WirtschaftsWoche: Herr Fuest, vor einem Jahr hat Thomas Middelhoff Insolvenz angemeldet. Konnten Sie schon die Millionenschätze des früheren Top-Managers heben?
Thorsten Fuest: (lacht) Schön wär’s. Aber bei einem solchen Verfahren braucht es zunächst Zeit, um die Vermögensverhältnisse zu durchdringen. Das war eine der Kernaufgaben in den vergangenen Monaten.
Wann werden die Gläubiger Geld sehen?
Das kann derzeit niemand seriös einschätzen. Man muss sich vor Augen führen, dass ich bei Herrn Middelhoff nahezu kein pfändbares Vermögen vorgefunden habe. Selbstverständlich ergeben sich mittlerweile Anhaltspunkte dafür, dass sich dieser Zustand ändern wird. Die Dauer des Verfahrens hängt maßgeblich davon ab, inwieweit es gelingt, strittige Fragen zu lösen, ohne durch die Gerichtsinstanzen prozessieren zu müssen. Aber selbst im günstigsten Fall wird sich das Verfahren noch über mehrere Jahre hinziehen.
Wie hoch sind die Forderungen gegen Middelhoff?
Es gibt rund 50 Gläubiger, die Forderungen von insgesamt 409 Millionen Euro zur Insolvenztabelle angemeldet haben. Dass es am Ende bei diesem hohen Betrag bleibt, ist allerdings unwahrscheinlich. Wir müssen zunächst prüfen, welche Ansprüche gerechtfertigt sind und welche nicht. Das klingt einfach, ist in der Praxis aber kompliziert. Nehmen Sie die Auseinandersetzung mit Sal. Oppenheim...
… Das Bankhaus hatte an Thomas Middelhoff und seine Ehefrau millionenschwere Kredite für Beteiligungen an geschlossene Immobilienfonds vergeben.
Schon vor seinem Insolvenzantrag hatte Herr Middelhoff aber Klage gegen das Bankhaus eingereicht, eine Rückabwicklung der Fonds verlangt und die Freigabe eines Festgeldkontos gefordert, das die Bank eingefroren hatte. Es gibt also einerseits Forderungen der Bank, andererseits Gegenansprüche von Herrn Middelhoff, die ich als Insolvenzverwalter nun für die Gläubiger verfolge. Momentan laufen die Verhandlungen mit Sal. Oppenheim über eine Lösung. Sollte es gelingen, einen wirtschaftlich sinnvollen Vergleich zu schließen, wären wir schon mal ein gutes Stück weiter.
"Herr Middelhoff kooperiert"
Welche weiteren Möglichkeiten sehen Sie, um an Geld für die Gläubiger zu kommen?
Herr Middelhoff hat vor dem Insolvenzantrag Immobilienbesitz in Bielefeld an Familienangehörige übertragen. Das haben wir vor kurzem rückgängig gemacht, so dass wir die Immobilie jetzt über einen Makler verkaufen können.
Was ist die Immobilie wert?
Ein im Jahre 2012 eingeholtes Gutachten weist dem Objekt einen Verkehrswert von mehr als 3 Millionen Euro zu. Es gab schon vor dem Insolvenzantrag Interesse an der Immobilie, deshalb bin ich zuversichtlich, dass wir in absehbarer Zeit einen Käufer finden werden.
Middelhoff gehörte auch eine Villa in Saint Tropez, die nach einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ kürzlich für 23 Millionen Euro verkauft wurde. Was bekommen die Gläubiger davon?
Die Villa gehörte einer französischen Gesellschaft, an der Herr Middelhoff über ein weiteres Unternehmen beteiligt war. Bereits im Vorfeld der Insolvenz wurde sein Anteil gepfändet und Herr Middelhoff ist aus der Gesellschaft ausgeschieden.
Die Villa hat ihm zum Zeitpunkt der Insolvenz also gar nicht mehr gehört. Welche Folgen hat das?
Dies hat zur Folge, dass wir nicht über den Erlös des Immobilienverkaufs reden, sondern über ein Abfindungsguthaben für den ehemaligen Geschäftsanteil des Herrn Middelhoff. Infolge der Pfändung könnte ein gegebenenfalls bestehendes Abfindungsguthaben dem vollstreckenden Gläubiger zufallen, also nicht der von mir vertretenen Gläubigergesamtheit. Hier sind sowohl im Tatsächlichen also auch im Rechtlichen noch Fragen offen.
Die besten Zitate von und über Thomas Middelhoff
Ex-Arcandor-Chef Thomas Middelhoff musste sich einem knappes halbes Jahr vor dem Essener Landgericht wegen des Vorwurfs der Untreue verantworten. Eine Übersicht von Zitaten rund um die Ereignisse der vergangenen Monate.
„Ich bin wie die Katze übers Dach. Ich musste drei Meter tief auf eine Garage springen und dann noch einmal drei Meter auf die Straße.“
(Middelhoff über seine filmreife Flucht vor Fotografen nach einem Termin bei einem Gerichtsvollzieher in Essen Ende Juli, bei dem er seine Vermögensverhältnisse hatte offenlegen müssen)
„Das ist wie ein apokalyptischer Traum.“
(Middelhoff zu Pfändungsversuchen von Gläubigern am Rande seines Untreue-Prozesses vor dem Essener Landgericht)
„Er hat eigentlich immer gearbeitet, immer, immer.“
(Middelhoffs Gattin Cornelie Middelhoff als Zeugin vor Gericht zur Arbeitsbelastung ihres Mannes)
„Das war ein fliegendes Büro für ihn.“
(Ein früherer Mitarbeiter Middelhoffs als Zeuge vor Gericht zu den umstrittenen Charterflügen seines Ex-Chefs)
„Stau war das Schlimmste für ihn.“
(Der langjährige Fahrer des Managers als Zeuge vor Gericht)
„Mir und meiner unternehmerischen Tätigkeit ist großer Schaden zugefügt worden.“
(Middelhoff zu den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen ihn, die er als „uferlos“ und „unverhältnismäßig“ empfindet)
„Ich habe mich nie als Controllerin meines Chefs gesehen.“
(Eine ehemalige Sekretärin des Managers, die sagte, sie habe Middelhoffs Entscheidungen als „gottgegeben“ hingenommen.)
Was ist aus dem Mobiliar der Villa geworden? Das dürfte Middelhoff ja gehört haben.
Das ist in der Tat ein Punkt, den wir gegenwärtig aufklären.
Unterstützt Sie Thomas Middelhoff dabei?
Als Schuldner hat er natürlich Interessen, die mit denen seiner Gläubiger nicht deckungsgleich sind, aber er kooperiert.