Reiseverhalten Was Manager wieder ins Flugzeug treibt

Laut einer Studie der internationalen Unternehmensberatung Oliver Wyman unter flugreisenden Managern planen zwar 20 Prozent seltener im Dienst des Unternehmens die Koffer zu packen. Doch immerhin 13 Prozent glauben, dass sie künftig sogar öfter unterwegs sind als vor der Krise. Quelle: dpa

Alle Fluglinien erwarten, dass in der Coronazeit Geschäftsreisen stärker leiden als Urlaube. Eine weltweite Umfrage zeigt jedoch: Gerade deutsche Manager sind bei Firmentrips unerschrocken und scheuen eher den Weg in die Ferien. Darum müssen sich Reiseunternehmen umstellen.

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Wenn Lufthansa-Chef Carsten Spohr einen Lichtblick sucht, schaut er sich derzeit vor allem das Geschäft mit Ferienflügen an. „Spätestens zu den Herbstferien rechnen wir mit einer hohen Nachfrage für Privatreisen“, erklärte er kürzlich. „Anders verhält es sich mit den Geschäftsflügen. Da kommen drei für uns nachteilige Entwicklungen zusammen: die weltweite Rezession, eine gewisse Verlangsamung der Globalisierung und mehr digitale Kommunikation, da wir uns mehr an Videokonferenzen gewöhnen.“ Darum erwartet der Manager wie auch Tui-Chef Fritz Joussen, dass spätestens in 2022 wieder ähnlich viele Urlauber unterwegs sein werden wie im vorigen Jahr, wogegen die Zahl der Geschäftsreisenden sich erst 2025 vollständig erholen könnte.

Doch Spohr unterschätzt offenbar seine besten deutschen Geschäftskunden, denen er immerhin rund ein Viertel seines Umsatzes verdankt. Laut einer Studie der internationalen Unternehmensberatung Oliver Wyman unter flugreisenden Managern, die der WirtschaftsWoche vorliegt, planen zwar 20 Prozent, künftig seltener im Dienst des Unternehmens die Koffer zu packen. Doch immerhin 13 Prozent glauben, dass sie künftig sogar öfter unterwegs sein werden als vor der Krise.

Anders sehen die deutschen Vielreisenden dagegen ihre künftigen Ferien. Hier erwartet ein Drittel, seltener die Heimat zu verlassen. Nur 19 Prozent wollen künftig mehr Freizeit außerhalb der eigenen vier Wände verbringen. „Damit könnte der Geschäftsreisemarkt am Ende doch weniger leiden als der Feriensektor“, meint Wyman-Berater Florian Dehne, der vor allem den deutschen Teil der Studie verfasst hat. Doch die Reisenden erwarten künftig mehr Leistung – vor allem von Fluglinien und Flughäfen. „Airlines und Airports müssen jetzt den Grundstein legen, um Passagiere zurückzugewinnen“, sagt Dehne.

Mit ihrem dienstlichen Fernweh ist die deutsche Reiseelite optimistischer als ihre Kollegen in den anderen großen Industrieländern Europas. In Frankreich, Großbritannien, Italien und Spanien erwartet jeder Vierte weniger Businesstrips und lediglich jeder Zehnte mehr Reisen. Auch beim Urlaub sind andere Länder pessimistischer. Hier erwarten 40 Prozent, öfter daheim zu sein und nur 15 Prozent planen, die Freizeit öfter als bisher anderswo zu verbringen.

Dass die Deutschen mehr Geschäftsreisen erwarten, liegt vor allem in der Hoffnung auf höhere Einnahmen ihres Arbeitgebers begründet. So glauben 36 Prozent an mehr Umsatz ihrer Unternehmen durch mehr dienstliche Trips. Im europäischen Schnitt glauben das hingegen nur 25 Prozent. Für immerhin 14 Prozent der Deutschen sorgen Reisen dazu für mehr Aufträge als Videokonferenzen. Ein ebenso großer Teil erwartet, dass ihnen sinkende Preise vor allem bei Fluglinien und Hotels mehr Termine in der Ferne erlauben werden.

Große Unterschiede gibt es unter Europas Vielreisenden auch bei der Angst davor, sich auf Geschäftsreisen anzustecken. Während für nur 14 Prozent der befragten Deutschen Gesundheitsbedenken ein Grund sein könnten, im Büro zu bleiben, sind es im europäischen Schritt 34 Prozent. Die gleiche Furchtlosigkeit deutscher Manager zeigt sich auch bei den Voraussetzungen für künftige Geschäftsreisen. So will nur jeder Zehnte warten, bis es eine Impfung gegen das Coronavirus gibt. In anderen Ländern Europas wie Italien sind es dagegen bis zu 17 Prozent.

Bei Urlaubsreisen fürchten die Deutschen allerdings deutlich mehr um ihr Wohlbefinden als wenn sie für ihr Unternehmen unterwegs sind. Hier meint die Hälfte, sie könne im Urlaub in einer Region stranden, wo die Pandemie wieder ausbricht und Gäste möglicherweise nur schwer wieder nach Hause kommen. Dazu traut mehr als jeder Vierte den Hygienestandards in den Urlaubsländern nicht so recht. Im Rest Europas fürchten sogar 57 Prozent Probleme durch ein Wiederaufflackern der Pandemie in der Sommerfrische.

Im Schnitt haben die Deutschen auch in den meisten Verkehrsmitteln weniger Angst, sich anzustecken, als ihre Kollegen aus anderen Teilen Europas. So ist nur 31 Prozent unwohl beim Gedanken, in ein Flugzeug einzusteigen. In Spanien und Italien ist es fast die Hälfte.

Deutsche und Briten achten bei Flügen vor allem auf den Preis

Noch wohler als an Bord führen sich die Deutschen nur in einem Mietwagen. Dagegen setzen sich rund 40 Prozent ungern in öffentliche Verkehrsmittel. Das ist allerdings deutlich weniger als in Frankreich, wo 68 Prozent der Manager Züge und andere Massentransporte am Boden scheuen.

Immerhin 48 Prozent der Deutschen will Messen und Kongresse meiden. Doch auch das sind deutlich weniger als im Rest Europas, wo fast zwei Drittel der Manager beim Gedanken an Termine mit vielen Teilnehmern zumindest unwohl wird.

Kein Wunder, dass auch vier von fünf deutschen Führungskräften künftig in stärkerem Umfang mehr oder zumindest gleich viel fliegen wollen als vor der Krise. Dabei haben sie jedoch klare Erwartungen an die Fluglinien. Deutschlands Business Traveller erwarten wie vor Corona vor allem Rabatte – auch wenn die Airlines höhere Kosten haben, etwa durch die Hygienemaßnahmen oder die hohen Zinsen auf Kredite gegen die Einnahmeausfälle in der Krise. Damit stehen die Deutschen europaweit ziemlich allein mit den Briten, die ebenfalls vor allem anderen auf die Preise sehen. Das zweitwichtigste Kriterium ist der Service an Bord und im Flughafen, sowie Extraleistungen wie Essen oder Pflegeprodukte auf Langstrecken.

Ganz anders tickt der Rest Europas: Hier sind den Managern die Hygienestandards der Fluglinien zumindest ebenso wichtig wie der Preis. Der Kundendienst, vor allem der am Boden, ist dagegen eher unwichtig.

Unempfindlich und knauserig – das gilt nach wie vor, wenn deutsche Reisende ihr Hotel aussuchen. Ihnen ist der Übernachtungspreis am wichtigsten. Die Sauberkeitsstandards hingegen rangieren für sie erst hinter der Lage eines Hauses und damit auf einer Höhe mit Sonderangeboten oder dem Punktesammeln für Vielschläferprogramme.

Nur in einem einzigen Punkt sind sich die deutschen Geschäftsreisende komplett einig mit ihren Kollegen aus Europa: Sie wollen nach Corona mehr von zu Hause aus arbeiten. Allerdings ist der Wille zum Homeoffice unter den Managergruppen ungleich verteilt. Während gut die Hälfte der Vielreisenden deutlich mehr abseits des Büros arbeiten will, tun sich die niederen Ränge im Management und Arbeitnehmer jenseits von 55 Jahren schwer damit.

Auch wenn die Reiselust der Fach- und Führungskräfte ungebrochen ist, müssen sich Fluglinien umstellen, sagt Berater Dehne. Dazu gehört vor allem ein persönlicherer Service und schnellere Abläufe, damit gerade die Reiseelite in der Zeit postcorona nicht wegen der vielen verlorenen Zeit die Lust am Buchen verliert. „Wird der Reisebestandteil „Flug“ zur Hürde, könnten Flugreisen sonst durch Videokonferenzen oder alternative Verkehrsmittel ersetzt werden“, warnt Dehne. Um Reisen möglichst wieder so effizient und angenehm zu machen wie vor Corona, empfiehlt der Berater neue Abläufe, „etwa durch transparente Kundeninformation, verkehrsträgerübergreifende Tür-zu-Tür Navigation, modernere Sicherheitschecks, kurze, effiziente Wege zum Gate und weniger Fokus auf den Einzelhandel.“

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