Seeschwalben oder ein Pferd aus Porzellan? Koffer und Körbe voll schleppen die Menschen an, damit Experten ihre - hoffentlich kostbaren - Stücke ansehen. „Es kommt ein Retrotrend beim Geschirr“, sagt Petra Werner.
Die Kuratorin im Porzellanikon in Hohenberg, einem staatlichen Museum in der Porzellanregion Oberfranken, begutachtet an diesem Tag viele Teile. „Altes Porzellan ist total trendy, aber es ist nichts für die Spülmaschine.“ Die Firmen passten ihre Produkte deshalb an heutige Bedürfnisse an. Nur: Hippe Vintage-Fans stehen zwar auf Retro, auf Tassen mit Goldrand oder Kannen in den Farben und Formen der 1960er Jahre. Aber sie kaufen gern Gebrauchtes. Billig, im Internet oder auf Flohmärkten. Das ist, wie Werner sagt, ein Problem für die Branche.
„Natürlich sind neben der Dumping-Ware aus China auch Schnäppchen auf Flohmärkten eine Konkurrenz“, sagt Christoph René Holler, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Keramische Industrie (BVKI). Die Branche reagiere aber stärker und schneller auf Trends als früher.
So will die staatliche Manufaktur Meissen, deren Umbau zum Luxuskonzern scheiterte, mit maschinell aufgedruckten Dekoren einen Kurswechsel erreichen, das heißt: jüngere Käufer. Bedrucktes Geschirr ist günstiger - und spülmaschinenfest. Andere entwerfen Porzellan zum Grillen, Kaffeebecher aus Keramik statt aus Pappe. Oder eben im Retro-Look.
Villeroy und Boch bringt Pastellfarben auf Teller, holt alte Dekore der Firmengeschichte aus dem Keller. In diesen Trend passt auch, was sich Rosenthal im oberfränkischen Selb ausgedacht hat: Eine Wiederauflage des Geschirrs „Maria“, 1916 zum ersten Mal geformt.
Bis heute sei das Service ein Verkaufsschlager, sagt Kuratorin Werner, auch bei jungen Leuten. Obwohl es bieder anmutet, klassizistisch geformt, mit Granatapfel-Relief. Es ist benannt nach der zweiten Frau von Firmengründer Philipp Rosenthal. Der Sohn der beiden, Philip, wäre in diesem Jahr 100 Jahre alt geworden, weshalb das Porzellanikon ihm und seinem Vater eine große Ausstellung widmet. Zu Zeiten von Rosenthal Junior, Ende der 1950er bis Anfang der 80er Jahre, hatte allein diese Firma mehr als 10.000 Mitarbeiter; heute sind es 850. Bundesweit hat die Branche aktuell weniger als 6000 Beschäftigte.