Paydirekt Neuer Online-Bezahldienst mit Schweigepflicht

Erstmals haben die deutschen Banken den Schleier über ihrem neuen Online-Zahlverfahren Paydirekt gelüftet. Abheben von der internationalen Konkurrenz wollen sie sich vor allem beim Datenschutz.

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Abheben von der internationalen Konkurrenz will sich das neue Online-Bezahlsystem der deutschen Banken vor allem beim Datenschutz. Quelle: Fotolia

Im Office von Paydirekt am Finanzplatz Frankfurt herrscht Start-up-Atmosphäre. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter quetschen sich mit ihren Laptops an langen Tischen in Gemeinschaftsräumen zusammen, manche besetzen sogar die Stehpulte auf den engen Fluren. Selbst die Chefbüros der Geschäftsführer Niklas Bartelt und Helmut Wißmann werden für Meetings genutzt. 30 interne Mitarbeiter arbeiten für Paydirekt, mit externen Kräften sind es insgesamt 80.

An diesem Dienstag ist Tag zwei nach Beginn der Pilotphase eines der größten Kooperationsprojekte, das die deutsche Kreditwirtschaft - bestehend aus privaten Banken, Volksbanken und Sparkassen - je auf die Beine gestellt hat. Möglich gemacht hat es das relativ überschaubare Team von Paydirekt in Frankfurt. Zu diesem Anlass lüftet das Unternehmen erstmals den Schleier über dem neuen Online-Bezahlsystem, das es deutschen Bankkunden endlich ermöglichen soll, ihre Einkäufe im Internet direkt über das altvertraute Girokonto abzuwickeln.

„Wir haben viel geschafft, aber es ist auch noch viel zu tun“, sagt Geschäftsführer Bartelt. Am Montag hat die Münchner HypoVereinsbank die Pilotphase von Paydirekt eingeläutet. Angeschlossen ist der Online-Möbelhändler D-Living. Die erste Transaktion war der Kauf einer Dartscheibe, bestellt von einem HVB-Mitarbeiter. Bei Paydirekt feiert man das nun als einen Treffer ins Schwarze.

Welche Zahlungsmittel Europäer bevorzugen
Das Geschäft mit dem Versenden von Geld über Smartphone-Apps lockt jetzt auch etablierte Banken an. Die Deutsche Kreditbank (DKB) kooperiert dafür mit dem Startup Cringle. Pro Monat kann ein Nutzer bis zu 100 Euro über die Cringle-App verschicken, abgewickelt wird die Zahlung per Lastschrift von der DKB. Pro Transaktion werden 20 Cent fällig, zum Start wurde die Gebühr auf 10 Cent gekappt. Das neue Angebot trifft bereits auf Wettbewerb im Markt. So bietet der Online-Bezahldienst PayPal seit Juli das Versenden von Geld über seine Smartphone-App in Deutschland an. Für Kunden, die ihren PayPal-Account mit einem deutschen Bankkonto verknüpft haben, ist das Angebot kostenlos, bei Kreditkarten wird eine Gebühr fällig. In vielen europäischen Ländern tun sich moderne Bezahlsysteme jedoch noch so schwer... Quelle: dpa
ÖsterreichOhne Bargeld geht in Österreich gar nichts. 86 Prozent bezahlen an der Kasse in bar, 12 Prozent mit EC-Karte. Eine Kreditkarte kommt nur in einem Prozent der Fälle zum Einsatz. Auf sonstige Alternativen wie Schecks, PayPal, Lastschrifteinzug oder Ähnliches entfällt insgesamt nochmal ein Prozent.Quelle: Deutsche Bundesbank; Europäische Kommission; Deloitte (Stand: 2014) Quelle: dpa
PolenIn Polen werden 80 Prozent der Bezahlvorgänge an der Kasse bar beglichen. Eine EC-Karte nutzen –ähnlich wie in Österreich – 13 Prozent der Bevölkerung. Immerhin werden auch drei Prozent der Bezahlvorgänge durch Kreditkarten abgewickelt. Auf die alternativen Zahlungsmittel entfallen vier Prozent. Quelle: dpa
DeutschlandAuch die Deutschen haben ihr Geld beim bezahlen lieber in fester Form in der Hand – in 79 Prozent der Fälle wird bar bezahlt. Zwölf Prozent der Käufe werden mit der EC-Karte beglichen, weitere sechs Prozent per mit Lastschrifteinzug, Scheck und anderen alternativen Zahlungsmethoden. Quelle: dpa
ItalienZwar ist Bargeld mit 69 Prozent noch immer das beliebteste Zahlungsmittel in Italien, aber auf Platz zwei kommen auch schon alternative Zahlungsmittel mit 17 Prozent. So sind Schecks, Kundenkarten, PayPal und andere Alternativen zusammen genommen bei den Italienern beliebter als die EC-Karte mit neun Prozent und die Kreditkarte mit sechs Prozent. Quelle: dpa
Sagrada Familia Quelle: AP
London Tower Bridge Quelle: dpa

Jetzt geht es darum, schnell eine kritische Masse von Onlinehändlern an Paydirekt anzuschließen, damit die Nutzer rechtzeitig zum bevorstehenden Weihnachtsgeschäft auf Einkaufstour gehen können. Bartelt und Wißmann wollen aber keinen „großen Knall“ mit dem alle deutschen Banken auf einen Schlag Paydirekt einführen würden. Stattdessen geben sie die Parole vom „sukzessiven Hochfahren“ aus, ein Begriff, der heute bei vielen ihrer Antworten auf Journalistenfragen zu Paydirekt fällt.

Im Klartext: Händler werden nach und nach angeschlossen, ebenso schaltet jede Bank das System nach eigenem Zeitplan live. „Ende des Jahres werden wir am Markt sein“, verspricht Bartelt. Überzeugen will Paydirekt Konsumenten und Onlinehändler mit Vorzügen gegenüber dem etablierten und weit verbreiteten Bezahlverfahren PayPal, das den Markt dominiert und 50.000 deutsche Händler im Portfolio führt. Paydirekt will einfacher sein als der Platzhirsch - und sicherer.

Nutzer registrieren sich per TAN über das gewohnte Onlinebanking ihrer Bank bei Paydirekt. Danach können sie in teilnehmenden Internetshops ihre Einkäufe mit einem Nutzernamen und Passwort bezahlen, anschließend wird sofort ihr Girokonto belastet. Es kommt also keine Drittanbieter oder Verrechnungskonto ins Spiel. Bei besonders teuren Einkäufen oder der Bestellung von betrugsanfälligen Produkten kann Paydirekt zusätzlich zum Passwort eine TAN abfragen. Wer will, kann sich auch spontan auf der Seite eines Onlineshops registrieren und die Anmeldung später über sein Onlinebankingportal bestätigen.

Vorteile beim Datenschutz

Die bei Paydirekt engagierten Banken führen 50 Millionen onlinefähige Girokonten, ein Pfund, mit dem das neue Zahlverfahren jetzt wuchern will. Der Reiz für Händler: Hinter den Bankkonten stehen nur echte Kunden, deren Identität die kontoführende Bank aufgrund von strengen Regulierungsvorschriften etwa gegen Geldwäsche bereits sorgfältig überprüft hat. Internetbetrüger mit Scheinidentitäten sind bei Paydirekt also nahezu ausgeschlossen. Zudem ist das Alter des Kunden bekannt, was für viele Online-Bestellungen wichtig ist.

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Einen weiteren Vorteil von Paydirekt sehen Bartelt und Wißmann beim Datenschutz. Die Rechner, über die das System läuft, stehen in Nürnberg, es gelten also Deutsche Vorschriften. Außerdem gelobt Paydirekt, keine Daten über die Transaktionen von Nutzern herauszugeben, auch nicht an die teilnehmenden Händler. Die können sich dank der Schweigepflicht darauf verlassen, dass ihre mühsam erhobenen Erkenntnisse über das Käuferverhalten nicht an zahlende Konkurrenten weiter gegeben werden. Den Shops bleibt damit aber natürlich der Blick auf die Transaktionen ihrer eigenen Kunden.

Damit Nutzer überhaupt in den Genuss der Vorzüge von Paydirekt kommen können, muss sich das System im Handel verbreiten. Und genau da liegt das Problem. Denn die Banken gehen derzeit separat auf die Suche nach Partnern, die das neue Zahlverfahren in ihrem Internetshop anbieten sollen. Freigeschaltet wird ein Shop erst, wenn er mit allen bei Paydirekt teilnehmenden Banken Verträge geschlossen hat. Anbieter von Zahlungsdiensten wie Computop, mit denen Paydirekt zusammenarbeitet, können jedoch mehrere Händler auf einmal anschließen, was den Prozess beschleunigt.

Das Geschäft mit dem Onlinezahlen ist umkämpft, denn neben PayPal und bald Paydirekt gibt es noch die Konkurrenten Klarna oder SOFORT Überweisung. Der Eintritt eines neuen Anbieters dürfte daher mit sinkenden Gebühren einhergehen, zumal Paydirekt nicht in erster Linie auf Profit ausgerichtet ist, sondern vor allem den Zahlungsverkehr im Internet zu den Banken zurückholen soll.

Wie bei jedem Zahlungssystem werden auch bei Paydirekt Gebühren fällig. Dabei nimmt die Hausbank des Nutzers für jede Zahlung eine zuvor individuell ausgehandelte Gebühr von der Bank des Onlinehändlers, bei dem eingekauft wurde. Die Kosten werden dem Händler belastet. Ob der sie über den Produktpreis an seine Kunden weiter gibt, entscheidet sein Geschäftsmodell – und seine Marktmacht.

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