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Procter & Gamble Ganz nah dran am Kunden

Egal welche Lebenslage - mit Pampers, Ariel oder Oral B ist der Konsumgüterhersteller Procter & Gamble ganz nah dran am Kunden. Bei der Entwicklung zukünftiger Produkte überlässt der US-Konzern nichts dem Zufall.

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Firmensitz von Procter & Gamble in Cincinnati. Quelle: ap

Cincinnati Für Babys und Kleinkinder ist der große Saal mit den bunten Wänden ein Paradies: Hier dürfen sie herumrennen, Krach machen, in der Puppenküche spielen. Für die größeren gibt es Saft und Kekse – unter einer Bedingung: Wer hier spielen will, muss Windeln der Marke Pampers tragen. Denn was auf den ersten Blick aussieht wie ein Schlaraffenland für Kleinkinder ist in Wahrheit streng geheime Forschung.

Die Kleinsten werden von einer Forschergruppe auf Schritt und Tritt beobachtet und untersucht: Ist die Windel verrutscht? Wo entstehen Druckstellen? Ist etwas ausgelaufen? Sieht das Baby unglücklich aus? Nach dem Spielen kommt der kritische Blick in die Windel: Wie viel Pipi ist verdampft? Wie wurde der Rest in der Windel aufgenommen? Wie trocken oder wie gereizt ist Babys Popo?

Willkommen im „Baby-Center“ des weltgrößten Konsumgüterkonzerns Procter & Gamble. 16 Kilometer nördlich vom Hauptquartier in Cincinnati hat der Konzern das größte von insgesamt vier Baby-Labors. Eines der drei kleineren steht im deutschen Schwalbach.

Pampers ist die umsatzstärkste Marke des Konzerns, der weitere bekannte Namen wie Ariel, Oral B, Meister Proper und Wella unter einem Dach vereint. Von den 82 Milliarden Dollar Umsatz im vergangenen Jahr kamen zehn Milliarden allein vom weltweiten Geschäft mit Windeln und Wischtüchern. Kein Wunder, dass Procter aufwendig an der Windel der Zukunft forscht.

Die Windeln werden von Hand gefertigt

Das Baby-Labor zeigt beispielhaft, wie Innovation bei dem größten Konsumgüterhersteller der Welt funktioniert: beobachten, fragen, ausprobieren. Kein anderer Konzern ist so nah dran am Konsumenten: Procters Beobachter gehen mit Verbrauchern einkaufen, schauen ihnen zu beim Wäsche waschen, beim Schminken und beim Rasieren. Sie beobachten Mütter in China und berufstätige Männer in Indien, um herauszufinden, mit welchen Neuheiten sich am besten Geld verdienen lässt.

Die Idee ist simpel: Procters Produkte sollen den Verbraucher über den gesamten Lebenszyklus und überall auf der Welt verfolgen. Von der Windel, über Shampoo und Zahnpasta bis hin zum Deodorant und zur Creme für die reife Haut stellt der Konzern alles her, was man im täglichen Leben braucht.

Was im Baby-Center entwickelt und getestet wird, kommt frühestens 2014 auf den Markt. „Wir suchen hier nach großen Ideen. Bis es so eine aus unserem Labor bis in die Läden schafft, kann das schon mal sieben bis zehn Jahre dauern“, sagt Aaron Seitz, der die Forschungen leitet.


Bastelstunde für Fortgeschrittene

Der große, drahtige Mann in T-Shirt und Turnschuhen ist so etwas wie der Daniel Düsentrieb der Pampers-Welt. Wenn den Forschern beim Beobachten der Babys oder im Gespräch mit den Müttern eine Idee kommt, dann gehen sie damit zu Aaron. „Ich tüftle dann aus, wie man das umsetzen kann“, sagt der Windelexperte.

Dünner sollen die Pampers der Zukunft sein und aus umweltschonenden Materialien, sie sollen weniger auslaufen, bequemer sein und Babys Haut nicht mehr röten – und das sind nur die groben Leitlinien, die Aaron versucht, bei jeder Pampers umzusetzen. Dafür hat er Dutzende von Helfern, die mit ihm Windel-Prototypen bauen – per Hand.

Das Labor erinnert an eine Bastelstunde für Fortgeschrittene: Frauen mit weißen Papierhauben sitzen sich an kleinen Glastischen gegenüber und spannen die Materialien Schicht für Schicht auf einen Rahmen. Der Tisch ist von unten beleuchtet, damit man die einzelnen Ebenen besser sehen kann. Immer griffbereit stehen verschiedene Klebstoffe, Klebestreifen und elastische Bänder. „Eine Windel von Hand zu bauen, kann alles zwischen ein bis sieben Stunden dauern“, sagt Seitz.

Ist eine Proto-Windel fertig, geht sie sofort zum Härtetest an einen Babypopo im bunten Spielzimmer, das nur wenige Meter entfernt ist. So entsteht ein reger und schneller Austausch zwischen dem Labor und den Kunden. „Manchmal hat eine Mutter eine Idee, die wir in wenigen Stunden umsetzen und dann am selben Tag noch testen“, sagt der Windel-Tüftler.

Seitz Arbeit ist Teil der Vision, die Konzernchef Robert McDonald ausgegeben hat. Sie klingt harmlos, nimmt in einem Konzern wie Procter jedoch gewaltige Ausmaße an. Das Unternehmen will das Leben der Kunden „immer öfter berühren und verbessern“. Berechnungen von Procter zufolge nutzen heute bereits 99 Prozent der US-Haushalte mindestens ein Procter-Produkt. Weltweit „berühren“ die Produkte etwa 4,4 Milliarden Menschen. Das geht nur mit neuen Ideen – und mit viel Werbung. Procter ist auch der Konzern mit dem größten Werbebudget der Welt.


Warum sich Inder seltener rasieren

„80 Prozent unseres Wachstums kommen nur durch Innovation“, sagt Bruce Brown, der im Vorstand für die Entwicklung neuer Produkte verantwortlich ist. Zwei Milliarden Dollar schwer ist sein Budget, das auf 20 Forschungszentren in der ganzen Welt verteilt wird.

Wie der Konzern dabei vorgeht, erklärt Brown am Beispiel Indien: Nachdem der Konzern 2005 für 57 Milliarden Dollar den Konkurrenten Gillette übernommen hatte, schickte Procter sofort ein Team nach Indien. Die Mission: herausfinden, warum sich indische Männer nur ab und an im Herrensalon rasieren lassen, aber nicht – wie etwa in Europa und den USA üblich – täglich zu Hause zum Rasierer greifen. „Die Antwort war ganz simpel: Vielen fehlt der Zugang zu fließendem Wasser“, erklärt Brown. Also entwickelten die Experten einen Rasierer, der ohne fließendes Wasser funktioniert.

Was sich einfach anhört, ist nicht selten mit Rückschlägen verbunden. Im vergangenen Jahr protestierten Mütter in Scharen gegen eine neue Pampers der Variante „Dry Max“: Sie glaubten, sie verursache Rötungen und forderten eine Rückrufaktion. Procter & Gamble zufolge haben alle Tests gezeigt, dass die Windel völlig in Ordnung sei. Dennoch hat der Konzern leichte Veränderungen an der Folgewindel vorgenommen – und mittlerweile haben sich die Mütter wieder beruhigt.

Unter Browns Führung setzt der Konsumgüterriese auf die Megatrends: Wie kann man natürliche Ressourcen besser nutzen und weniger abhängig werden von Chemikalien, die aus Erdöl gewonnen werden? Wie kann man von einer alternden Bevölkerung profitieren? Wie können Produkte personalisiert werden? „Es ist denkbar, dass Sie in ein paar Jahren in den Laden gehen und sich ein Shampoo genau nach Ihren Bedürfnissen zusammenstellen lassen“, sagt Brown. Ob das Denkbare aber auch realisierbar ist, wird die Welt kaum vor 2020 sehen.

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