Replik auf Thomas Koch Werbung wirkt nicht? „Werbewirkung“ will gekonnt sein!

Liane Siebenhaar verantwortet im Vorstand des Gesamtverband Kommunikationsagenturen GWA den Effie Germany.Foto: Kolle Rebbe, mit freundlicher Genehmigung von Simone Reifenberger.

WirtschaftsWoche-Kolumnist Thomas Koch attestierte der Werbebranche in einem Artikel „fatale Fehler“. Doch dabei reduzierte er die Wirkung von Kommunikation auf die Auslieferung der Werbemittel. Das ist zu kurz gedacht. Ein Gastbeitrag.

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Liane Siebenhaar verantwortet im Vorstand des Gesamtverband Kommunikationsagenturen GWA den Effie Germany, den einzigen Award, der nur nachweislich erfolgreiche Marketing-Kommunikation ausgezeichnet. Im Hauptberuf ist sie Geschäftsführerin Creative Strategy bei Kolle Rebbe. In dieser Rolle kümmert sie sich insbesondere um die Bereiche digitale Strategien sowie Social Media, aber auch um agenturübergreifende Themen und New Business. Zuvor hat sie dreizehn Jahre als Kommunikationsstrategin gearbeitet, unter anderem bei Snapchat, Jung von Matt, Mother und Code and Theory London.

In seinem Artikel über die Wirkung von Werbung attestiert WirtschaftsWoche-Kolumnist Thomas Koch der Kommunikationsbranche „fatale Fehler“. In seiner Argumentation macht er aber selbst welche: Er reduziert die Wirkung von Kommunikation auf die Auslieferung der Werbemittel, argumentiert ausschließlich mit kurzfristiger, Sales-orientierter Marketing-Logik und referiert wissenschaftliche Studien, jedoch nur hochselektiv. Das ist viel zu kurz gedacht. Eine Replik.

Dass Marketing-Kommunikation wirkt, belegt der Branchenverband GWA mit dem Effie-Award seit nunmehr 40 Jahren. Jedes Jahr kommen hierfür die schlausten und renommiertesten Köpfe des Landes aus Kreativagenturen, Mediaagenturen, Marktforschungsinstituten und Lehrstühlen zusammen, um Einreichungen zur Effektivität der jeweiligen Marketingmaßnahmen zu bewerten. Mehrere Tage schließen sich die Juroren zusammen mit neutralen Beobachtern ein, um Kommunikationsstrategien, kreative Lösungen und messbare Effektivitätsnachweise der einreichenden Unternehmen zu diskutieren und die besten Arbeiten nach einem standardisierten Punktesystem auszuzeichnen. Wäre es vermessen, anzunehmen, dass dieses Expertengremium besser und objektiver als jede andere Institution in Deutschland Werbewirkung feststellen und beurteilen kann?

Kein Geheimnis: Gute Marketing-Kommunikation wirkt. Schlechte nicht.

Der Effie startete in Deutschland 1981 mit vier Kategorien. Die meisten Kampagnen bestanden aus TV, Print sowie Radio, und die Mediastrategien konzentrierten sich auf ausgewählte Titel und demographisches Targeting. Heute bedient der Effie zehn Zielkategorien und zwölf Disziplinkategorien, um der modernen und ganzheitlichen Marketing-Kommunikation gerecht zu werden. Darunter neu: Social Media, Influencer Marketing und Performance Marketing. Dass Marketing komplexer geworden ist, ist nicht neu. Sondern ein Phänomen, welches jedes Jahr seit der Social-Media-Explosion aufs Neue diskutiert wird.

Dass es deshalb komplizierter wird, gute Kommunikation zu machen, liegt auf der Hand. Doch wie Thomas Koch zu pauschalisieren „Werbung wirke nicht“, ist schlichtweg falsch. Was in dem Artikel wie eine Kausalkette wirken soll, ist bei näherer Betrachtung eine Ansammlung unzusammenhängender Studien, deren Generalisierbarkeit zweifelhaft ist. Für jedes Argument des Artikels finden sich vielfache Gegenargumente von namhaften Professoren, Marketing-Experten und Verbänden, z. B. Byron Sharp, Les Binet, dem britischen Agenturverband IPA und dem GWA.

Es bedarf also einer differenzierteren Betrachtung der These „Werbung wirke nicht“ und ihrer vermeintlichen Belege.

1. Die Effektivität ganzheitlicher Marketing-Kommunikation lässt sich durch eine statistisch saubere Modellierung des Marketing-Mixes bewerten, und nicht durch das experimentelle temporäre Aussetzen eines einzelnen Werbeformats.

Vor 40 Jahren sprach die Branche von Werbung. Heute nutzen die meisten den Begriff der ganzheitlichen Marketing-Kommunikation. Denn mittlerweile werden nicht nur bezahlte Werbeformate geschaltet und Markenbotschaften platziert, sondern Kommunikation ist in sozialen Medien wie Youtube, Instagram, Snapchat, Tik-Tok & Co über die reine Werbung hinaus zur Dialog- und Interaktionsplattform geworden. Eine Produktserie, die mit einer Influencerin wie Bibi gelauncht wird, gehört heute genauso zum Toolset einer Kommunikationsagentur wie ein Radiospot. Eine Kampagne, bei der ein Hashtag zu Tausenden an Kommentaren und Reaktionen führt, ist genauso Teil der Kommunikationsklaviatur wie eine gute Headline auf einem Plakat. Wir wissen heute: Der Einsatz unterschiedlicher Kanäle und Formate schafft Synergien im Zusammenspiel. So belegte Nielsen für Google, dass TV in Kombination mit Youtube bessere Ergebnisse in den Youtube-Zielgruppen erzielte (Quelle: Think with Google, 2016). Eine derartige Komplexität an medialen Zusammenhängen bedarf eines sehr komplexen Rechenmodells, um den Return on Investment einzelner Kanäle aufzuzeigen, z.B. wie das des Marktforschungsunternehmens Kantar. (Quelle: Kantar: Marketing-ROI 2.0 2018)

Das vierwöchige Aussetzen einer Printkampagne in einem Testmarkt jedoch ist etwas zu kurz gesprungen, um die Wirksamkeit von Werbung zu qualifizieren und zu widerlegen. Denn es berücksichtigt weder Synergie- noch Zeitraumeffekte.

2. Effektivität und Effizienz voneinander unterscheiden: Wenn Budgetkürzungen großer Etats keine Effekte zeigen, ist es ein Zeichen dafür, dass Budgets ineffizient allokiert wurden.

Es gilt, Effektivität und Effizienz voneinander zu unterscheiden und sequenziell einzusetzen. Möchte ich meine Marke etablieren und Umsätze treiben, muss ich als Marketer eine Kommunikationssystematik etablieren, um diese Effekte zu erzielen. Steht das Fundament und eine effektive Zielerreichung, so sollte man an der Effizienz, also dem idealen preis-leistungs-orientierten Mitteleinsatz arbeiten.

Den Mitteleinsatz regelmäßig zu überprüfen und anzupassen ist sehr sinnvoll, denn insbesondere im Online-Marketing ändern sich die Regeln sehr schnell. Es gilt, bestimmte Dynamiken zu berücksichtigen, zum Beispiel lohnt es sich in vielen Fällen nicht, eine hundertprozentige Reichweite in einer Zielgruppe zu erreichen, da die letzten 20 Prozent überproportional teuer sein können. Wenn sich also bei einer Budgetkürzung eines signifikanten Etats keine Effekte zeigen, kann es daran liegen, dass Budgets in anderen Kanälen, Formaten oder mit anderen Targetings besser arbeiten würden. Es heißt aber nicht, dass Werbung generell keine Wirkung hätte oder nur eine falsche.

3. Die Wirksamkeit von Kommunikation wird nicht nur am sofortigen Umsatz gemessen.

In der Marketing-Kommunikation gibt es unterschiedlichste Ziele. Diese werden beim Effie Germany durch die zehn Zielkategorien repräsentiert. Die Ziele erstrecken sich über eine große Bandbreite und reichen von Stärkung des Markenimages oder Aktivierung (d.h. Verkauf) bis hin zu Produkteinführung und Evergreens (d.h. langfristiger Markenbildung).

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Die Annahme, Werbung müsse unmittelbar zu Umsatzsteigerung führen, repräsentiert nur einen Ausschnitt an Werbeaktivitäten. Demgegenüber steht die langfristige Markenbildung, die über die Zeit zu Umsatzsteigerungen führt. Dies zeigten Binet & Fields 2013 in ihrer großen empirischen Untersuchung und empfehlen ein Verhältnis von 60 Prozent Markenbildung und 40 Prozent Aktivierung, das in vielen Fällen zur optimalen langfristigen Budgetaufteilung führt. Auch Kantar beschreibt eine starke Korrelation von Verkaufs- und Markeneffekten von bis zu 0,8 in vielen Branchen und Märkten. (Quelle: Kantar: Marketing-ROI 2.0 2018).

Thomas Koch macht gravierende Fehler in seiner Argumentation zur Werbewirkung. Er gibt jedoch einen sehr wichtigen Gedankenanstoß: Die Werbewirkungsforschung ist an Marketing-Lehrstühlen in deutschen Hochschulen unterrepräsentiert. Um die Wirkung von Marketing-Kommunikation jedoch noch besser bewerten zu können, benötigen wir mehr Grundlagenforschung zum Thema - sowohl zu kurz- als auch zu langfristigen Effekten von Marketing-Kommunikation.

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