Am Montag fiel das Urteil im spektakulärsten Wirtschaftsprozess des Jahres: Der ehemalige Drogerieunternehmer Anton Schlecker muss nicht ins Gefängnis. Das Landgericht Stuttgart verurteilte den 73-Jährigen wegen vorsätzlichen Bankrotts zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe und einer Geldstrafe von 54.000 Euro. Schleckers Kinder Lars (46) und Meike (44) wurden dagegen zu Haftstrafen von zwei Jahren und acht Monaten beziehungsweise zwei Jahren und neun Monaten verurteilt.
In dem Prozess ging es im Kern darum, wann Schlecker die drohende Pleite kommen sah. Von diesem Zeitpunkt an hätte er dem Unternehmen kein Geld mehr entziehen dürfen. Das Verfahren gegen Schleckers Frau Christa war eingestellt worden.
Der Prozess hat deutlich gezeigt, wie es zum Kollaps des Unternehmens kam und welche Fehler der Drogerieunternehmer dabei gemacht hat. Der Fall Schlecker taugt damit zum Lehrstück für Unternehmer und Manager, um auf Krisen besser vorbereitet zu sein und das eigene Haftungsrisiko zu minimieren. Die Lehren aus der Schlecker-Pleite:
1. Nie die Kunden aus dem Blick verlieren
Um zu verstehen, warum Schlecker gescheitert ist, lohnt ein Blick auf die Anfänge seiner Karriere. 1965, mit 21 Jahren hatte er als jüngster Metzgermeister Baden-Württembergs in der familieneigenen Fleischereikette angeheuert und schnell bemerkt, dass sich mit dem Verkauf von Drogerieartikeln mehr verdienen ließ als mit dem Geschäft mit Schinken und Jagdwurst.
Stationen der Schlecker-Insolvenz
Schlecker meldet Insolvenz an.
Das Verfahren wird eröffnet. Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz hofft noch auf die Rettung von Teilen der Drogeriekette.
Es wird bekannt, dass Anton Schlecker sein Privathaus im Wert von zwei Millionen Euro vor der Insolvenz an seine Frau übertragen hat. Ein zweites Grundstück soll sein Sohn bekommen haben.
Die Staatsanwaltschaft Stuttgart leitet ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Untreue, Insolvenzverschleppung und Bankrott gegen Anton Schlecker ein.
Die Schlecker-Gläubiger fordern mehr als eine Milliarde Euro.
Der österreichische Investor Rudolf Haberleitner will 2013 bis zu 600 ehemalige Schlecker-Filialen mit dem Konzept eines modernen Tante-Emma-Ladens wiederbeleben.
Gut ein Jahr nach der Pleite zahlt die Familie Schlecker dem Insolvenzverwalter 10,1 Millionen Euro. Hintergrund ist der Streit um übertragenes Vermögen aus dem Unternehmen.
Haberleitner will einstige Schlecker-Filialen unter dem Namen Dayli wiederbeleben und Testläden in Deutschland eröffnen.
Noch vor dem geplanten Deutschland-Start ist der Schlecker-Nachfolger Dayli pleite.
Die Staatsanwaltschaft Stuttgart erhebt Anklage gegen Anton Schlecker wegen vorsätzlichen Bankrotts.
Der Insolvenzverwalter reicht Klage gegen ehemalige Schlecker-Lieferanten ein. Sie sollen Schlecker wegen illegaler Preisabsprachen um viel Geld gebracht haben. Geiwitz will Schadenersatz in Millionenhöhe.
Es wird bekannt, dass das Landgericht die Anklage zulassen will. Der Schlecker-Prozess soll im März 2017 beginnen.
Der Prozess vor dem Landgericht Stuttgart beginnt.
Staatsanwalt Thomas Böttger fordert für Anton Schlecker drei Jahre Haft. Lars Schlecker soll nach dem Willen der Staatsanwälte zwei Jahre und zehn Monate in Haft, Meike zwei Jahre und acht Monate. Die Verteidigung hält die Forderungen für „überzogen“, nennt aber selbst kein empfohlenes Strafmaß.
Das Urteil des Landgerichts Stuttgart ist am Ende doch eine Überraschung: Anton Schlecker muss nicht ins Gefängnis. Das Gericht verurteilte den 73-Jährigen wegen vorsätzlichen Bankrotts zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe und einer Geldstrafe von 54.000 Euro. Schleckers Kinder Lars (46) und Meike (44) wurden dagegen zu Haftstrafen von zwei Jahren und acht Monaten beziehunsgsweise zwei Jahren und neun Monaten verurteilt, unter anderem wegen Insolvenzverschleppung, Untreue und Beihilfe zum Bankrott.
Er baute sein Unternehmen auf, expandierte und trug den weißen Schlecker-Schriftzug auf blauem Grund bis in die hintersten Winkel der Republik. „Wenn du in den Urlaub fährst“, spotteten Handelsleute damals, „dann schließ die Wohnungstür gut ab, sonst sitzt der Schlecker drin, wenn du wiederkommst“. Denn der Seifenkönig von der Schwäbischen Alb nahm so ziemlich alle Standorte, die er kriegen konnte – und die niemand anders wollte. Hauptsache die Miete war niedrig. Dass Rivalen wie dm und Rossmann lieber größere Märkte in hochfrequentierten Fußgängerzonen eröffneten als auf dem Dorfanger in der Provinz, interessierte ihn nicht.
Statt auf den Kundennutzen zu achten, versuchte Schlecker mit immer neuen Läden, das Umsatzwachstum zu treiben und so Größen- und Preisvorteile im Einkauf zu generieren. Doch ab dem Jahr 2000 zeigten sich erste Risse. Mit ihren lichten und großzügigen Märkten saugten die Wettbewerber Schleckers Kundenströme auf wie Schwämme. „Weniger Märkte, die hervorragend laufen und die von den Kunden geschätzten werden“, seien ihm „lieber als Tausende Standorte, die sich nicht rechnen“, sagte jüngst Rewe-Chef Lionel Souque im Interview mit der WirtschaftsWoche und fügte an: „Das hat nicht zuletzt die Pleite des Drogeriekonzerns Schlecker gezeigt.“