Ryanair-Chef O’Leary in der Kritik „Die prekärsten Arbeitsbedingungen in ganz Europa“

Der Billigflieger Ryanair steuert 200 Millionen Passagiere bis 2024 an. Trotz ehrgeiziger Pläne hagelt es für Airline-Chef O’Leary auch Kritik. Das EU-Parlament und Gewerkschaften monieren umstrittene Arbeitsbedingungen.

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Die Arbeitsbedingungen bei Europas größtem Billigheimer der Lüfte stehen in der Kritik. Quelle: dpa

Frankfurt Wenn es noch eines Beleges für die Aggressivität von Ryanair bedurft hätte, hat ihn die irische Billig-Fluggesellschaft spätestens an diesem Montag geliefert. Bis zum Jahr 2024 werde die Zahl der beförderten Passagiere auf rund 200 Millionen steigen, prognostizierte Michael O’Leary in seinem Statement für die Investoren. Das sind fast doppelt so viele Fluggäste wie Ryanair im abgelaufenen Geschäftsjahr (rund 106 Millionen Passagiere) transportiert hat.

O’Leary spürt derzeit jede Menge Rückenwind. Im zweiten Quartal des laufenden Geschäftsjahres (bis Ende März) hat Ryanair einen Überschuss von 912 Millionen Euro erzielt. Das sind acht Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Die Airline überraschte mit diesen Zahlen, hatte O’Leary doch die eigene Prognose erst im Oktober mit Verweis auf die Schwäche des Pfund-Kurses nach unten revidiert.

Deshalb blieben auch Analysten eher zurückhaltend bei ihren Vorhersagen. Entsprechend reagierten Investoren auf die guten Zahlen, der Kurs legte am Vormittag um fast fünf Prozent zu. O’Leary zeigte sich sichtlich stolz über die Zahlen und sprach von einer „unglaublichen Entwicklung“ trotz des schwierigen Umfeld mit Flughafenstreiks, Terrorismus und Brexit.

Doch die aggressive Expansion des Billiganbieters provoziert auch wachsenden Gegenwind. Schon länger steht Ryanair wegen der Arbeitsbedingungen unter Beschuss. Die Airline lässt sich unter anderem einen Teil der Piloten von Personaldienstleistern vermittelt. Denen wird vorgeworfen, Steuern zu hinterziehen. Auch bei den Sozialabgaben soll es nicht mit rechten Dingen zugegangen sein. Unter anderem ermittelt die Staatsanwaltschaft Koblenz.

Zwar richten sich diese Untersuchungen nicht gegen Ryanair sondern gegen die Dienstleister sowie betreffenden Piloten. Doch der Druck auf Ryanair wächst, diese Praktiken zu beenden. Und nach der Ankündigung der Airline, ab dem Sommerflugplan 2017 auch in Frankfurt starten und landen zu wollen, hat die Kritik massiv zugenommen, die sich nun auch gegen den Flughafenbetreiber Fraport richtet.

„Durch ihre unfaire Gebührenpolitik bevorzugt Fraport hier massiv einen Wettbewerber gegenüber anderen und zwar ausgerechnet den mit den prekärsten Arbeitsbedingungen in ganz Europa“, wettert Alexander Behrens, Vorstandsvorsitzender der Flugbegleiter-Gewerkschaft Ufo.


Prekäre Arbeitsbedingungen als Sicherheitsrisiko

Auch die Piloten-Gewerkschaft „Vereinigung Cockpit“ prangert die Entwicklung an. „Die sozialen Rechte des Flugpersonals müssen geschützt werden, direkte Arbeitsverträge müssen als Standardmodell festgeschrieben und die Verwendung atypischer Arbeitsverträge massiv eingeschränkt werden“, sagt Ilja Schulz, Präsident der Vereinigung Cockpit.

„Wir fordern die Bundesregierung auf, ihr innerstaatliches Recht dahingehend zu überarbeiten, dass alle Arbeitsverträge im Luftverkehr gute Arbeitsbedingungen vorsehen müssen, da prekäre Arbeitsbedingungen ein Sicherheitsrisiko darstellen. Der soziale Schutz der Arbeitnehmer und die Dienstleistungsqualität dürfen nicht der Wettbewerbsfähigkeit geopfert werden.“

Ob die Ermittlungen gegen die Dienstleister von Ryanair tatsächlich eines Tages auch auf Ryanair ausgeweitet werden, ist zwar offen. Fakt ist aber, dass sich die Politik des Themas langsam annimmt.

So hat das EU-Parlament Mitte September eine Entschließung zum „Sozialdumping in der EU“ verabschiedet. Darin richtet es sich gegen atypische Beschäftigung, Sozialdumping und Scheinselbständigkeit, die Formen der Wettbewerbsverzerrung darstellen würden. Eine in der Entschließung beispielhaft genannte Branche: der Straßen- und Luftverkehrsbereich.

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