Prozess gegen Anton Schlecker Fünf Lektionen aus der Schlecker-Pleite

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4. Auf Krisen frühzeitig reagieren

„In der Krise steigt erfahrungsgemäß die ‚Betriebsblindheit‘ und Hoffnung auf unrealistische Rettung und/oder Besserung prägt die Unternehmerdenke“, sagt Insolvenzverwalter Geiwitz. So auch im Fall Schlecker.

Erst im Mai 2010, als sich die Krise nicht mehr überdecken ließ, wagte Schlecker einen Befreiungsschlag und engagierte die Unternehmensberatung Dr. Wieselhuber & Partner. Ein Beraterteam präsentierte der Familie im August 2010 ein neues Konzept namens „Fit for Future“ und machten sich mit dem Segen des Schlecker-Clans an die prompte Umsetzung: das alte Schlecker Logo wurde gegen einen gefälligeren Schriftzug getauscht und ein neues Filial-Outfit entwickelt.

Doch für den strategischen Wandel war es bereits zu spät. Die Medizin wurde verabreicht, als der Patient nicht mehr zu retten war. Vor allem hatte Schlecker nicht kalkuliert, dass die Mittel für die Umsetzung des ehrgeizigen Wieselhuber-Projekts nicht mehr ausreichen würden. „Jedem Unternehmer in der Krise empfehlen wir schnell eine tagesgenaue Liquiditätsplanung zu erstellen und ein Sanierungskonzept im Insolvenzverfahren rechnen zu lassen“, empfiehlt Lorenzo Matthaei, Partner der Frankfurter Sanierungskanzlei Finkenhof. „Nur so kann er zusammen mit seinen Beratern seine Rechtspflichten beurteilen und seine Chancen wahren, sein Unternehmen zu behalten“, sagt der Experte.

Die Schlecker-Insolvenz in Zahlen

5. Nerven behalten

Der Rat, die Nerven zu behalten, klingt trivial, ist aber ein Kardinalfehler vieler Unternehmen in Krisensituationen á la Schlecker. So ließ Anton Schlecker nur wenige Tage vor dem Insolvenzantrag sieben Millionen Euro an die Logistikfirma seiner Kinder überweisen. Die zogen das Geld noch am selben Tag ab. Jeweils 2.576.875 Euro flossen per Blitzüberweisung auf ihre Konten bei der Bethmann Bank. 1.846.250 Euro gingen an das Finanzamt Ehingen. Damit hätten sich Lars und Meike Schlecker Gewinne ausgezahlt, die es laut Anklage gar nicht mehr gab - und damit eine Überschuldung herbeigeführt.

Jeder Anwalt hätte der Familie im Vorfeld wohl von einer solchen Transaktion abgeraten. Ausgeschlossen, dass Insolvenzverwalter und Staatsanwälte die Überweisung nicht bemerken würden. Doch wer im Panikmodus entscheidet, beachtet selten die Konsequenzen seiner Handlungen.

Was wurde eigentlich aus Schlecker?
1975Der 1944 geborene Anton Schlecker, Sohn eines Fleischwarenfabrikanten, eröffnet in Kirchheim unter Teck seinen ersten Drogeriemarkt. Schleckers Strategie: Er eröffnet die Läden an strukturell wenig attraktiven Standorten in Wohngebieten. Die Filialen sind klein und spartanisch ausgestattet. Schlecker handelt mit Lieferanten beste Konditionen und lange Zahlungsziele aus, um so die Expansion zu finanzieren. Und seine Kette expandiert schnell: Schon zwei Jahre später zählt Schlecker mehr als 100 Filialen, 1984 gibt es bereits 100 Drogeriemärkte.
1987Die Kinder der Schleckers, Lars (r.) und Meike (nicht im Bild) werden am 22. Dezember entführt. Ihr Vater handelt das Lösegeld von 18 auf 9,6 Millionen D-Mark herunter, die Summe, über die er versichert ist. Kurz vor Heiligabend können sich die Kinder selbst befreien. Die Täter werden 1998 gefasst. Quelle: dpa Picture-Alliance
1987-1998Im Jahr 1987 eröffnet Schlecker die ersten Filialen im Ausland. Er expandiert wie im Rausch: 1995 kommt Schlecker bereits auf 5800 Filialen und beschäftigt rund 25.000 Mitarbeiter. Doch Schleckers Image als Arbeitgeber leidet: 1994 wird der Familie vorgeworfen, Scheinarbeitsverhältnisse zu betreiben und unter Tarif zu bezahlen. Auch die Gründung von Betriebsräten soll systematisch blockiert worden sein. 1998 werden Anton Schlecker und seine Ehefrau Christa zu jeweils zehn Monaten auf Bewährung verurteilt. Der Grund: Das Amtsgericht Stuttgart sieht es als erwiesen an, dass das Ehepaar seinen Mitarbeitern tarifliche Bezahlung vortäuschte Quelle: imago images
Schlecker-Tochter IhrPlatz stellt Insolvenzantrag2007 kaufte die Drogeriekette den insolventen Konkurrenten Ihr Platz. 700 Standorte kamen auf einmal dazu, Schlecker zählte nun 14.400 Ableger in 17 Ländern. Ein Höhepunkt. Quelle: dapd
Schlecker reicht Insolvenzantrag einDoch der Abstieg war schon zu ahnen: 2011 holte Anton Schlecker seine beiden Kinder Lars (links) und Meike (rechts) in die Unternehmensführung. Zuvor war die Drogeriekette wieder einmal wegen dem Umgang mit den Mitarbeitern in die Kritik geraten. Laut Medienberichten überwachte Schlecker seine Mitarbeiter, auch der Vorwurf der schlechten Bezahlung wurde erneut erhoben. Viele Medien sahen die neue Familiengeneration an der Spitze als Ablenkungsmanöver.Bild: Montage der Familie Schlecker. Quelle: dapd
Mit einer Marketingkampagne wollte das Unternehmen sein angeschlagenes Image 2011 wieder aufpolieren. Doch der Denglisch-Spruch „For you. Vor Ort.“ stößt bei Sprachwächtern auf Kritik. Ein Sprecher des Unternehmens rechtfertigt sich in einem Brief damit, dass die Kunden ein „niedriges Bildungsniveau“ hätten – der Brief gerät an die Öffentlichkeit und löst einen Shitstorm aus. Gleichzeitig machen sich die Bilanzprobleme immer stärker bemerkbar. Noch im selben Jahr werden 600 Filialen geschlossen, weitere sollen 2012 folgen. Quelle: imago images
For You. Vor Ort. Vorbei.Im Januar 2012 erklärte sich Schlecker als zahlungsunfähig und meldete Insolvenz an. Rund 2400 Läden sollten geschlossen werden. Quelle: dapd
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