Preisstabilität Warum Eier seit Jahrzehnten nicht teurer werden

Seit 1950 hat sich der Preis eines Frisch-Eis kaum verändert. Ernährung, Landwirtschaft und Hühnerzucht haben sich seit der Nachkriegszeit tiefgreifend gewandelt. Doch ein Ei kostet quasi immer das Gleiche.

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Es wird quasi nicht teurer und scheint resistent gegen die Inflation. Quelle: dpa

München Der „Welttag des Eis“ scheint ein überflüssiger Gedenktag: An diesem Freitag werden die Eierproduzenten wieder weltweit die Werbetrommel für den Eierkonsum rühren. Doch von Nachholbedarf kann in Deutschland keine Rede sein: Deutschlands Legehennen produzierten 2015 insgesamt 12,9 Milliarden Konsumeier, wie Margit Beck berichtet, Deutschlands führende Expertin für den Eierkonsum.

Sie beobachtet für die „Marktinfo Eier & Geflügel“ die Branche. Und das reicht nicht aus, um den Appetit zu sättigen: „Der Selbstversorgungsgrad in Deutschland liegt lediglich bei 70 Prozent“, sagt Fachfrau Beck.

Das Ei ist ein Paradebeispiel für den Strukturwandel in der Landwirtschaft: Aus einem von Kleinbauern erzeugten Lebensmittel ist ein industriell gefertigtes Massenprodukt geworden. Tagtäglich wird in Deutschland eine zweistellige Millionenzahl an Eiern verspeist - ob Frühstücksei, Rührei, Spiegelei, im Kuchen, im Salat oder sogar roh.

Doch in einer Hinsicht widersetzt sich das Ei den Gesetzen der Marktwirtschaft: Es wird quasi nicht teurer und scheint resistent gegen die Inflation. Der Eierpreis ist seit Jahrzehnten stabil; ungeachtet des Strukturwandels in der Landwirtschaft, der veränderten Ernährungsgewohnheiten, der modernen Vertriebswege.

Die meisten Lebensmittel sind teurer geworden

Im Jahr 1950 habe ein Ei im Schnitt - von Pfennig umgerechnet - rund 11,2 Cent gekostet, sagt Expertin Beck. 2015 waren es 10,8 Cent, in der ersten Hälfte dieses Jahres stieg der Durchschnittspreis zwar auf 12,8 Cent. Doch war das mutmaßlich ein Einmaleffekt, eine Folge der Vogelgrippe, die im vergangenen Jahr in den USA 40 Millionen Hühner dahinraffte.

In der Langfristbetrachtung ist der Kauf eines Ei für die Verbraucher sehr viel billiger geworden. Der Preis ist weitestgehend stabil, die Einkommen sind aber sehr viel höher als in der Nachkriegszeit. Im Jahr 1900 gaben die Deutschen nach den Daten des Statistischen Bundesamts mehr als die Hälfte ihres Einkommens für Lebensmittel aus, heute ist es wenig mehr als ein Zehntel. 1970 musste ein Arbeitnehmer im Schnitt noch 22 Minuten für einen Karton Eier arbeiten, heute noch vier Minuten.

Industrialisiert ist nicht nur die Herstellung, industrialisiert sind dank hochspezialisierter Zucht auch die Hühner: Eine durchschnittliche Henne legte nach den Zahlen des Bauernverbands im Jahr 2014 rund 293 Eier im Jahr - im Jahr 1950 waren es erst 120, wie im „Situationsbericht Landwirtschaft 2015/16“ des Bauernverbands nachzulesen.

Die Preisstabilität des Eis hat mutmaßlich mehrere Ursachen. Bis in die achtziger Jahre seien die Erzeugerpreise in der Landwirtschaft in Brüssel reguliert worden und damit stabil geblieben, sagt Michael Lohse, Sprecher des Bauernverbands in Berlin. Und seither ist die europäische Landwirtschaft dem scharfen Wind des Weltmarkts ausgesetzt. Das hält die Erzeugerpreise generell niedrig.

Im Gegensatz zu Eiern sind die meisten Lebensmittel seit 1950 durchaus teurer geworden - aber der Anteil der Gewinne, der auf die Bauern entfällt, ist geschrumpft. „Die Rohstoffpreise sind in den vergangenen Jahren auf breiter Front zurückgegangen, nicht nur in der Landwirtschaft“, sagt Lohse.

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