Rewe-Chef Alain Caparros "Die Handelsbranche ist kein Ponyhof"

Rewe-Chef Alain Caparros sieht noch Rettungschancen für die von der Zerschlagung bedrohte Supermarktkette Kaiser’s Tengelmann. Mit einem neuen Ladenkonzept will er den deutschen Lebensmittelmarkt aufmischen – und bereitet seine Nachfolge vor.

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Rewe-Chef Alain Caparros im Interview. Quelle: imago images

Herr Caparros, Sie lieben Kunst, Kultur und klare Worte. Woran erinnert Sie das Gefeilsche um die Supermarktkette Kaiser’s Tengelmann?
Alain Caparros: Das Ganze hat schon etwas von einer Wagner-Oper: Mit reichlich Donnerhall, Kampf und Dramatik. Aber ein Schlachtengemälde aus dem 17. Jahrhundert trifft die Szenerie auch ganz gut.

Und Sie geben den Ritter in strahlender Rüstung? Oder wie sehen Sie Ihre Rolle?
Nein. Es gibt keinen Sieger in dieser Auseinandersetzung. Es ist ein Desaster, was bei den bisherigen Verhandlungen herausgekommen ist. Tausende Beschäftigte von Kaiser’s Tengelmann bangen um ihre Jobs.

Sie haben Ihr wichtigstes Ziel erreicht: Sie wollten verhindern, dass Edeka-Chef Markus Mosa Kaiser’s Tengelmann komplett übernimmt.
Unser primäres Ziel haben wir von Anfang klar gemacht: Edeka soll nicht alle Märkte bekommen. Aber es ist bitter. Es lagen deutlich bessere Lösungen auf dem Verhandlungstisch als die Zerschlagung und Einzelverwertung, auf die es nun hinauszulaufen scheint. Die Sturheit des Tengelmann-Eigentümers und von Herrn Mosa haben einen fairen Kompromiss verhindert. Das trifft nun leider vor allem die Mitarbeiter von Kaiser’s Tengelmann.

Die Hängepartie bei Kaiser's Tengelmann

Das sieht Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub anders. Er wirft ihnen vor, die Übernahme systematisch sabotiert zu haben.
Ich kämpfe nicht gegen Haub oder Edeka. Ich kämpfe für Rewe. Es ist meine Pflicht, alles dafür zu tun, dass Rewe eine gute Zukunft hat. Fakt ist, dass Kaiser's Tengelmann eine der letzten großen Akquisitionsmöglichkeiten im deutschen Lebensmittelhandel ist. Marktführer Edeka hätte durch die Komplettübernahme den Abstand zu uns nochmal erhöht. Jeder zweite Supermarkt in Berlin wäre dann ein Edeka-Markt. Sie kriegen dort auch keine Flächen mehr – und in München ist es ähnlich. Daher haben wir von Anfang an gesagt, dass wir alle rechtlichen Mittel nutzen werden, um unsere Interessen durchzusetzen.

Gehören dazu auch „unseriöse Angebote“, als die Haub ihre Offerten bezeichnet hat?
Das ist Unfug, wir haben hart, aber fair gespielt und verbindliche Angebote unterbreitet. Rewe soll jetzt den Buhmann abgeben für eine gründlich verkorkste Übernahme.

Selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich inzwischen eingeschaltet und drängt auf eine Lösung. Kann die Zerschlagung noch abgewendet werden?
Die Chancen sind gering, aber es ist noch nicht zu spät. Solange keine Filiale den Besitzer gewechselt hat, ist eine Einigung zumindest denkbar.


Dafür ist die Atmosphäre doch längst zu vergiftet.
Die Handelsbranche ist kein Ponyhof. Herr Haub und ich werden sicherlich keine Freunde mehr. Aber das Ziel kann es auch nicht sein, dass wir nächstes Jahr gemeinsam in den Urlaub fahren. Wir müssen für die Märkte und die Mitarbeiter eine Lösung finden – darum geht es. Ich habe bereits meine Bereitschaft erklärt, gemeinsam mit allen Beteiligten und einem Mediator noch einmal nach Kompromissen zu suchen.

Es sieht nicht so aus, als hätte Haub große Lust, sich darauf einzulassen. Er hat Anfang der Woche die ersten Kaiser’s-Tengelmann-Filialen zum Verkauf angeboten. Sind dadurch wirklich 8000 Stellen bedroht, wie er sagt?
Es gibt viele Interessenten für die Filialen. Und wir werden versuchen Mitarbeitern zu helfen, die bei Kaiser‘s Tengelmann ihren Job verlieren. Wenn wir bei Rewe künftig zum Beispiel einen Metzger oder Kassierer suchen, werden wir Bewerbungen von Kaiser’s-Tengelmann-Mitarbeitern mit Priorität berücksichtigen.

"Wir werden auf jeden Fall für Filialen bieten"

Werden Sie für einzelne Filialen bieten?
Es bleibt abzuwarten, ob wir eine faire Chance bekommen, aber wir werden auf jeden Fall für Filialen bieten. Und zwar mit der freiwilligen Verpflichtung, die Konditionen der Ministererlaubnis zu erfüllen: Sicherung der Arbeitsplätze, Erhalt von Tarifbindung und Mitbestimmung, keine Privatisierung der übernommenen Märkte – alles für fünf Jahres garantiert. Herr Haub hat bereits angekündigt, Edeka auch beim Einzelverkauf bevorzugt zu behandeln. Ich bin gespannt ob sie sich auch noch an die Bedingungen der Ministererlaubnis erinnern. Und vielleicht können Tegut, Markant und andere Interessenten profitieren, das wäre zumindest gut für den Wettbewerb im deutschen Lebensmittelhandel. Jedenfalls: Sobald Herr Haub auch nur einen guten Markt an uns verkauft, werden wir uns darüber freuen.

Woher kommt eigentlich die Abneigung zwischen Haub und Ihnen?
Ich bin kein Psychologe und weiß nicht, was er gegen mich hat. Aber Unternehmenschefs, die sich wie Haub als Sonnenkönige aufführen, kommen mit Kritik generell nicht gut zurecht. Wenn Ihnen die Leute nur sagen: ‚Eure Hoheit, Sie haben Recht‘, dann nehmen Sie Widerstand als persönlichen Angriff wahr. Das ist genau das, was bei Haub passiert ist.

In der Rewe-Zentrale hängt ein Gemälde, dass nicht Haub, sondern Sie als Sonnenkönig zeigt.
Ja, viele sagen, dass ich ein kleiner Sonnenkönig bin. Aber in Herrn Haub habe ich meinen Meister gefunden. (Lacht)

Die größten Lebensmittelhändler Deutschlands


Kommen Sie mit Edeka-Chef Mosa besser aus?
Ich habe mit Herrn Mosa kein Problem. Auch Edeka ist ein super Unternehmen. Die Stärke von Edeka basiert allerdings auf den Kaufleuten und nicht auf dem Management. Herr Mosa darf die Geschäfte von Edeka koordinieren, der Aufsichtsrat entscheidet. Das macht Verhandlungen nicht unbedingt einfacher.

Haben Sie während des Hickhacks um Kaiser’s Tengelmann bereut, dass Sie Ihren Vertrag als Rewe-Chef verlängert haben?
Wenn ich nach Hause komme und mich über den Stress beklage, sagt meine Frau meistens nur: ‚Du brauchst das‘. Und sie hat Recht. Wenn ich unter Druck stehe, bin ich sehr motiviert.

Dann wird Ihr Abschied von Rewe in zwei Jahren ein harter Schnitt.
Viele Manager können nicht loslassen. Das wird mir nicht passieren.

Wer wird Ihr Nachfolger?
Das entscheidet Ende 2016, spätestens Anfang 2017 der Aufsichtsrat. Wir haben auf jeden Fall eine sehr gute Mannschaft im Vorstand.

Wie wäre es mit einer Doppelspitze Ihrer Kronprinzen Lionel Souque und Jan Kunath?
Das funktioniert nicht. Einer muss entscheiden und seinen Kopf dafür hinhalten. Wenn man nicht mehr weiß, was man machen soll, gibt’s eine Doppelspitze. Davon sind wir weit entfernt – auch jenseits von Kaiser’s Tengelmann.

Das ist Kaiser's Tengelmann

Was haben Sie vor?
Wir investieren in unsere Märkte, expandieren mit unserem Convenience-Konzept Rewe To Go und wir werden in den nächsten Monaten ein neues Frischekonzept starten.  2017 werden wir einige neue Läden eröffnen, in denen wir zu 80 Prozent frische Artikel verkaufen. Der Fokus liegt dabei auf dem Obst- und Gemüseangebot, auf Fleisch, regionalen Bio-Produkten und einem minimalen Trockensortiment für Waren, die Kunden spontan und sofort kaufen wollen – zum Beispiel Gewürze oder Essig. Zudem sollen die Frischeläden über gute Bäckereien verfügen, in denen wir frisches, warmes Brot verkaufen.

Gibt es ein Vorbild für das Konzept?
In Frankreich gibt es eine Handelskette namens Grand Frais. Unser Ansatz geht in eine ähnliche Richtung. Wir antizipieren damit auch, dass die Kunden künftig Teile des klassischen Trockensortiments öfter im Netz bestellen werden. Daher setzen wir auf mehr Frische, bauen aber auch unser Online-Geschäft aus.

Verdienen Sie damit Geld?
Im Moment investieren wir jedes Jahr Millionenbeträge in den Online-Handel. Aber wenn wir das jetzt nicht tun, bekommen wir in Zukunft Probleme, wenn Gegenspieler wie Amazon die Bühne betreten. Um diese Transformation zu stemmen, müssen wir im klassischen Geschäft das Geld verdienen und dürfen uns nicht von Edeka abhängen lassen.

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