürzlich erfolgte Einstieg in neue Länder wie Italien, Frankreich, Griechenland und Portugal sorgen. Insgesamt traut sich About You im Geschäftsjahr 2021/22, das am 28. Februar endet, ein Umsatzplus von bis zu 52 Prozent auf rund 1,8 Milliarden Euro zu, rechnet aber weiter mit einem bereinigten Betriebsverlust (Ebitda) von insgesamt etwa 70 Millionen Euro.
In den nächsten Wochen will sich About You mit Verkaufsaktionen wie dem Black Friday auf die Herbst- und Wintersaison konzentrieren. Für einen zusätzlich Schub könnten dabei die steigenden Coronazahlen sorgen – nicht nur bei den Hamburgern.
Maßnahmen wie Lockdowns haben seit Beginn der Pandemie zu einer Verlagerung von Einkäufen vom stationären Handel ins Internet beigetragen. Im Sommer, als die Zahl der Neuinfektionen noch vergleichsweise gering war, füllten sich die Fußgängerzonen und Einkaufsstraßen zwar wieder und die Abwanderung der Kunden ins Internet schien gebremst. Doch mit den rekordhohen Neuinfektionen in den vergangenen Tagen zeichnet sich auch im diesjährigen Weihnachtsgeschäft ab, dass viele Verbraucher wieder auf den Einkauf in der Innenstadt verzichten und stattdessen online ordern werden.
About You könnte die Entwicklung zusätzlichen Umsatz bescheren. Langfristig noch wichtiger ist aber die Technologiesparte. Die meisten Kunden wie Aktionäre kennen About You zwar vor allem als Mode-Anbieter. Doch das Unternehmen entwickelt auch eigene E-Commerce-Software, die es anderen Händlern und Bekleidungsmarken anbietet. Daneben können externe Händler sowohl ihr Onlinemarketing wie auch den Kundensupport an About You auslagern. Erst kürzlich bündelte About You das Geschäftskundensegment unter der Marke Scayle. Von Juni bis August steigerte die Sparte, die im Geschäftsbericht bisher unter „Tech, Media & Enabling“ firmierte, ihren Umsatz um 181 Prozent auf fast 40 Millionen Euro.
Zumindest für Otto-Chef Alexander Birken ist die Lage damit trotz aller Kurskapriolen eindeutig: Das Geschäft wachse, die Umsatzziele werden erreicht. About You sei „eine ganz tolle Gesellschaft“, versichert Birken im WiWo-Podcast „Chefgespräch“.