Ritter-Sport-Chef Andreas Ronken „Wenn die Marke Ritter Sport leidet, leidet das gesamte Unternehmen“

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Werbung und Nachhaltigkeit bei Ritter Sport

Die Tradition von Ritter Sport tragen Sie auch ziemlich erfolgreich in die sozialen Medien. Mehr als einer Million Nutzern gefällt Ihre Facebook-Seite. Auf Instagram haben Sie immerhin knapp 90.000 Follower. Hier posten Sie auch fleißig. Ihr wichtigstes Marketinginstrument?
Auf jedem Fall unser wichtigstes Dialoginstrument. Über solche Plattformen ziehen wir den Kunden in den Entwicklungsprozess. Das war etwa bei unserer Einhorn-Schokolade so. Und da zähle ich auch WeChat oder gar TikTok für den chinesischen Markt dazu.

Aber herkömmliche Marktforschung betreiben Sie noch?
Machen wir noch, ja. Aber wir testen mittlerweile nicht mehr einzelne Sorten wie früher.

Bei all den frechen Werbesprüchen und PR-Scoops wie bei der Einhorn Schokolade – der Hype darum brachte Ihren Online-Shop im Jahr 2016 zweimal zum Erliegen – oder Ihrer Cannabis-Tafel drängt sich eine Frage auf: Wo kommt all die Kreativität her?
Da arbeiten wir mit Agenturen zusammen. Für die Limited Editions haben wir ein dreiköpfiges Team im Haus, das sich nur darum kümmert. Die haben den coolsten Job.

Wenn Ihnen das Team eine Idee vorlegt, wissen Sie dann „Ja, die wird einschlagen und bei Ebay für den x-fachen Preis verkauft, wenn im Supermarkt alle Tafeln vergriffen sind“?
Auf keinen Fall, wir lagen auch schon daneben. Etwa mit der HalliGalli-Schokolade, einer Tafel für dir ehemalige Sendung von Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf. Doch an keiner Limited Edition verdienen wir etwas – auch nicht an der Einhorn-Tafel. Dafür sind die Stückzahlen von um die 150.000 Tafeln viel zu gering. An einem Tag verlassen insgesamt drei Millionen Tafeln unser Werk.

Welcher PR-Stunt folgt nun?
Da darf ich noch nichts verraten. Momentan arbeiten wir auch eher daran, auf den bunten Werbeplakaten nachhaltiger zu wirken. Die Leute erkennen nicht, dass wir mehr sind als quadratisch, praktisch und gut. Das wollen wir ändern. Und über lustige Sprüche hinausgehen, sie mit einem tieferen Sinn füllen.

von Stephan Knieps, Jürgen Salz, Christian Schlesiger

Haben Sie ein Beispiel?
Gewinne sind uns wichtig – den Kakaobauern aber auch.

Ihr neuestes Vorhaben ist eine Papierverpackung. Was denken Ihre Follower darüber?
Wir haben bereits viel Feedback erhalten – Begeisterung, aber auch Bedenken. Und wir waren selbst überrascht, wie rege die Diskussionen unter den Papier-Posts sind.

Lassen Sie uns die Bedenken doch aufgreifen. Wie alltagstauglich kann eine Papierverpackung sein?
Der Schutz des Produkts ist bei der Kunststoffverpackung sicherlich noch besser. Sie schützt besser gegen Fett und gegen Feuchtigkeit. Wenn der Verbraucher aber bereit ist, ein paar Kompromisse zu machen und ihn ein kleiner Fettabdruck, der nach ein paar Monaten entstehen kann, nicht stört, dann ist Papier eine gute Alternative. Unsere jetzige Verpackung ist zwar schon ziemlich nachhaltig und „cradle-to-cradle“-zertifiziert. Doch am Ende landet sie im gelben Sack und wird nicht selten thermisch verwertet – wie es so schön neudeutsch heißt. Sie wird also verbrannt. Wenn eine Papierverpackung besser in die Kreislaufwirtschaft passt, dann werden wir umrüsten und unseren Fans die Schokolade in Papier verkaufen.

Sie sprechen von Fans?
Verbraucher ist für uns der falsche Begriff. Unsere Kunden sollen die Schokolade ja nicht kaufen, um sie zu verbrauchen – sondern um sie zu genießen, weil sie gerade Lust auf eine bestimmte Sorte haben. Und bei den Sorten trifft der Begriff Fan auch zu: Wir hören immer wieder, dass Leute am liebsten Marzipan mögen oder gar nichts anderes als Rum-Trauben-Nuss kaufen. Und wenn sie dann am nächsten Tag mal Lust auf eine Lindor-Kugel haben, dann ist das auch in Ordnung. Fans bleiben sie trotzdem.

Ihre auf Nachhaltigkeit bedachten Fans dürften sich vor zwei Jahren gefreut haben, als Sie Ihren kompletten Kakaobezug auf zertifiziert nachhaltigen Kakao umgestellt haben. Eine mühevolle Entscheidung?
Auf jeden Fall. Wir haben diesen Schritt fünf, sechs Jahre lang intensiv vorbereitet. Wir sind nun viel häufiger vor Ort in den Ursprungsländern des Kakaos und kontrollieren die Qualität viel genauer. Das geht weiter über eine Zertifizierung hinaus. Wir haben die Art und Weise, wie wir Kakao kaufen, komplett verändert. Wir sprechen auch nicht mehr von Kakaolieferanten, sondern von Partnern.

Das ist aber auch deutlich teurer.
Keine Frage: Nachhaltigkeit kostet Geld. Und die Jahresgespräche mit dem Handel werden in Zukunft sicherlich nicht einfacher, wenn wir die nachhaltige Qualität noch hochschrauben. Aber da müssen wir durch, sonst wird auch der Kakaobauer nicht mehr bekommen können.

Wo kommt der Kakao her?
Aus Ghana, Peru, von der Elfenbeinküste und aus Nicaragua, wo wir eine eigene Plantage haben.

Die Schokolade produzieren Sie allerdings ausschließlich im baden-württembergischen Waldenbuch. Der Kakao und die fertigen Tafeln legen also weite Wege zurück. Passt das zur Nachhaltigkeit?
Eine Schokoladenfabrik zu eröffnen, ist ein Investment von 50 bis 60 Millionen Euro. Und hinter jeder Sorte steckt bei uns auch eine ganz eigene und komplizierte Technologie. Ein solcher Schritt würde sich also erst lohnen, wenn der jeweilige Markt es hergibt. Bisher sehen wir den Bedarf dafür noch nicht. Doch wenn die Entwicklung im Ausland so weitergeht, wird es vielleicht irgendwann so weit sein. Außerdem haben wir eine recht gute Auslastung in Schiffen oder Lkw, wenn wir die Schokolade in alle Welt verschicken. Immerhin sind die Tafeln für ihre Größe recht schwer und gut zu stapeln. Daher sind die entsprechenden CO2-Mengen ziemlich gering.

Im Vergleich zu…?
Ich bin etwa noch Aufsichtsrat in einem Unternehmen, das Dämmwolle herstellt. Die haben natürlich immense Transportkosten und brauchen eigentlich alle tausend Kilometer eine Fabrik, um wirtschaftlich zu sein.

Lassen Sie uns einen Blick in die Zukunft werden. Gibt es irgendwann Schokolade ohne Kakao?
Das wollen wir gar nicht. Wir wollen Schokolade so herstellen, wie es die Mayas oder Azteken mal gemacht haben. Dazu gehören nun einmal Kakao und Zucker. Ich glaube nicht daran, dass wir uns eines Tages eine Tablette auf die Zunge legen werden, die dann eine Tafel Ritter Sport ersetzt. Und wenn doch, dann haben wir halt auf das falsche Pferd gesetzt.

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