Sanierungskonzept „Galeria 2.0“ startet Galeria Karstadt Kaufhofs Insolvenzverfahren ist beendet

Mit mehr als 40 Warenhäusern und tausenden Mitarbeitern weniger soll es bei Galeria Karstadt Kaufhof weiter gehen. Quelle: dpa

Galeria Karstadt Kaufhof hatte im April im Zuge der Coronakrise Rettung in einem Schutzschirmverfahren gesucht. Nun ist das Insolvenzverfahren aufgehoben worden. Unter dem Titel „Galeria 2.0“ soll die Sanierung beginnen.

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Für den Chef von Galeria Karstadt Kaufhof (GKK), Miguel Müllenbach, war es fast schon ein historischer Moment: Das Amtsgericht Essen hob am Donnerstag das Insolvenzverfahren des letzten großen deutschen Warenhauskonzerns auf und machte damit den Weg frei für einen Neustart des Handelsriesen. „Diesen Tag und diesen Erfolg haben wir alle herbeisgesehnt“, schrieb Müllenbach in einem Mitarbeiterbrief. Galeria Karstadt Kaufhof melde sich zurück auf dem Spielfeld und werde in den kommenden Wochen und Monaten die Tabelle der erfolgreichen Einzelhändler auf den Kopf stellen.

Es sind selbstbewusste Worte. Dabei hatte der Warenhausriese erst Anfang April im Zuge der Coronakrise Rettung in einem Schutzschirmverfahren suchen müssen. Zeitweise summierten sich die Verluste des ohnehin angeschlagenen Konzern aufgrund der staatlich angeordneten Ladenschließungen auf rund 80 Millionen Euro wöchentlich.

Im Insolvenzverfahren hat Galeria Karstadt Kaufhof nun Schulden in Höhe von mehr als zwei Milliarden Euro abgeschüttelt. Die Gläubiger hatten dafür Anfang September den Weg freigemacht, als sie bei einer Gläubigerversammlung den von der Unternehmensführung ausgearbeiteten Insolvenzplänen zustimmten. Die Sanierungspläne sehen die Schließung von mehr als 40 Warenhäusern und den Abbau tausender Arbeitsplätze vor. Vor allem die Stellen in den Schließungsfilialen fallen weg, aber auch in der Zentrale und der Logistik werden Jobs gestrichen. Grundsätzlich wurden Schließungen laut Insolvenzplan immer dann in Erwägung gezogen, wenn eine Filiale nicht mindestens fünf Prozent Ebitda-Marge erreicht hat. Problematisch waren zudem Standorte, bei denen sich Kennziffern etwa hinsichtlich der Bevölkerungsentwicklung oder Kaufkraft verschlechtert haben. Auch Sonderfaktoren wie Doppelstandorte, an denen Kaufhof und Karstadt bislang direkt miteinander konkurrieren, spielten bei der Entscheidung laut Insolvenzplan eine Rolle.

Das rasant gewachsene Reich von René Benko erweist sich als überraschend krisenfest. Selbst die Insolvenz von Galeria Karstadt Kaufhof kann sich für den Immobilienunternehmer noch auszahlen – auch Dank heikler Deals.
von Melanie Bergermann, Henryk Hielscher

Fast 130 Kaufhäuser und rund 16.000 Arbeitsplätze bleiben allerdings erhalten. Denn viele Vermieter und Kommunen hatten dem Warenhauskonzern zuletzt beträchtliche Zugeständnisse gemacht, um die Schließung der für die Attraktivität vieler Einkaufsstraßen wichtigen Warenhäuser zu verhindern. Auch von den Karstadt-Sporthäusern bleiben mehr erhalten als anfangs erwartet.

Der Warenhausriese könne sich voraussichtlich schon im Oktober wieder ohne insolvenzrechtliche Einschränkungen und schuldenfrei dem Wettbewerb um die Kunden stellen, hatte GKK-Chef Miguel Müllenbach in einem Mitarbeiterbrief nach dem „Ja“ der Gläubiger geschrieben. Nach dem Ende des Insolvenzverfahrens an diesem Mittwoch zeigte sich Müllenbach ebenfalls demonstrativ optimistisch, was die Zukunft des Handelsriesen angeht. „Die Krise hat uns stärker gemacht, denn wir haben anders als andere Unternehmen keine Schulden“, schrieb er den Mitarbeitern.

Im Insolvenzplan war festgelegt worden, dass Gläubiger ohne spezielle Sicherheiten nur einen Bruchteil ihrer Forderungen in Euro erhalten werden. Auch der Eigentümer von Karstadt-Kaufhof, die österreichische Immobiliengruppe Signa von René Benko, wird zur Kasse gebeten, damit das Unternehmen weitermachen kann. Signa hatte GKK bereits kurz vor dem Schutzschirmantrag Anfang April 162 Millionen Euro überwiesen, damit der Geschäftsbetrieb weitergehen konnte. Zusätzlich soll Benko nun einen „Sanierungsbeitrag“ von bis zu 325 Millionen Euro leisten, 125 Millionen Euro davon als Massedarlehen. Unabhängig davon sollen 41,3 Millionen Euro aus Zahlungsversprechen und „Verlustausgleichsverpflichtungen“ der Vergangenheit von Signa-Ablegern gezahlt werden. Vereinzelt sind dem Vernehmen nach auch Warenhaus-Standorte von der Schließung betroffen, die Signas Immobilienportfolio gehören.


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Galeria Karstadt Kaufhof will sich künftig bei seinem Angebot mehr an den lokalen und regionalen Gegebenheiten der Standorte ausrichten und außerdem viel digitaler werden. „Wir werden unseren Onlinehandel massiv ausbauen“, sagte der Manager kürzlich in einem Interview. In diesem Bereich sei GKK bislang viel zu langsam und altbacken gewesen. Nicht alle Branchenkenner sind allerdings so zuversichtlich wie der GKK-Chef. Der Handelsexperte Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein etwa beurteilt die Zukunftsperspektiven des Handelsriesen deutlich skeptischer. „Durch den Schuldenschnitt hat das Unternehmen jetzt einen kurzfristigen Wettbewerbsvorteil, eine Art Anschubhilfe. Aber das Grundproblem bleibt: Die Warenhäuser haben sich überlebt“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Vielleicht 30 bis 50 Warenhäuser in den Metropolen seien auf Dauer lebensfähig. Der Rest habe keine Zukunft. „Dinosaurier können vielleicht noch im Jurassic-Park überleben, aber nicht im hart umkämpften Einzelhandel.“

Tatsächlich leidet Galeria Karstadt Kaufhof nicht nur unter der Coronakrise. Schon vor der Pandemie machten der Siegeszug des Onlinehandels und die seit Jahren sinkenden Besucherzahlen in den Innenstädten dem Konzern zu schaffen. Der Warenhausriese macht bislang nicht einmal fünf Prozent seiner Umsätze im Internet. Der Nachholbedarf auf diesem wichtigen Wachstumsmarkt ist also groß.

Über die beschlossenen Schließungen, Kündigungen sowie die Kapitalspritze von Signa hoffen die Sanierer, die Finanzlage des Konzerns so zu stabilisieren, dass GKK in Zukunft deutlich mehr Geld in die Modernisierung seines Filialnetzes und des Online-Auftritts investieren kann. So sieht das „Galeria 2.0“ getaufte Sanierungskonzept einen Ergebniseffekt von bis zu 467 Millionen Euro bis zum Geschäftsjahr 2022/23 auf Ebitda-Level vor. „Durch die verbesserte wirtschaftliche Situation werden zukünftig Investitionen aus eigener Kraft ermöglicht, so das über fünf Jahre ca. 650 Millionen in die Neuausrichtung investiert werden können.“ Von diesem Betrag sollen „mehr als dreiviertel in die Modernisierung der im Standortportfolio verbleibenden Filialen“ fließen. Der Rest werde in die technologische und digitale Infrastruktur investiert.

Ein strukturierter Wandel und ein neues Konzept sind auch dringend nötig, kommentierte auch WirtschaftsWoche-Redakteur Henryk Hielscher vor einem Monat kurz vor der Gläubigerversammlung: Tut sich nicht endlich etwas in den Häusern und im nach wie vor rudimentären Onlineangebot wird sich der Kundendrift noch beschleunigen. Investitionen in den Umbau des Geschäftsmodells – überwiegend in modernere Filialen, aber auch in das Onlinegeschäft, das bislang nur homöopathische Dosen zum Gesamtumsatz beisteuert – sind wichtig, aber bislang nur Planspiele. „Ob sie letztlich Realität werden, hängt von vielen Faktoren ab, nicht zuletzt von den Mitarbeitern, die sich seit Jahren mit immer neuen Verzichtsforderungen konfrontiert sehen“, so die Einschätzung von Henryk Hielscher.

Mehr zum Thema: Profitiert Galeria-Karstadt-Kaufhof-Eigner René Benko selbst von der Krise?

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