Rich AG Katerstimmung beim Dosen-Sekt-Titan

Mit Sekt in Dosen und Werbestarlet Paris Hilton drängte der Tiroler Hotelier Günther Aloys mit der Rich AG an die Börse. Doch das Unternehmen schreibt Verluste und verschwindet nun vom Kurszettel.

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Paris Hilton in der Frankfurter Börse Quelle: REUTERS

Es war ein Festtag für die Deutsche Börse. Schon lange nicht mehr war das Interesse am Börsengeschehen so ausgeprägt, wie an jenem 3. Februar 2011, als Hotelerbin Paris Hilton im Porsche auf dem Börsenplatz vorfuhr. Mehr als 100 Journalisten belagerten die schrille Schöne. Kameras klickten, hinter den Fensterscheiben der angrenzenden Büros drängten sich Sparkassenangestellte, um einen Blick auf das Partygirl zu erhaschen. Hilton war nach Frankfurt gekommen, um für die Aktie des Münchner Dosensektherstellers Rich zu trommeln. Am liebsten trinke Paris „die pinkfarbene Rosé-Sorte“, vermerkte denn auch die Gesellschaftspresse.

Rich AG verlässt die Börse

Eineinhalb Jahre später ist der Rausch verflogen: Die Rich AG soll vom Kurszettel verschwinden. Ende September schließt die Frankfurter Börse den unregulierten Freiverkehr, wo Rich bisher gelistet ist. „Deshalb wird die Gesellschaft voraussichtlich delistet“, lässt das Unternehmen über einen Anwalt mitteilen. Den Wechsel in ein anderes Börsensegment habe das Management, anders als bisher in Aussicht gestellt, verworfen. Dabei hatte Rich-Gründer Günther Aloys bei der Erstnotiz der Aktie in Frankfurt noch von Expansionsplänen geschwärmt und getönt, die Notierung im Freiverkehr sei nur „die Eintrittsstufe an der Börse“.

Kleines Champagner-Lexikon

Der damalige Ausgabekurs von 1,10 Euro mutet inzwischen wie eine Sektlaune an. Heute sind Anleger bereit, eine Aktie für lächerliche zwei Cent loszuschlagen, gerade mal 1,8 Prozent des Anfangswertes. Doch niemand regt sich, der Handel mit dem Papier ist nahezu zum Erliegen gekommen.

Dabei sah es anfangs so aus, als würde Rich schnell zu einer Art Red Bull des Schaumweinwesens. 2006 hatte Günther Aloys, der in Tirol mehrere Hotels betreibt, die ersten Dosen abgefüllt. Und mit Paris Hilton als Werbestar schien ihm ein echter Coup gelungen zu sein. 20.000 Leute schauten zu, als das Partygirl bei einem Event in der Après-Ski-Metropole Ischgl den ersten Schluck Büchsen-Prosecco mit dem klangvollen Markennamen Rich nippte, die Augen verdrehte und „it’s yummy“ sagte. Fortan betätigte sie sich als Glamour-Beauftragte und beteuerte, der Trunk sei „so prickelnd wie mein Leben“.

Guter Start

Die beliebtesten Sektmarken der Deutschen
Die Sektbranche wird derzeit kräftig von Mixgetränken à la Hugo, Spritz und Co. aufgemischt. Die prickelnden, oft etwas süßeren und leichteren Varianten haben dem Klassiker 2014 Konkurrenz gemacht. „Wir hatten bei den schäumenden Getränken eine kleine Delle nach oben, der klassische Sekt hatte eine kleine Delle nach unten“, resümiert der Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Sektkellereien, Ralf Peter Müller, mit Blick auf die Zahlen bis Oktober. Die umsatzstärksten Monate sind demnach in dieser Rechnung noch nicht enthalten. Darüber hinaus sollten die Trendgetränke der Beliebtheit verschiedener Sektmarken keinen Abbruch tun können. Das Ifak Institut hat im Rahmen der Verbrauchs- und Mediaanalyse VuMA 2014 "Was konsumierst Du?" die beliebtesten Marken ermittelt... Quelle: dpa
Platz 10Auf Platz zehn liegt Jules Mumm. Die Godefroy H. von Mumm & Co. Sektkellereien GmbH gehört seit 2002 zur den Rotkäppchen Sektkellereien. Die Marke entstand 1852 durch die Aufspaltung des Unternehmens Champagnerkellerei P.A. Mumm in G.H. Mumm und Jules Mumm. Quelle: Screenshot
Fürst von Metternich Quelle: dpa
Platz 8/7Die verschiedenen Sekt-Sorten, die unter dem Namen Faber-Sekt verkauft werden, stammen aus dem Schloss Wachenheim Konzern. Das Unternehmen, das 1888 gegründet wurde, hat seinen Stammsitz in der pfälzischen Stadt Wachenheim an der Weinstraße, die Konzernzentrale und Hauptproduktionsstätte befindet sich in Trier. Das heutige Unternehmen entstand 1996 durch die Verschmelzung der Sektkellerei Schloss Wachenheim AG mit der Trierer Sektkellerei Faber GmbH & Co. KG. Quelle: Pressebild
Henkell Trocken Quelle: dpa
Platz 6Die Sektkellerei Söhnlein gibt es seit 1864 - gegründet wurde sie von Johann Jakob Söhnlein. Heute gibt es Söhnlein als Medium Dry, Rosé , Alkoholfrei und auch Rosé Alkoholfrei. Den Kunden schmeckt der Klassiker Söhnlein Brillant allerdings am besten - er schafft es auf den sechsten Platz der Beliebtheitsskala. Quelle: Screenshot
Platz 5Den fünften Platz beim Beliebtheitsranking nimmt der Sekt von Aldi ein. Sekt und Champagner aus Discountern haben in den vergangenen Jahren immer wieder gezeigt, dass sie bei Tests gut abschneiden. Besonders das Preis-Leistungsverhältnis stimmt bei den oft unbekannteren Marken aus den Discountern. Quelle: dapd

Paris Hilton und der schnelle Alkohol – die Mischung kam an. 2007 verkaufte Aloys nach eigenen Angaben sieben Millionen Dosen des Kribbelwassers. Doch 2009 ließen sich italienische Winzer die Herkunftsbezeichnung Prosecco schützen. In der Folge durfte Aloys den Inhalt seiner goldgefärbten Büchsen nur noch als schnöden Secco deklarieren. Hinzu kamen Auseinandersetzungen mit Geschäftspartnern, die Aloys schließlich auszahlte. Konkurrenten enterten den Markt, und auch der mediale Rummel um Hilton ließ zuletzt nach.

Weltall oder Aufsichtsrat

Aloys schäumte indes weiter nur so vor großen Ideen: Mal wollte er China in ein wahres Dosen-Dorado verwandeln, mal Paris und ihren Vater Rick Hilton bitten, in den Aufsichtsrat einzuziehen. Mit einem Raumschiff der Firma „Space Traveller“ sollte die Hotelerbin Ende 2009 ins All katapultiert werden und zuvor bereits bei einem sogenannten Parabelflug für Rich werben. Ähnlich gewagt wirkte auch Aloys’ Ankündigung, sein Unternehmen werde 2010 acht bis zehn Millionen Euro Umsatz anstreben.

Herausgekommen ist bislang wenig. Die China-Expansion ist gefloppt. Die Hiltons seien noch immer nicht im Aufsichtsrat, so die offizielle Erklärung des Unternehmens. Begründung: Die Wahrnehmung des Mandats erfordere „neben einer physischen Präsenz auch grundsätzliches Verständnis der zugrundeliegenden Rechtsvorschriften“. Nur der Flug in den Orbit sei „grundsätzlich noch aktuell“.

Derweil schreibt Rich Millionenverluste und ist hoch verschuldet, die Umsatzziele sind in weite Ferne gerückt – so viel immerhin lässt sich aus den Rich-Bilanzen herauslesen. Denn anders, als die Verpflichtung von Partygirl Hilton nahelegt, hält sich das Unternehmen gern bedeckt, zumindest wenn es um aktuelle Zahlen zum Geschäftsverlauf geht.

Vom Erfolg überzeugt

Schauspieler Daniel Craig in der Rolle als James Bond Quelle: REUTERS

Ein einziger sogenannter Quartalsbericht findet sich auf der Homepage der Gesellschaft. In einem prägnanten Vierzeiler vermeldet der Vorstand darin den Kern seines unternehmerischen Wirkens: „Der Gesamtumsatz 2011 beträgt 1.119.633 Dosen.“ Dass Erlöse neuerdings in Dosen gemessen werden, dürfte zwar nicht nur Finanzpuristen verblüffen. Doch auch mit Gewinnangaben in Hektolitern müssten die Aktionäre offenbar Vorlieb nehmen. Schließlich sei das Unternehmen gar „nicht zur Abgabe von Quartalsberichten et cetera verpflichtet“, lässt Rich mitteilen. Auch unabhängige Wirtschaftsprüfer dürfen den Gehalt von Rich allenfalls als Konsumenten prüfen.

So liegt kein Testat für die Jahresabschlüsse vor. Das sei gesetzlich aber auch „nicht notwendig“, heißt es bei Rich. Die Prüfung der Jahresabschlüsse übernimmt derweil der Aufsichtsrat. Dort wacht Aloys’ Ehefrau Elisabeth nebst einem ehemaligen Unternehmensberater und einem Steuerexperten darüber, dass der Gatte die Geschäfte auch ordentlich führt.

Hoher Jahresfehlbetrag

Wenig überraschend vermeldete das Gremium Ende April 2012 denn auch, alles sei okay, und dankte Vorstand und Mitarbeitern für ihren Einsatz und „die erfolgreiche Arbeit im abgelaufenen Geschäftsjahr“.

Dabei weist die Bilanz für 2011 einen Jahresfehlbetrag von mehr als drei Millionen Euro und Verbindlichkeiten von 7,28 Millionen Euro aus. Die Eheleute Aloys, die dem Unternehmen Geld geliehen hatten, verzichteten in den vergangenen zwei Jahren auf gut neun Millionen Euro ihrer Forderungen gegen Ausgabe von Besserungsscheinen. Auch in Zukunft würden Aloys samt Gattin im Zweifel „entsprechende Schritte prüfen, nicht zuletzt deshalb, weil wir vom Erfolg des Produkts überzeugt sind“, lässt Aloys ausrichten.

Neue PR-Idee

Beseelt von diesem Glauben, hat der Tiroler Dosensekt-Titan im Februar 2011 eine weitere PR-Rakete gezündet. „Die Marke Rich ist das Ebenbild von James Bond“, fabulierte das Unternehmen in einer Pressemitteilung, „hoch explosiv, unvorhersehbar, mächtiger als alles andere.“ Fragt sich nur, welche Mission, die Schaumweinagenten verfolgen: „Goldfinger“ oder „Ein Quantum Trost“?

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