Die Teuerung in Deutschland ist mit 7,9 Prozent auf den höchsten Stand seit fast 50 Jahren gesprungen. In einigen Bundesländern hat die jährliche Inflationsrate die Acht-Prozent-Marke bereits überschritten. Volkswirte rechnen nicht damit, dass das Preisniveau sich rasch entspannen wird - im Gegenteil. Vor allem bei Lebensmitteln erwarten die Experten des Warenkreditversicherers Allianz Trade weitere kräftige Preiserhöhungen.
„Die Preise im Lebensmitteleinzelhandel sind weit davon entfernt, den tatsächlichen Preisanstieg bei Lebensmitteln in den vergangenen 18 Monaten widerzuspiegeln“, sagt Aurélien Duthoit, Branchenexperte bei Allianz Trade. „Das Schlimmste kommt auf die Haushalte also erst noch zu.“ In Deutschland dürften die Preise im Lebensmitteleinzelhandel 2022 demnach um mehr als zehn Prozent anziehen. Umgerechnet sind das durchschnittlich 250 Euro Mehrkosten im Jahr – pro Kopf. „Und das zusätzlich zu den massiven Preissteigerungen in anderen Bereichen des täglichen Lebens“, so Duthoit.
Laut den Allianz-Daten haben die Hersteller von Lebensmitteln und Getränken ihre Preise in Deutschland seit Anfang 2021 bereits um durchschnittlich 16,6 Prozent erhöht, wobei die stärksten Preissteigerungen bei Produkten des täglichen Bedarfs zu verzeichnen waren, darunter Öle und Fette (+53 Prozent), Mehle (+28 Prozent) und Nudeln (+19 Prozent) – vor allem getrieben durch die russische Invasion in der Ukraine. Die gestiegenen Erzeugerpreise sind bislang aber nur zum Teil an die Endkunden weitergegeben worden. So seien die Preise im Lebensmitteleinzelhandel bislang nur um 6,6 Prozent gestiegen.
„Wir können das nicht lange durchhalten“
„Lebensmitteleinzelhändler haben also noch nicht einmal die Hälfte der höheren Erzeugerpreise auf die Preise im Lebensmitteleinzelhandel umgelegt“, heißt es in der Allianz-Analyse. Dass das so bleibt, ist wenig wahrscheinlich. So hatte Rewe-Chef Lionel Souque bereits Anfang April betont, sein Konzern habe allein im ersten Quartal 2022 mit einem dreistelligen Millionenbetrag die Preise gestützt und auf Spanne verzichtet, um Preissteigerungen am Regal zu minimieren. Souque dämpfte aber zugleich die Hoffnung, dass dies dauerhaft so bleibt: „Wir können das nicht lange durchhalten.“
Ähnliches erwartet nun auch Allianz-Experte Duthoit. „Die Vergangenheit hat gezeigt, dass sich Einzelhandelspreise im Großen und Ganzen an die Erzeugerpreise anpassen, wenn auch mit einer gewissen Verzögerung“. Insofern dürften die „Preissteigerungen zeitnah und in hohem Maße auf die Verbraucherpreise durchschlagen.“
Der Warenkreditversicherer rechnet damit, dass Supermarktketten und Discounter rund 75 Prozent ihrer Mehrkosten an die Verbraucher weitergeben dürften. Das ergebe eine Preissteigerung von 10,7 Prozent in Deutschland. „Jeder Verbraucher zahlt dadurch durchschnittlich 254 Euro mehr für den gleichen Warenkorb als noch im Vorjahr.“, heißt es in der Analyse. Für einen Zwei-Personenhaushalt sind es entsprechend über 500 Euro mehr.
Damit würden die Preissteigerungen in Deutschland deutlich höher ausfallen als bei den europäischen Nachbarn. Im europäischen Durchschnitt fallen 243 Euro mehr an pro Verbraucher, die geringsten Preissprünge dürfte es dabei in Polen (+152 Euro) und Spanien (+200 EUR) geben.
Bei einer vollen Weitergabe der Mehrkosten, würden Verbraucher laut Allianz Trade noch tiefer in die Tasche greifen müssen: Dann wären 2022 Preissteigerungen um fast 15 Prozent fällig im Vergleich zu 2021 oder umgerechnet rund 350 Euro.
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