Plastic Energy Wer steht hinter den neuen Eigentümern des Grünen Punktes?

Begehrter Plastikmüll: Der Grüne Punkt hat neue Eigentümer. Was hinter dem Deal steckt. Quelle: imago images

Deutschlands Recycling-System mit dem bekannten Grünen Punkt hat neue Eigentümer. Die Inhaber haben Verbindungen zur Öl- und Chemieindustrie – und wollen eine umstrittene Recyclingtechnologie fördern.

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Laurent Auguste trägt das bekannte Logo schon am Revers seines Jacketts. Zwei grüne Pfeile, die sich umeinander drehen, der Grüne Punkt. Seit 1990 steht der Grüne Punkt in Deutschland für Mülltrennung und Recycling. Doch nun bekommen das Symbol und auch das Unternehmen neue Eigentümer.

Auguste ist Finanzinvestor. Gemeinsam mit anderen Investoren hat er die Circular Resources gegründet, die nun das Duale System Deutschland (DSD) und damit das Unternehmen hinter dem Grünen Punkt gekauft hat. „Die Circular Resources hat alle Anteile an dem Grünen Punkt übernommen“, sagte Michael Wiener, Vorstandsvorsitzender von DSD bei einer Pressekonferenz am Donnerstag.

Der Grüne Punkt hat neue Eigentümer – für das symbolträchtige Unternehmen sind das gute Neuigkeiten. Seit 1991 steht der Grüne Punkt für Mülltrennung und Recycling. Das Prinzip dahinter: Hersteller und Händler zahlen Gebühren für die Verpackungen, die sie in Umlauf bringen. Der Grüne Punkt kümmert sich um die Entsorgung und das Recycling der Plastikabfälle in gelbem Sack und gelber Tonne, und auch für Papier und Glas ist das System zuständig.

Michael Wiener (links), ist Chef des Grünen Punktes – Laurent Auguste leitet Circular Resources, die nun das Unternehmen hinter dem Grünen Punkt übernommen haben. Quelle: obs

Lange war der Grüne Punkt Monopolist. Wer in Deutschland seine Produkte verkaufen wollte, musste sich an DSD wenden, um die Produktverpackungen zu lizenzieren und dafür Gebühren zahlen. Doch dann kam die Liberalisierung. Heute gibt es elf Unternehmen, die um die Verpackungsgebühren der Supermärkte und Konsumkonzerne wetteifern. Die Schwarz Gruppe, Eigentümer von Lidl und Kaufland, hat mittlerweile mit PreZero sein eigenes Recyclingunternehmen aufgebaut. Der einstige Marktführer DSD verlor wichtige Kunden wie Aldi an die Konkurrenz. Erst im vergangenen Jahr musste DSD deshalb 50 Mitarbeiter entlassen, die Mannschaft schrumpfte auf weniger als 400 Beschäftigte.

DSD suchte lange Investoren

Das Unternehmen suchte schon lange nach neuen Investoren. Die Haupteigentümer, auf den Gewinn getrimmte Finanzinvestoren, wollten DSD gerne loswerden. Vor einigen Jahren wäre es beinahe so weit gewesen: 2018 kündigte Deutschlands größter Müllkonzern Remondis an, den Grünen Punkt kaufen zu wollen. Doch die Übernahme scheiterte am Widerstand der Wettbewerbshüter, die eine zu große Marktmacht des neuen Unternehmens und dadurch höhere Verpackungsgebühren fürchteten.

Nun hat Circular Resources zugeschlagen. Das Unternehmen ist eigens mit dem Ziel gegründet worden, den Grünen Punkt zu übernehmen, es ist in Luxemburg registriert. Über den Kaufpreis ist Stillschweigen vereinbart worden. Das wirft die Frage auf: Wer sind eigentlich die neuen Eigentümer des Grünen Punkts? Und was wollen sie mit Deutschlands Recycling-Pionier?



Laurent Auguste, der Mann mit dem Grünen Punkt am Revers, ist offiziell der Geschäftsführer von Circular Resources. Er verfügt über viel Erfahrung in der Branche. Der Franzose hat in Asien und Europa für den Recyclingkonzern Veolia gearbeitet, bevor er in die Szene der Finanzinvestoren wechselte.

Doch Gründer und Präsident von Circular Resources ist Carlos Monreal. Der Spanier ist Unternehmer, bereits 1987 gründete er seine erste Firma namens Inlandgeo. Später war er Chef von Abasol, das Unternehmen installiert in Spanien, Italien und auch in Brasilien Solaranlagen und kleine Windkraftanlagen. Und seit 2011 ist Monreal Präsident von Plastic Energy.

Plastic Energy, so heißt es auf der Homepage des Unternehmens, bietet „eine globale und nachhaltige Lösung um Plastikverschmutzung vorzubeugen, indem wir bisher unrecycelbares Plastik in eine wertvolle Ressource verwandeln.“ Die Methode, mit der Plastic Energy diese wundersame Verwandlung erreichen will: Chemisches Recycling.

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Bei dieser Technologie soll Plastikmüll mit chemischen Verfahren in seiner Molekülstruktur aufgelöst werden und so in eine Art Rohöl verwandelt werden, aus dem sich rein theoretisch wieder neue Plastikprodukte herstellen lassen. Chemisches Recycling ist umstritten, weil die Technologien bisher als noch nicht ausgereift und sehr energieintensiv gelten. Die Industrie rückt nur wenige Daten heraus, doch der Output der Anlagen gilt als unzureichend. Und um das Müllöl tatsächlich in neue Produkte zu verwandeln, muss fossiles Rohöl hinzugefügt werden. In dem Gemisch hat der Plastikmüll somit häufig keinen großen Anteil, trotzdem muss das Rohmaterial aufwendig veredelt und verarbeitet werden, bis daraus wieder Plastikprodukt wird. Laut der Deutschen Umwelthilfe kommt eine Studie von BASF aus dem Jahr 2020 sogar zu dem Ergebnis, dass bei der Herstellung des Kunststoffs LDPE mittels chemischem Recycling die Emissionen um 77 Prozent höher sind, als wenn man den Kunststoff einfach aus fossilem Öl herstellen würde. Auch eine Studie von Plastic Energy selbst kommt zu dem Schluss, dass chemisches Recycling mehr Treibhausgase verursacht als die Herstellung von Neuplastik.

Die Modeindustrie ist abhängig von billigen Fasern aus Plastik. Doch die schaden zunehmend dem Ruf der Unternehmen. Deshalb propagieren Konzerne wie Adidas Recycling als Alternative – und sitzen damit einer Illusion auf.
von Jacqueline Goebel, Peter Steinkirchner

In Deutschland gelten Plastikabfälle, die über das chemische Recycling verarbeitet werden daher nicht als stofflich recycelt und können auch nicht in die Recyclingquote eingerechnet werden. In der Hierarchie der Abfallverwertung steht das chemische Recycling damit auf einer Stufe mit der Müllverbrennung. Zwar argumentiert die Industrie, dass dank chemischem Recycling künftig weniger Abfälle verbrannt werden müssen. Doch Kritiker fürchten, dass nicht die unrecycelbaren Reste in den Chemieanlagen landen – sondern sortenreines Plastik, das sich auch mit mechanischen Verfahren einfach zu neuen Verpackungen verarbeiten ließe. Das würde die Kreislaufwirtschaft unterlaufen.

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