Prozess in Stuttgart Schlecker-Heimspiel nach der Sommerpause

Im Schlecker-Prozess verrät eine ehemalige Sekretärin interessante Interna aus dem Innern des Konzerns. Im Mittelpunkt steht eine Luxus-Reise nach Antigua. Der gefallene Drogeriekönig gibt sich selbst gelassen.

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Der ehemalige Drogeriekettenbesitzer soll über 20 Millionen Euro illegal vor der Pleite beiseite geschafft haben. Quelle: dpa

Stuttgart Normalerweise besuchen die Zuschauer in der Ehinger Lindenhalle Theateraufführungen und Konzerte. Doch am Montag tagte das Landgericht Stuttgart in dem Kultur- und Kongresszentrum. Ausgerechnet in Anton Schleckers Heimatstadt wurde der Prozess gegen den ehemaligen Drogeriekönig fortgesetzt.

Schlecker erschien gut gelaunt und erholt zum 21. Verhandlungstag. Vielleicht lag es an dem lichtdurchfluteten, holzgetäfelten Saal. Vielleicht aber auch an der dreiwöchigen Verhandlungspause. Vermutlich ahnte der inzwischen 72-jährige Firmenpatriarch aber auch, dass die Vernehmung seiner Sekretärin und der Mitarbeiterin des Insolvenzverwalters nichts zu Tage bringen würde, das ihn und seine beiden mitangeklagten Kinder, Meike und Lars, zusätzlich belasten könnte.

Das Gericht tagte in Ehingen, weil Schleckers ehemalige Sekretärin inzwischen im Rollstuhl sitzt und man ihr die Fahrt nach Stuttgart nicht zumuten. Die 49-Jährige arbeitete 17 Jahre lang für Schlecker und wickelte unter anderem die vielen Reisen der Familie ab. Schlecker selbst statte jeden Donnerstag mit seiner Frau einer anderen Filiale einen Inspektionsbesuch ab. Aber auch die Heimflüge von Lars nach Berlin und Meike nach London gingen über ihren Tisch – ebenfalls meist donnerstags. Vier-Tage-Woche bei den Schleckers.

Für die Verhandlung wichtig ist vor allem eine Reise: Zum Jahreswechsel spendierte Schlecker den beiden Familien seiner Kinder mitsamt vier Enkeln und zwei Kindermädchen eine Reise nach Antigua. Kostenpunkt: 60.000 Euro. Der Luxus wäre nicht verwerflich, wäre das Ganze nicht drei Wochen vor der Insolvenz gewesen.

Das Gericht wollte am Montag herausfinden, ob Schlecker damals schon von der kommenden Pleite wusste. Der Verdacht: Schlecker könnte Geld ausgegeben haben, dass eigentlich den Gläubigern zustand. Der 72-Jährige soll insgesamt über 20 Millionen Euro auf illegale Weise vor der Pleite beiseite geschafft haben. Zudem wird ihm vorgeworfen, 2009 und 2010 den Zustand des Konzerns im Konzernabschluss falsch dargestellt und vor dem Insolvenzgericht unrichtige Angaben gemacht haben. Schlecker drohen bis zu fünf Jahre Haft.

Die Sekretärin bestätigte, dass Schlecker „ein Zahlenmensch“ sei und kleinste Rechenfehler in den Unterlagen gefunden habe. Auch seien alle Dinge in der Familie besprochen worden, wenngleich Schleckers Entscheidung immer ausschlaggebend gewesen sei. Aber die 49-Jährige sagte auch aus: „Ich glaube, dass die Familie bis zum Schluss es nicht wahrhaben wollte, dass es aus ist.“ Ähnliches hatten schon andere Zeugen berichtet. Es entkräftet den Vorwurf des vorsätzlichen Bankrotts. Zumal die Familie noch während der Insolvenz glaubte, das Unternehmen irgendwie retten zu können, wie auch die Sekretärin bestätigte.

Die Frau sagte vor Gericht auch aus, dass in dem Unternehmen kein Papier weggeworfen durfte, dass nicht vorher durch den Shredder lief. An einer großen Shredder-Aktion, bei der Akten gezielt vernichtet worden sein sollen, sei sie aber nicht beteiligt gewesen. Zuletzt habe sie im August 2012 Unterlagen vernichtet, als sie ihr Büro räumte. Es habe sich dabei um Protokolle und Reiseunterlagen gehandelt.

Als zweite Zeugin war am Montag eine Mitarbeiterin des Insolvenzverwalters Arndt Geiwitz geladen. Sie warf bei der Beantwortung ihrer Fragen ein Schlaglicht auf die Gewinnentnahme von sieben Millionen Euro durch Lars und Meike Schlecker unmittelbar vor dem Insolvenzantrag am 21. Januar 2011. Der Insolvenzverwalter hatte diese Zahlung ebenso wie die Überschreibung von Schleckers Wohnhaus auf seine Ehefrau Christa angefochten. „Der Anspruch auf Rückzahlung der sieben Millionen war unstrittig“, erinnert sich die Mitarbeiterin des Insolvenzverwalters. Insgesamt forderte der Insolvenzverwalter 12,7 Millionen Euro, einigte sich mit der Familie aber auf 10,1 Millionen Rückzahlung. Sofern das Gericht der Auffassung der Staatsanwaltschaft folgt und die Gewinnentnahme für strafbar erachtet, kann sich die Rückzahlung aber eigentlich nur strafmildernd auswirken, denn ungeschehen macht sie diese Tat nicht.

Kommenden Montag geht der Prozess mit der Befragung von zwei Zeugen weiter. Dann packt das Gericht wieder die Koffer und reist zu zwei Terminen in die Schweiz. Der Grund: Die Schleckers wickelten den Großteil ihres Wareneinkaufs über den Einkaufsverbund Markant ab. In der Schweiz sollen nun Zeugen dazu befragt werden. Markant hatte Schlecker keinen Kredit mehr gegeben, nachdem auch der Kreditversicherer Euler Hermes ausgestiegen war. Damit war vor fünf Jahren das Ende des Schlecker-Reiches besiegelt.

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