Palmölstreit Greenpeace vermiest Indonesiens Regierung die Werbetour

Greenpeace enthüllt die Vernichtung von riesigen Regenwaldflächen in Indonesien. Das kommt für die Regierung des Landes zur Unzeit.

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Greenpeace wirft einem Palmölzulieferer von Nestlé und Unilever die Vernichtung einer riesigen Regenwaldfläche in Indonesien vor. Quelle: Greenpeace

Chennai Vom Hubschrauber aus sehen die Aktivisten von Greenpeace das volle Ausmaß der Zerstörung: Wo noch vor kurzem unberührter Regenwald zu finden war, gibt es jetzt nur noch eine braune, lehmige Wüste, die bis zum Horizont reicht. Die Reste der abgeholzten Bäume sind säuberlich aufgereiht. Caterpillar-Bagger fahren über eine staubige Straße. In Zukunft soll hier, auf der indonesischen Insel Papua, eine riesige Palmöl-Plantage entstehen. Die dafür vernichtete Waldfläche ist laut Greenpeace so groß wie halb Paris.

Hinter dem jüngsten Regenwaldskandal, den die Organisation am heutigen Freitag öffentlich machen will, steht laut den Umweltschützern ein Konzern, der auch zu den Palmölzulieferern der Konsumartikelkonzerne Nestlé und Unilever gehört. Die Untersuchung stellt nicht nur die Wirksamkeit der Firmenrichtlinien in Frage, die den Palmöllieferanten Entwaldung verbieten. Die Veröffentlichung kommt auch für die indonesische Regierung zur Unzeit. Sie versucht gerade, die EU von ihrem Plan abzubringen, künftig deutlich weniger Palmöl zu importieren – und präsentiert sich als Vorreiter in Sachen Umweltschutz.

Indonesiens Präsident Joko Widodo schickte diese Woche seinen Minister Luhut Panjaitan als Palmöl-Sondergesandten durch Europa. Er sollte darlegen, dass das Palmöl aus seiner Heimat gar nicht so schlecht für die Umwelt sei, wie immer behauptet. In Brüssel war er Anfang der Woche, später im Vatikan und am Donnerstag traf er sich mit Bundesumweltministerin Svenja Schulze. „Ein paar Schlüsselfiguren sind offenbar nicht genug über Indonesiens Fortschritte informiert“, verkündete Luhut während seiner Tour. Seine Gesprächspartner wüssten vielfach nicht über den Umweltschutz in seinem Land Bescheid.

Mit der Selbstdarstellung als geläuterter Umweltsünder versucht Indonesien in letzter Minute neue EU-Regeln abzuwenden, die die Geschäfte von Südostasiens größter Volkswirtschaft empfindlich stören könnten. Das EU-Parlament hatte Anfang des Jahres beschlossen, Biokraftstoffe auf Palmölbasis aus Umweltschutzgründen ab 2021 zu verbieten. Wegen weit verbreiteter Entwaldung und Brandrodung für ihre Plantagen stehen Palmölhersteller seit Jahren in der Kritik. Sollte die EU-Kommission nun den neuen Regeln zustimmen, würde das die Exporte Indonesiens, dem größten Palmölhersteller der Welt, hart treffen.

Die Lobbying-Initiative in Europas Hauptstädten ist aber nur ein Teil der indonesischen Strategie. Um den bisherigen Exportschlager zu schützen, droht die Regierung in Jakarta den Europäern auch offen mit einem Handelskrieg: Dabei könnte der europäische Flugzeughersteller Airbus zu einem der ersten Opfer in der Auseinandersetzung werden: Indonesien ist bei Airbus einer der besten Kunden – zumindest bislang. Das Unternehmen arbeitet immer noch eine Rekordbestellung der lokalen Billigflugline Lion Air ab, die 2013 auf einen Schlag mehr als 230 Stück des A320 für 24 Milliarden Dollar orderte. Doch nun drohen Indonesiens Regierung und das Lion-Air-Management unisono, die Geschäftsbeziehungen mit Airbus zu beenden – als Vergeltung für die Palmölpolitik der EU. „Diskriminiert unsere Produkte nicht, sonst machen wir das gleiche mit euren“, warnte Vize-Präsident Jusuf Kalla die EU im April.

Angesichts der neuen Enthüllungen kritisierte Greenpeace die Haltung der Indonesier: „Wenn die Regierung diese Industrie verteidigen will, dann wäre es das Beste, die Branche zur Besserung zu zwingen, anstatt mit einem Handelskrieg zu drohen“, sagt Richard George, der sich bei der Organisation um Regenwaldkampagnen kümmert. Die von der Regierung behaupteten Fortschritte stellt er in Frage. In dem neuen Entwaldungsfall sieht er einen Beleg dafür, dass sich die Probleme in Indonesien weiter ausbreiten: „Nachdem sie einen großen Teil der Regenwälder auf Sumatra und Kalimantan zerstört hat, rückt die Palmölindustrie nun in neue Gebiete wie Papua vor.“

Das Beispiel zeigt auch, wie schwierig es für Konzerne ist, Entwaldungen in ihren Lieferketten zu verhindern. Die abgeholzte Fläche auf Papua gehört laut Greenpeace dem Palmölunternehmen PT Megakarya Jaya Raya. Dieses werde von dem jemenitischen Konglomerat Hayel Saeed Anam (HSA) kontrolliert. Zu HSA gehören laut Greenpeace auch andere Palmölplantagenbetreiber in Indonesien, die in der Vergangenheit Unternehmen wie Nestlé und Unilever als Abnehmer hatten. Die beiden Konzerne würden sich öffentlich als Vorreiter der Branche darstellen, sagt Aktivist George. Er fragt: „Warum kaufen sie dann aber immer noch von Regenwaldzerstörern wie HSA ein?“

Unilever teilt auf Handelsblatt-Anfrage mit, den Palmölkauf von den HSA-Tochterfirmen vorübergehend einzustellen. „Wir sind nach den jüngsten Untersuchungen zu dem Ergebnis gekommen, dass die Vorwürfe nicht ausreichend aufgearbeitet werden“, sagte ein Sprecher des Unternehmens. Nestlé teilte mit, dass man Probleme mit dem Zulieferer auf Papua festgestellt habe, der in der Greenpeace-Untersuchung angesprochen wird. „Wir sind besorgt über die Erkenntnisse und arbeiten daran, das Problem zusammen mit unserem Zulieferer anzugehen.“

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