Rolex, Omega & Co Die Uhrenhersteller, das Internet und die Angst

Gucken erlaubt, klicken verboten - Hersteller wie Rolex wollen nicht, dass ihre Uhren über das Internet verkauft werden. Quelle: imago images

Zu viele Uhren, die ihren Weg in den Graumarkt finden, und eine zögerliche Onlinestrategie vieler Marken setzen die lange verwöhnten Luxusuhrenhersteller unter Druck.

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Das wichtigste an einer Luxusuhr sind nicht die Zahnräder, Zifferblätter oder Zeiger, sondern die Papiere. Jede teure Luxusuhr, die ihren klassischen Weg von Manufaktur über Juwelier an den Arm oder in den Tresor des Kunden findet, bekommt Echtheitszertifikate mit auf den Weg, die sie samt Seriennummer zurückverfolgbar machen.

Wer je eine Uhr kauft und überlegt, sie zu vererben oder später mit Wertgewinn wieder zu veräußern, tut gut daran, die Zertifikate so sorgsam zu schützen wie das Uhrglas. Die Identifikationspapiere sind für die Hersteller in den vergangenen Jahren wichtig geworden - so können sie zurückverfolgen, welchen Weg eine Uhr genommen hat, nachdem sie das Werk verlassen und Monate oder Jahre später als Sonderangebot mit ordentlichem Preisabschlag im Internet feilgeboten wird.

Um dem Graumarkt möglichst viel Wasser abzugraben, hat sich der Luxuskonzern Richemont entschlossen, Tausende von Uhren zurückzukaufen, die bei Juwelieren unverkäuflich in Vitrinen und Tresoren ruhten. Einige Händler, so die Sorge des Konzerns mit Marken wie Lange & Söhne, Cartier oder Jaeger-LeCoultre, könnten die schlechter verkäuflichen Modelle mit reichlich Abschlag an Mittelsmänner weiterreichen, die diese wiederum in Online-Portalen günstig anbieten können.

208 Millionen Euro hat Richemont dafür in seiner 11-Milliarden-Jahresbilanz aufgeführt, was das am Freitag bekannt gegebene Konzernergebnis drastisch schmälerte. Schließungen von Boutiquen und Straffung von Vertriebswegen gehörten zum weiteren Programm, um zu verhindern, dass der Druck durch zu volle Lager sich in Rabatten bei Internet-Händlern entlädt. Analysten wie Patrik Schwendimann von der Zürcher Kantonalbank zeigen sich enttäuscht: "Das abgelaufene Geschäftsjahr liegt bereinigt um die Lagerrückkäufe und das schlechte Finanzergebnis leicht unter den Schätzungen." Die Aktie wurde um bis zu 7,6 Prozent billiger.

Niedrige Preise - kaum etwas fürchtet die Luxusuhrenbranche von A wie Audemars Piguet über L wie Lange & Söhne bis Z wie Zenith so sehr wie eine Preisschlacht im Internet. Eines der gleichzeitig erfolgreichsten wie auch überflüssigsten Produkte der Luxusbranche, einer tausende Euro teuren Uhr, die die Zeit ungenauer anzeigt als jedes Smartphone, lässt sich lediglich über Begehrlichkeit teuer verkaufen. Verknappung durch Limitierung, Wartezeiten und stabile Preise - weltweit in welcher Währung auch immer. Ein Graumarkt, der zwischen 2014 und 2016 gut 20 Prozent des Marktes mit Uhren jenseits von 5000 Euro ausgemacht hat, ist ein Dorn im Auge, gar ein "Krebsgeschwür", wie Jean-Claude Biver, Uhren-Chef bei LVMH, sagte.

Eines der stets mit Wartezeit belegten, bekanntesten und beliebtesten Modelle der Luxusuhrenbranche heißt Oyster, zu deutsch Auster. Ihr Hersteller Rolex gibt sich in der Kommunikation ähnlich verschlossen wie das Meerestier und exakt so hartnäckig wie beim geöffnet werden, wenn es darum geht, die Vertriebswege jedes einzelnen Modells unter Kontrolle zu haben.

Die Modelle der in Genf ansässigen Marke gehören zu den meistgesuchten im Internet. Stabile Preise im Gebrauchtmarkt und stets hohe Auktionserlöse für seltene ältere Modelle sind Ausdruck der Beliebtheit ebenso wie die Plätze in der Zahl der Suchanfragen bei Online-Portalen wie Chronext, die zwar viele Rolex-Modelle im Webshop haben, aber kein Konzessionär der Marke sind.

Der größte deutsche Konzessionär ist der Hamburger Juwelier Wempe, der neben den eigenen Geschäften auch für Rolex und die Genfer Manufaktur Patek Philippe Mono-Brand-Boutiquen führt - in Hamburg gar mit der gleichen Adresse: Neuer Wall.

51199 Uhren hat Wempe im abgelaufenen Geschäftsjahr 2017 verkauft, ein Wachstum gegenüber 50.639 im Jahr zuvor. Umsatzbringer nach wie vor: Rolex. Davon im Internet verkauft: Null.

"Wenn wir etwas machen, dann wollen wir es richtig machen, auch wenn es länger dauert", sagt Kim-Eva Wempe bei der Pressekonferenz zu den Jahreszahlen, bei der auch eine Uhr namens "Stahl 1" vorgestellt wurde, die Musiker und Uhrenfan Herbert Grönemeyer gestalterisch verantwortet hat. Es werden also noch ein paar Monate ins Land gehen, bevor der eigene Webshop von Wempe auch das ist, was heute bei Kleidung, Handtaschen oder Parfüm gang und gäbe ist - eine Bestellung via Internet und Lieferung nach Hause.

Anschauen, aber nicht klicken

Der Glashütter Hersteller Nomos ist da einen Schritt weiter. Er vertreibt seine Uhren schon länger über seine eigene Webseite - zum gleichen Preis wie die Händler. Preisschlacht, Rabattaktionen - davon ist die Zunft noch nicht so stark betroffen wie mehr oder weniger sämtliche Konsumprodukte.

Aber mit einem guten Preis im Google-Ranking oben zu sein, das strebt auch Wempe an und hat bei den Neuanstellungen im vergangenen Jahr vor allem auch Datenanalysten und SEO-Spezialisten eingekauft. Ein guter Teil des Marketingbudgets soll künftig auf die digitalen Aktivitäten verwendet werden.

Damit man da ist, wo das anfangs von vielen noch belächelte Start-up Chronext ist: Im Internet, sichtbar, auffindbar. Aber ohne offizielle Konzessionen für beliebte Modelle von Rolex oder Breitling. Seinem datenverliebten CEO und Mitgründer Philipp Man ist es im Mai gelungen, einen Partner zu gewinnen, der sich vor seinen klassischen Konzessionären wohl nun erstmal erklären muss. Die Swatchgroup.

An dem Gigant aus Biel führt in der Uhrenindustrie für viele Unternehmen kaum ein Weg vorbei. Zur Swatchgroup gehören nicht allein Umsatzbringer wie Omega und Longines, edle Marken wie Breguet, Blancpain oder Glashütte Original, sondern auch der Werkelieferant ETA. Deren Kaliber stecken mehr oder minder aufpoliert in zahllosen Gehäusen anderer Marken, so auch in Wempes neuer Grönemeyer-Uhr.

Just jenes Unternehmen, das mit der Swatch zu guten Teilen die Schweizer Uhrenindustrie fast im Alleingang rettete als die Quarzuhr die mechanische überflüssig machte, sucht nun den Schulterschluss mit Chronext, das sich so vom ungeliebten Wettbewerber zum akzeptierten Partner gemausert hat - zumindest für die Swatchgroup und ihre 18 Marken. Sie hat Chronext als Partner zertifiziert und liefert künftig Ersatzteile für den Händler, der eine eigene Werkstatt mit elf Uhrmachermeistern betreibt.

Begeisterung löst das bei den klassischen Handelspartnern nicht aus. Noch können große Juwelierketten wie die Schweizer Gruppe Bucherer auftrumpfen mit ihrer Expertise, einer offiziellen Konzession großer Marken und nun auch einem frischen Online-Shop mit Live-Chat-Beratung und Preisen wie beim Hersteller.

Dass das so bleibt, dessen kann sich aber keiner der Akteure sicher sein. Richemont hat seiner Marke Baume & Mercier, die innerhalb der Gruppe bereits das Einstiegssegment darstellt noch eine Untermarke gegönnt. Sie heißt Baum, setzt neben Verwendung nachhaltiger Materialien bei Bändern und Gehäusen auf Preise weit unter 1000 Euro und individueller Zusammenstellung - und reinen Online-Vertrieb.

"Wir betrachten das mit Interesse", sagt Bernhard Stoll, verantwortlich für das Uhrengeschäft bei Wempe, das dort mit 84 Prozent den Löwenanteil zum Unternehmensumsatz von erstmals 500 Millionen Euro im Jahr beiträgt. Es sei neben der neuen Vertriebsschiene eben auch ein Weg, ein jüngeres Publikum für eine Uhr zu interessieren. Ein Publikum, das viele Marken sehr lange Zeit glaubte, vernachlässigen zu können - und allzu oft die Augen allein auf den chinesischen Markt richtete.

Wempes eigene Uhrenmarke Zeitmeister, die in der Sternwarte in Glashütte gefertigt werden, erfüllt eine ähnliche Funktion - alltagstaugliche Modelle zu noch darstellbaren Preisen. Mit dieser Art Uhren soll die künftige Kundschaft Blut lecken, die dann vielleicht auch eher mal im Online-Shop rumklickt, statt in die Stadt zu fahren, um eine Boutique mit zwar schönen Schaufenstern aber auch immer eher würdigen Atmosphäre aufzusuchen.

Wenn der Shop dann Anfang 2019 online ist, sind dort auch Uhren mit offiziellen Papieren zu bekommen, aufwändig dargestellt, um dem künftigen Träger eine Idee von der Uhr an seinem Arm zu geben.

Zwei der erfolgreichsten Marken bleiben jedoch grundsätzlich ihrer Linie treu und verweigern vollständig und weltweit den Verkauf via Click-Button: Patek Philippe und Rolex. Letzteres Unternehmen hat immerhin heute schon ein Einsehen mit der Neugier potentieller Kunden: Auf der eigenen Webseite sind inzwischen Preise zu finden.

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