Personalisierte Mode Otto geht mit Modehoroskop auf Kundenfang

Die Chefs von Ottos E-Commerce-Projekt Collins erwarten ein schwächeres Wachstum im Online-Handel und wollen in fünf Jahren profitabel sein. Gelingen soll das mit personalisierten Modevorschlägen.

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Benjamin Otto und Tarek Müller haben große Pläne mit Ottos Online-Handel Quelle: Andreas Chudowski für WirtschaftsWoche

WirtschaftsWoche: Herr Otto, wo sind denn Ihr Stirnband, die Steppjacke und der Rollkragenpulli?

Benjamin Otto: Das wäre nicht ganz mein Stil (lacht).

Laut Fashion-Horoskop in Ihrem Online-Modeshop About You sind das die Must-haves für Ihr Sternzeichen – Zwillinge. Mal ehrlich, wer nutzt solchen Schnickschnack?

Otto: Zugegeben, ich bin nicht Teil der Kernzielgruppe. Das sind Frauen um die 20 bis 25 Jahre.

Tarek Müller: Bei denen kommen solche Tools super an, darunter auch das Horoskop...

...mit Tools meinen Sie die Zusatzprogramme – sogenannte Apps –, die Sie online bereitstellen. Damit sollen Kunden ihren Einkauf personalisieren und Vorschläge für den Modekauf erhalten...

Otto: Ja, es gibt Apps, um das Outfit seines Lieblingsstars nachzustylen, den Dresscode für einen Club zu recherchieren oder um sich über das Allergiepotenzial bestimmter Materialien zu informieren. Die Interessen des Nutzers fließen dann in eine personalisierte Ansicht des Shops ein, bei der die für den Kunden relevanten Produkte herausgefiltert und angezeigt werden.

Zu den Personen

Bei Amazon und Co. klicke ich auf das Produkt, lese vielleicht noch einen Kundenkommentar, bestelle und fertig – warum soll ich da Ihre Online-Shops nutzen?

Otto: Der Inspirationskauf wird bisher online noch nicht richtig abgedeckt. Genau da setzen wir an.

Müller: Was machen Sie, wenn Sie gar nicht so genau wissen, was Sie eigentlich suchen? Die meisten Verbraucher rücken dann zum Bummel in die Innenstadt aus. Wir versuchen, das im Netz abzubilden und noch eins draufzusetzen: Wenn Sie etwa aussehen wollen wie Hollywood-Star Emma Watson, werden Sie im stationären Handel viel Zeit verbringen, um die richtigen Teile zu finden. Das geht bei uns viel schneller. Man kann das Shoppingerlebnis ganz anders individualisieren. Im Marktsegment des Inspirationskaufs spielen noch sehr wenige mit, da hat die Party gerade erst begonnen.

Mit neuen Anbietern, die Kleidung gezielt aussuchen oder Socken im Abo verkaufen, gibt es doch reichlich neue Ideen im Online-Modehandel. Sind das keine Konkurrenten?

Müller: (lacht) Das sind sehr männliche Konzepte, die eher in die Richtung gehen: Schickt mir alle paar Wochen was zu, ich bin zu faul, um mir selbst was auszusuchen. Das ist nicht unbedingt das weibliche Einkaufsverhalten. Frauen wollen keine Socken-Abos. Sie wollen inspiriert werden, aber am Ende selbst auswählen. Das ist der Wachstumsmarkt.

Und im klassischen Online-Handel sind die goldenen Zeiten vorbei?

Otto: Online bleibt der Wachstumstreiber im Handel, aber nicht mehr in dem Tempo wie bisher. Jahrelang hatten wir zweistellige Zuwachsraten in der Branche. Irgendwann lässt sich dieses Niveau nicht mehr halten. Es wird eine Konsolidierung geben.

Sie sind vor einem halben Jahr für den Otto-Konzern mit dem Projekt Collins gestartet, das drei Online-Modeshops umfasst: Die Kernmarke About You, Sister Surprise für Wäsche und Dessous und Edited. Wie viel Umsatz werden die Shops Ende des Jahres erzielen?

Otto: Ein zweistelliger Millionenbetrag ist drin. Ich weiß offen gesagt nicht, ob das vor uns jemals ein deutsches Mode-Start-up so schnell geschafft hat.

Welche Produkte die Deutschen im Internet suchen

Mit Otto als Sponsor und dem Enkel des Konzerngründers als Chef fällt der Unternehmensaufbau auch leichter...

Otto: Sicher haben wir die Otto Group im Hintergrund, die uns in der Finanzierung, aber auch bei vielen anderen Themen unterstützt hat. Viele Start-ups haben das Problem, dass sie extrem viel Zeit damit verbringen müssen, Investoren zu überzeugen oder Zugriff auf Benchmarks zu haben. Hier können wir auf das Know-how der Otto Group zurückgreifen.

Müller: Aber auch die größte Unterstützung hätte wenig gebracht, wenn das Konzept beim Kunden gefloppt wäre. Unser Ansatz funktioniert. Er stiftet einen Mehrwert, ist etwas Neues, und deshalb stimmt auch die Umsatzentwicklung.

Otto: Wir sehen, dass unsere Personalisierungsidee über Apps greift. Die Verweildauer der App-Nutzer ist wesentlich höher, ihr Warenkorb liegt um 16 Prozent höher als von Käufern, die die Apps nicht nutzen. Und sie sind loyaler, sie kommen immer wieder auf die Seite. Das zeigt uns, dass unsere Kunden die Personalisierung durch relevanten Content schätzen.

"Eine gute Personalisierung nervt nicht"

Andererseits gibt es bestimmt genug Kunden, die sich vom personalisierten Produkt-Stalking genervt fühlen.

Otto: Eine gute Personalisierung nervt nicht, sondern wird von den Kunden eher als Signal für Wertschätzung verstanden. Es geht eben nicht darum, jeden Tag mit Werbemails bombardiert zu werden oder sich einmal ein paar Schuhe anzusehen und dann über Wochen die zugehörige Werbung eingespielt zu bekommen.

Die 10 größten Onlinehändler in Deutschland
Apple Quelle: AP
Alternate.de Quelle: Screenshot
Platz 8: Conrad.de Quelle: Screenshot
Tchibo.de Quelle: dpa
Platz 6: Bonprix.de Quelle: Screenshot
Cyberport.de Quelle: Screenshot
Platz 4: Notebooksbilliger.de Quelle: Screenshot

Trotzdem dürften sich viele Kunden fragen: Was passiert da mit meinen Daten?

Müller: Klar ist, dass wir uns an alle gesetzlichen Regeln in Deutschland halten und an die Standards der Otto Group, die darüber hinausgehen. Was die Bedenken der Datenschützer anbetrifft, ist Deutschland Weltmarktführer. Wir sehen das für uns nicht als Problem: Daraus lässt sich auch ein Mehrwert ableiten. Allgemein ist zu beobachten, dass Relevanz mögliche Bedenken von Kunden oft schlägt, das sieht man am Beispiel Facebook. Wir bieten unseren Kunden bald auch die Option an, im Zweifel darauf zu verzichten und unter einem Gastzugang einzukaufen.

Wann starten Sie die Auslandsexpansion?

Otto: Wir sind seit ein paar Wochen in Österreich aktiv und mit der Entwicklung sehr zufrieden. Wenn sich das Geschäft dort etabliert hat und langfristig gut läuft, denken wir über den nächsten Schritt nach.

Das klingt sehr vorsichtig. Wenn Ihr Start-up unter dem Dach der Berliner Online-Schmiede Rocket Internet gestartet wäre, gäbe es jetzt wahrscheinlich schon Ableger in Nigeria und Myanmar.

Otto: Das unterscheidet die Philosophien beider Unternehmen. Wir denken langfristiger, sind etwas zurückhaltender und gehen trotz extremen Wachstums Schritt für Schritt vor. Und wir feiern unsere Erfolge erst dann öffentlich, wenn wir Ergebnisse vorzuweisen haben.

Müller: Die Grundfrage lautet: Will man nur eine gute Investorenstory oder ein solides Geschäftsmodell? Wenn ich mir so die Kapitaleffizienz einer solchen Strategie anschaue, weiß ich nicht, ob Nigeria wirklich so eine gute Idee ist.

Klingt nicht so, als hätten Sie Aktien von Rocket Internet gekauft.

Müller: Kein Kommentar (lacht).

Bis wann wollen Sie schwarze Zahlen schreiben?

Otto: Wir gehen von einem marktüblichen Horizont aus. Das heißt, dass wir in fünf Jahren profitabel sein wollen.

Herr Otto, nervt Sie die Debatte über die Nachfolge im Konzern inzwischen?

Otto: Es ist immer wieder interessant, was so spekuliert wird. Ich kann aber auch nur eine Antwort geben: Jetzt steht Collins für mich an erster Stelle. Alles Weitere wird man sehen.

Dann ist Collins Ihre Bewährungsprobe für höhere Weihen?

Otto: Von außen wird das sicher so gesehen. Für mich spielt es keine Rolle. Collins ist die logische Folge meines bisherigen Lebenslaufs. Ich baue extrem gerne Unternehmen auf. Die Aufgabe, die ich habe, entspricht damit genau meinen persönlichen Stärken. Dass ich auch Interesse habe am gesamten Konzern, steht bei meinem familiären Hintergrund außer Frage.

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