Punica und Co. Das Dilemma der eingequetschten Marken

Die Marke Punica ist aus den Regalen verschwunden – und auch andere Kultprodukte könnten künftig nicht mehr zu finden sein. Quelle: imago images

Punica ist eingestellt, Vittel bereits verschwunden und auch anderen Marken droht das Aus. Denn die Inflation treibt Konsumenten zu Discountern und Eigenmarken. Als Marke im Mittelfeld zu bestehen, wird schwieriger.

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Der Abschied von Punica aus dem deutschen Markt war ein leiser. Er folgte in mehreren Schritten: Erst verkaufte der US-Konzern PepsiCo die Marke an den Finanzinvestor PAI. Bereits im September fiel die Entscheidung, die Produktion von Punica-Säften zu stoppen. Nach und nach leerten sich die Regale, ohne dass das groß auffiel. Erst jetzt erklärte PepsiCo auf Presseanfragen: Punica wird es vorerst nicht mehr geben. „Nach der Überprüfung der strategischen Prioritäten des Unternehmens“ habe das Gemeinschaftsunternehmen des Finanzinvestors und PepsiCo „die schwierige Entscheidung getroffen, die Marke vollständig vom Markt zu nehmen“, erklärte der Konzern gegenüber t-online.

Punica, das Kultgetränk der 1990er-Jahre, steht damit vor dem Aus. Und die Marke ist damit längst nicht alleine. Auch andere einstige Trendmarken könnten bald aus den Regalen verschwinden, weil sie sich für die großen internationalen Markenkonzerne nicht mehr rechnen. Oder aber, weil mittelständischen Produzenten das Geld ausgeht.

Der Grund: Die Inflation und die veränderten Konsumgewohnheiten. Die Kosten für Lebensmittel und Verpackung sind stark gestiegen, aber nicht allen Marken gelang es im gleichen Maß, diese Kostensteigerungen auch als Preiserhöhungen durchzusetzen. Viele Verbraucherinnen sparen außerdem selbst beim Einkauf, gehen lieber zum Discounter statt zum Vollsortimenter, oder greifen öfter zu Handelsmarken. „Die Bewegung von Marke zu Eigenmarke ist sehr stark,“ erklärt Sven Reuter.

Die Inflation ist überraschend stark gestiegen. Eine exklusive Datenauswertung zeigt, für welche Lebensmittel Handel und Industrie seit Januar bis zu 42 Prozent mehr verlangen – und bei welchen die Preise gesunken sind.
von Henryk Hielscher

Das zeigen zum Beispiel Auswertungen des Marktforschungsunternehmens GfK, das Daten dazu sammelt, was über die deutschen Kassenbänder wandert. 2022 hatten Handelsmarken wie „Ja“ oder „Gut+Günstig“ einen Marktanteil von 43,2 Prozent – beinahe drei Prozentpunkte mehr als im Jahr zuvor. Die Konsumenten und Konsumentinnen kauften vor allem mehr Eigenmarken aus dem Preiseinstiegssegment. Einige Segmente sind besonders betroffen: „Bei Milchprodukten wechseln viele zur Eigenmarke, bei Butter war das auch ein riesiges Thema.“ Auch bei Klopapier kaufen die Verbraucher und Verbraucherinnen selten Markenprodukte, sagt Reuter.

Das erzeugt Druck auf die Markenkonzerne – ganz besonders auf die Namen, die wie Punica längst nicht mehr die Nummer Eins in ihrer Kategorie sind. Sie leiden ohnehin unter dem Wettkampf mit den Marktführern, die meist mehr Geld für Marketing und Aktionen ausgeben können. Nun kommt noch der Druck von unten hinzu, durch die Handelsmarken. „Es gibt eine extreme Konzentration“, sagt Sven Reuter von der Vergleichsplattform Smhaggle, die Preise im Supermarkt beobachtet. „Marken, die Nummer vier oder fünf in ihrem Segment sind, gibt es kaum noch. Dafür ist kein Platz, die Eigenmarken müssen ja auch noch ins Regal.“

Gerade bei Milchprodukten greifen Verbraucher verstärkt zu Eigenmarken. Das erzeugt Druck auf die Markenkonzerne. Quelle: imago images

So ging Marktanteil der sogenannten „Mittemarken“ nach den Daten der Marktforschung GfK im vergangenen Jahr um einen Prozentpunkt auf 25,7 Prozent zurück. Auch die Marktführer verloren – allerdings mit 0,7 Prozentpunkten nicht ganz so stark. „Viele Herstellermarken, vor allem Mittemarken, werden damit 2023 weiter unter Druck geraten“, prognostiziert die GfK.

Die Konzerne prüfen ihre Marken genau

Nicht nur PepsiCo, auch andere Konzerne haben bereits versprochen, sich von Marken zu verabschieden. „Die großen, börsennotierten Unternehmen müssen auf die Rendite schauen. Die haben alle eine Vielzahl – zum Teil mehrere Hundert Stück – und schauen sich sehr genau an, welche Marke wie gut performt“, sagt Reuter.

Nestlé, der größte Lebensmittelkonzern der Welt, stoppte bereits im vergangenen Jahr den Verkauf der Wassermarke Vittel in Deutschland und auch Österreich. Die Wassermarke war umstritten, im französischen Ort Vittel sank das Grundwasser. Aber der Lebensmittelmulti hat auch versprochen, sein Portfolio zu optimieren – und gewinnträchtiger zu machen. Das heißt: Marken, die nicht den Erwartungen entsprechen, werden weiterverkauft, oder eben eingestellt. Die Konzerne investieren lieber mehr Ressourcen in die Marken, die auch Gewinn bringen.

Ähnlich geht der Konsumgüterkonzern Henkel vor. Der Konzern hat im Rahmen seiner Umstrukturierung in zwei Jahren Marken mit einem Umsatz von bis zu 700 Millionen Euro eingestellt oder verkauft. So verschwanden die US-Deomarken Dry Idea und Right Guard. Die Zahnpasta-Marke „Theramed“ ging an den Investmentarm des Süßwarenherstellers Katjes. Ein paar Jahre zuvor übernahm Katjes International die Kinderpflege Bübchen – um die Marke wieder großzumachen, nicht einzustellen.




In Inflationszeiten aber wird das immer schwieriger. Nicht für jede Marke findet sich ein Käufer. Der Süßwarenhersteller Rübezahl-Riegelein, der für den Handel produziert und zu dem zum Beispiel auch die Marke Sun Rice gehört, stellte seine Schokoladenmarke Chocri ein. Seit 2008 konnten sich Kunden bei Chocri ihre Schokolade selbst zusammenstellen, für sich selbst oder als Geschenk. Doch das Geschäft sei „kleinteilig“, man wolle sich „aufgrund künftiger Herausforderungen voll und ganz auf unser volumenstarkes Kerngeschäft konzentrieren“, erklärt das Unternehmen in einer Pressemitteilung.
Anderen Unternehmen droht sogar die Insolvenz. Viele Unternehmen leiden noch immer unter den steigenden Rohstoff- und Energiekosten, etwa Bäckereien und Brauereien. Die Betriebe haben Schwierigkeiten, die Kosten weiterzugeben. In dieser Woche etwa meldete die 130 Jahre alte Memminger Brauerei Insolvenz in Eigenverwaltung an. Das Unternehmen braute etwa den „Alpkönig“ und verkauft unter der Marke Libella auch alkoholfreie Getränke. Ob die Brauerei Marken einstellen will, ist bisher nicht bekannt.

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Und Punica? Die Geschichte des Saftherstellers reicht 45 Jahre zurück, 1977 brachte die norddeutsche Dittmeyer GmbH die erste Punica auf den Markt. In den 1990ern war Punica auch wegen ihrer Werbung mit der „Punica Oase“, an der sich verdurstende Zeichentrickfiguren wie Kinder erfrischten, weitbekannt. „Aber fragen Sie mal heute die 20-Jährigen, wer noch Punica kennt“, merkt Sven Reuter an. Eine Marke hochzupäppeln, sei heute viel schwieriger als noch in den 1990ern – auch weil es kaum noch ein Medium gibt, das eine solche Wirkung hat wie das Fernsehen damals, durch das Marken mit einem Spot gleich mehrere Millionen Menschen erreichen könnten. Ein Comeback ist damit nicht unmöglich – aber auf jeden Fall um einiges schwieriger.

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