Die Probleme im Schlecker-Reich waren schon Jahre vor dem Insolvenzantrag ein Dauerthema unter den Mitarbeitern – nur nicht in der 7. Etage der blau verglasten Konzernzentrale, von der aus Schlecker sein Reich dirigierte. Dort war der Begriff Krise tabu. Anton Schlecker spielte weiter die Rolle des erfolgreichen Familienpatriarchen. Er hatte sich systematisch von kritischen Stimmen abgekapselt, die ihn frühzeitig auf die Misere hätten hinweisen können. Auch der Kontakt zur Basis fehlte.
Die meisten der rund 55.000 Schlecker-Mitarbeiter kannten ihren Chef nur von einem Uralt-Foto aus der Mitarbeiterzeitung: das Haar akkurat gestutzt, im Hemd mit flirrendem Muster posierte er darauf Seit‘ an Seit‘ mit Gattin Christa vor einer Europaflagge und kündete im Begleittext von der „innovativen und expansiven Unternehmenspolitik“ – selbst als es schon ans Eingemachte ging. Mit einem gut besetzten Beirat oder einem Aufsichtsrat wäre das kaum passiert. Auch die Arbeitnehmervertreter hätten zum Korrektiv werden können, hätte sich Schlecker auf eine ernsthafte Zusammenarbeit mit ihnen eingelassen.
3. Rechtzeitig das persönliche Risiko abfedern
Schlecker führte sein Milliardenimperium nicht als Aktiengesellschaft oder GmbH, sondern als Einzelkaufmann. Daher gab es nie eine klare Trennlinie zwischen seinem privaten Vermögen und dem seiner Firma. Schlecker konnte damit zwar in seinem Drogerieimperium nach Belieben schalten und walten, trug aber auch das volle persönliche Haftungsrisiko.
Die Schlecker-Familie auf der Anklagebank
Der 73-Jährige ist der große Unbekannte. Selbst örtliche Politiker und Wirtschaftsvertreter hatten kaum Kontakt zu ihm. Nach der Pleite soll sich Anton Schlecker auch von Vertrauten zurückgezogen haben. Der gelernte Metzgermeister eröffnete 1975 den ersten Schlecker-Markt. Bereits zwei Jahre später betrieb er mehr als 100 Filialen. Er baute ein Imperium auf und beschäftigte in Glanzzeiten mehr als 55.000 Menschen.
Der heute 46-Jährige saß mit in der Geschäftsführung des Schlecker-Imperiums. Er wurde an der European Business School in London ausgebildet und machte 2000 an der Steinbeis-Hochschule in Berlin seinen Master of Business Administration. Zu Zeiten des Internet-Hypes sammelte Lars Schlecker unternehmerische Erfahrungen als Gesellschafter des B2B-Portals Surplex.com.
Mit seiner Schwester verbindet ihn eine schreckliche Erfahrung: An Weihnachten 1987 wurden die Schlecker-Kinder entführt. Vater Anton handelte die Lösegeldforderung der Erpresser von 18 auf 9,6 Millionen Mark herunter. Das Geld wurde gezahlt, die Kinder konnten sich aber selbst befreien. Nach einem Bankraub wurden die Entführer 1998 gefasst. Lars Schlecker ist verheiratet und lebt in Berlin.
Lars' zwei Jahre jüngere Schwester (44) legte eine mustergültige Karriere vor. Sie studierte an der renommierten IESE Business School in Barcelona, ist aber schon etwa seit dem Jahr 2000 im Unternehmen beschäftigt. Meike Schlecker war es, die sich 2012 vor Journalisten stellte, um die Pleite zu verkünden. Es war der erste öffentliche Auftritt der Familie seit dem Prozess gegen die Entführer der Kinder 1999. Meike Schlecker ist geschieden; sie lebt in London.
Ende Mai durfte Christa Schlecker die Anklagebank verlassen. Sie erklärte sich bereit, 60.000 Euro an gemeinnützige Organisationen zu zahlen – das Verfahren wurde eingestellt. Über Anton Schleckers Frau ist am wenigsten bekannt. Die 69-Jährige wird als „resolut“ beschrieben. Sie galt als enge Vertraute Antons und soll zusammen mit ihm das berüchtigte Kontrollnetz über Mitarbeiter errichtet haben.
Experten raten dazu, die Gefahren zu reduzieren, dabei kann eine Änderung der Rechtsform helfen, auch Vermögensübertragungen an Angehörige kommen infrage. Entscheidend ist dabei aber immer der Zeitpunkt. Das unternehmerische Risiko minimiert man am besten, solange es finanziell gut läuft, empfehlen Insolvenzexperten. Wenn das Unternehmen dagegen bereits in Schieflage ist oder gar die Gefahr einer Insolvenz besteht, können Vermögenstransfers schnell als Versuch interpretiert werden, Geld beiseite zu schaffen – möglicherweise mit strafrechtlichen Folgen wie im Fall Schlecker.
So verteilte Anton Schlecker noch im März 2011 an seine vier Enkelkinder 800.000 Euro. Der Vorgang ist Teil der Anklage. Auch eine Umwandlung von Schleckers Firma in eine GmbH hätte zu diesem Zeitpunkt wohl nichts mehr genutzt. „In den meisten Fällen bringt eine Rechtsformänderung in der Krise nichts, weil sie in der Regel durch mehrjährige Nachhaftungen zu spät erfolgt oder der Unternehmer ohnehin persönlich für Verbindlichkeiten seines Unternehmens haftet“, sagt Schleckers Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz. „Trotzdem ist es ratsam, insbesondere als Vorstand oder Geschäftsführer die Haftungsrisiken in der Krise im Auge zu haben“, so Geiwitz.