Real testet Gesichtsanalyse Wenn eine Supermarktkette Google nacheifert

Die Supermarktkette Real filmt in einigen Filialen die Gesichter der Kunden, um Werbung zu personalisieren. Bisher werden nur Alter und Geschlecht erfasst. Technisch ist aber mehr möglich. Datenschützer sind alarmiert.

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Der Lebensmitteleinzelhändler Real filmt seine Kunden in ausgewählten Filialen. Quelle: obs

Wer davon träumt, einmal vor der Kamera zu stehen, sollte einen Supermarkt von Real besuchen. Kunden, die im Kassenbereich auf einen Werbebildschirm schauen, müssen damit rechnen, gefilmt zu werden. Dabei geht es nicht etwa darum, Ladendiebstähle zu vereiteln, sondern um reine Kundenanalyse.

Ein Real-Sprecher teilte dem Handelsblatt mit, man habe der Augsburger Firma Echion AG spezielle Testgeräte zur Verfügung gestellt. Es sind Werbebildschirme mit eingebauten Videokameras, die sowohl das Geschlecht, als auch das ungefähre Alter des Kunden erfassen könnten. Diese Technik werde bereits seit Herbst vergangenen Jahres in insgesamt 40 von insgesamt 285 Supermärkten der Kette getestet, die zur Düsseldorfer Metro-Gruppe gehört.

Der Hintergrund: Was bisher nur im Internet möglich ist, soll endlich auch in den lokalen Geschäften Einzug halten. Handelskonzerne wollen das Verhalten ihrer Kunden möglichst genau analysieren, um die Werbung immer mehr zu personalisieren. Dabei erfassten die Kameras auch, wie lange ein Kunde auf den Werbebildschirm schaut, so Real. So zeigen die Bildschirme dann unterschiedliche Werbespots: beispielsweise einen Spot mit Kosmetikprodukten bei Frauen oder mit Autowerbung bei Männern.

Real selbst wertet die Daten nicht aus. Das übernimmt das Unternehmen Echion, das auch für die letztlich geschaltete Werbung verantwortlich ist. „Es ist spannend, da man sich im stationären Einzelhandel das erste Mal in Richtung Google bewegt“, sagte Echion-Chef Michael Kimmich der „Lebensmittelzeitung“. Er zeigt sich zuversichtlich, dass Real schon bald alle Filialen mit der neuen Technik ausstattet.

Einen expliziten Hinweis darauf, dass der Kunde derart beobachtet wird, gibt es in den jeweiligen Supermärkten aber nicht. Ein Real-Sprecher sagte: „Die Information für den Verbraucher erfolgt über die gut sichtbare Hinweisbeschilderung ‚Dieser Markt wird videoüberwacht‘“. Wie Real mitteilte, würden die Bilder außerdem nur für jeweils 150 Millisekunden gespeichert. Eine einzelne Person sei nicht identifizierbar.

Die deutschen Einzelhandelsriesen

Datenschützer sehen das anders. So argumentierte der Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar gegenüber der „Lebensmittelzeitung“: „In dem Moment, in dem Bilder von Personen durch Kameras erhoben werden, ist das nicht mehr anonym.“ Vor allem stößt auf Kritik, dass der Kunde nicht explizit auf die Analyse hingewiesen wird.

Die Erkennung von Alter und Geschlecht sind nur der Anfang. Bereits jetzt ist es technisch möglich, auch die Mimik von Menschen zu analysieren und damit deren Gefühle. Ob noch andere Einzelhändler dieses System einsetzen, ist bislang nicht bekannt. Die Technik verspricht aber viele neue Möglichkeiten für zielgerichtete Werbung und könnte schon bald von anderen Unternehmen eingesetzt werden.

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