Schickedanz gegen Sal. Oppenheim Verhandlung wird zur großen Middelhoff-Show

Quelle-Erbin Madeleine Schickedanz verlor durch die Arcandor-Insolvenz ein Vermögen und fordert Schadenersatz. Thomas Middelhoff stützt die Klägerin als Zeuge.

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Erneutes Treffen vor Gericht: Die Quelle-Erbin Madeleine Schickedanz geht (r) im Landgericht an Ex-Arcandor-Chef Thomas Middelhoff (l) vorbei. Quelle: dpa

Thomas Middelhoff hat bisher noch jeden Saal in eine Bühne verwandelt. Es dauert keine Minute, dann ist klar: Auch am Montag macht er keine Ausnahme. Der ehemalige Vorstandsvorsitzende von Arcandor setzt sich vor Gericht genauso in Szene wie einst auf noblen Abendveranstaltungen. Standesgemäß posiert er im schwarzen Drei-Knopf-Anzug für die Fotografen. "Dass Sie mir heute auch mal richtig schreiben", sagt er schmunzelnd zu den Journalisten.

Dann erscheint Madeleine Schickedanz. Der Kontrast zwischen ihr und ihm könnte kaum größer sein. Während Middelhoff mit goldbraunem Teint, akkurat gescheiteltem Haar und breitem Grinsen durch den Gerichtssaal stolziert, verzieht Madeleine Schickedanz keine Miene.

In besseren Tagen zählte sie zu den reichsten Frauen Deutschlands. Heute schlurft sie im grauen Hosenanzug, weißer Bluse und blassem Gesicht auf Middelhoff zu. Kurzes Händeschütteln. Dann bittet der Richter den ehemaligen Arcandor-Chef in den Zeugenstand.

Forderung: 1,9 Milliarden Euro von 14 Beklagten

Der Saal 112 im Kölner Landgericht ist der Schauplatz von einem der größten Schadensersatzprozesse der deutschen Wirtschaftsgeschichte. Die Klägerin heißt Madeleine Schickedanz. Als Tochter des Quelle-Gründers Gustav Schickedanz erbte sie ein Milliardenvermögen. Doch mit der Pleite des Arcandor-Konzerns (früher KarstadtQuelle) verlor Schickedanz nach eigenen Angaben fast ihr gesamtes Hab und Gut.

Deutschlands traditionsreichste Privatbanken
Mit ihrem Geld wurden Könige gewählt und Kriege finanziert. Privatbankiers haben zum Teil schon vor 500 Jahren große Vermögen verwaltet. Heute kümmern sich die exklusiven Geldhäuser hauptsächlich um die Gelder von betuchten Privatkunden. Seit Anfang des 20. Jahrhunderts ist die Zahl der unabhängigen Institute in Deutschland von über 1300 auf rund ein Dutzend zurückgegangen. Und mit der Notübernahme von Sal. Oppenheim durch die Deutsche Bank verliert das prominenteste und finanzstärkste private Institut in Deutschland seine Unabhängigkeit. Foto: PR
Sal. OppenheimMit 40 000 Talern in bar und 50 000 Talern in Wertpapieren gründete der 17-jährige Salomon Oppenheim Jr. im Jahr 1789 ein Kommissions- und Wechselhaus in Bonn. 220 Jahre und zwei Umzüge später sitzt die Privatbank nun in Luxemburg und beschäftigt rund 4300 Mitarbeiter. Mit einer Bilanzsumme von 41,4 Milliarden Euro (Stand November 2009) zählt sie zu den größten unabhängigen Privatbanken Europas. Im Jahr 2008 schrieb die Bank zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg rote Zahlen. Foto: PR
Berenberg-BankUm ihr Vermögen müssen die persönlich haftenden Gesellschafter der Berenberg Bank nicht bangen: Eine Eigenkapitalrendite von 45,3 Prozent und ein Überschuss von 62 Millionen Euro im vergangenen Jahr (2010) dürfte sie ruhig schlafen lassen. Die Berenberg Bank nennt sich selbst die älteste Privatbank Deutschlands. Sie ging aus einem familiengeführten Hamburger Handelshaus hervor, das 1590 gegründet wurde. Sie verfügt über eine Bilanzsumme von 3,2 Milliarden Euro (2010) und verwaltet über 25 Mrd. Euro. Ende 2010 beschäftigte die "Joh. Berenberg, Gossler & Co. KG" 977 Mitarbeiter an 17 Standorten. Größte Gesellschafter sind die Familie sowie die persönlich haftenden Gesellschafter. Foto: PR
Hauck & Aufhäuser PrivatbankiersKnapp acht Prozent von Hauck & Aufhäuser gehören dem Kuwaitischen Königshaus. Die Gründerfamilie Hauck hält ebenfalls ein Aktienpaket, rund 80 Prozent der Anteile sind im Besitz privater Unternehmerfamilien. Der Bilanzgewinn lag 2010 bei 9,1 Millionen Euro, die Bilanzsumme betrug 3,2 Milliarden Euro. Hauck & Aufhäuser beschäftigt derzeit rund 600 Mitarbeiter. Foto: PR
Bankhaus LampeDas Motto des Bankhaus Lampe lautet "Für Wenige Besonderes leisten". Dem bleibt die Bank auch treu: Wenige, dafür wohlhabende Kunden bilden das Klientel. Gegründet wurde das heute in Bielefeld ansässige Unternehmen 1852 in Minden. Mittlerweile hat das Bankhaus Lampe 580 Mitarbeiter an 12 Standorten, darunter Dresden, Hamburg, Berlin und München. Hatte das Institut 2007 noch 24 Millionen Euro Jahresüberschuss, schrieb es 2008 zwölf Millionen Euro Verluste. Foto: PR
Fürstlich Castell'sche Bank, Credit-Casse AGDie älteste Bank Bayerns wurde 1774 als "Gräflich Castell-Remlingen´sche Landes-Kredit-Casse" gegründet. Nach der Erhebung in den Fürstenstand und der Übernahme einer anderen Castell`schen Bank heißt das Institut heute "Fürstlich Castell´sche Bank, Credit-Casse". Der Hauptsitz ist mittlerweile in Würzburg. Die Bank befindet sich im alleinigen Besitz der Fürstenhäuser Castell-Rüdenhausen und Castell-Castell. Die Bilanzsumme liegt bei 1,1 Milliarden Euro (Stand November 2009). Beschäftigt werden 270 Mitarbeiter in 15 Filialen. Foto: PR
Merkur-BankDie Merkur-Bank engagierte sich in den 90er-Jahren in der Republik Mosambik, was ihrem damaligen Vorsitzenden Siegfried Lingel den Titel Honorarkonsul von Mosambik einbrachte. Gegründet wurde die Bank 1959 von Zanwel Horowicz zusammen mit seiner Frau und seinem Bruder. 1986 stieg dann eine Investorengruppe um Siegfried Lingel ein. Der Bilanzgewinn sank im Jahr 2008 auf 282 000 Euro im Vergleich zu 956 000 Euro in 2007. Foto: PR

Die ihrer Ansicht nach Schuldigen an der Misere will sie nun zur Kasse bitten. Unter anderem fordert Schickedanz von ihrer ehemaligen Hausbank Sal. Oppenheim und ihrem einstigen Vermögensberater Josef Esch Schadensersatz in der Höhe von rund 1,9 Milliarden Euro. Schickedanz wirft ihren früheren Geschäftspartnern vor, sie falsch beraten und um erhebliche Teile ihres Vermögens gebracht zu haben. Neben Esch weisen auch die anderen 13 Beklagten die Vorwürfe zurück und fordern, die Klage solle abgewiesen werden.

Die Geschichte von Sal. Oppenheim


Im Kern dreht sich dabei alles um die Frage, ob Schickedanz wusste, was sie tat, als sie im Frühjahr 2005 Kredite in der Höhe von 380 Millionen Euro aufnahm, um die Aktienmehrheit an Karstadt-Quelle zu erwerben. Schickedanz Anwälte zeichneten beim Prozessauftakt vor fast zwei Jahren das Bild einer Frau, die zwar Millionen auf dem Konto hatte, in finanziellen Fragen aber vollkommen unbedarft agierte. Es seien ihre Berater gewesen, die sie „in den Ruin getrieben“ hätten, sagte damals ihr Anwalt, Stefan Homann.

Middelhoff in einer Schlüsselrolle

Dieses Bild versuchte vergangene Woche Leo Herl, Schickedanz Ehemann, zu untermauern. Seine Frau hätte demnach nur als „Strohfrau“ agiert. Sie habe es im Gegenteil sogar abgelehnt, weitere Aktien zuzukaufen und wollte sich so schnell wie möglich von ihrem Paket trennen, so Herl. Eine Schlüsselrolle zur Klärung dieser Version kommt nun dem Mann im Zeugenstand zu: Thomas Middelhoff, Ex-Chef von Arcandor.

Was war die Zielsetzung von Frau Schickedanz mit KarstadtQuelle, fragt Richter Stefan Singbartl. "Sie wollte einen bestimmten Geldbetrag haben, aus dessen Zinsertrag sie ihren Lebensunterhalt bestreiten könne", antwortet Middelhoff. Wie viel? "Eine Milliarde Euro", sagt Middelhoff.

"Ich will in Ruhe und ohne Sorge alt werden", soll Schickedanz ihm gesagt haben, erinnert sich Middelhoff. Schon im März 2005 hätte Schickedanz ihm klar gemacht, dass sie es als nicht notwenig erachte, bis an ihr Lebensende Hauptaktionärin von KarstadtQuelle zu sein. Sie wolle aber nicht sofort verkaufen und wenn, dann nur zum richtigen Preis. Eine Milliarde eben. Die sollte Middelhoff auftreiben.

Wie glaubwürdig ist Schickedanz wirklich?

Um KarstadtQuelle zu sanieren, schwebte Middelhoff vor, den Konzern von der Börse zu nehmen. Sein Kalkül: Wenn das Unternehmen, das einst mehr als 100.000 Mitarbeitern zählte, nicht so sehr im Fokus der Öffentlichkeit stehe, ließe es sich leichter sanieren.

Voraussetzung für den Börsenrückzug wäre aber gewesen, dass Schickedanz zuerst die Aktienmehrheit am Konzern erwirbt. Dafür fehlten ihr aber die finanziellen Mittel. Die sollten nun von Sal. Oppenheim und den Kunden von Josef Esch kommen, dem Vermögensverwalter von Schickedanz und Middelhoff.

Die "geborene Insiderin"

Die Details des Plans: Middelhoff beauftragte Goldman Sachs, die Deutsche Bank und die Rechtssozietät Shearman & Sterling, um die finanzielle und rechtliche Machbarkeit eines Börsenrückzugs abzuklären. Wegen einer Klausel in Kreditverträgen wiesen die Berater darauf hin, dass ein Pflichtangebot vermieden werden sollte, weil ansonsten die komplette Refinanzierung des Konzerns in Frage stünde. Der Ausweg hatte einen Namen: Madeleine Schickedanz.


Die Berater beschrieben sie als "geborene Insiderin", schildert Middelhoff. Als Hauptaktionärin wäre sie die einzige Person gewesen, die ohne Übernahmeangebot Aktien zukaufen könne. Weil ihr aber das Geld dazu fehlte, sollte sie als Strohfrau fungieren, wie Middelhoff bestätigte.

Unwissenheit sei "schwerlich plausibel"

Schickedanz sei wegen dieses Plans "ein bisschen besorgt" gewesen und hätte klar gemacht, dass sie keine weiteren Verbindlichkeiten anhäufen wolle. Josef Esch, der Schickedanz in Vermögensfragen beriet, soll laut Leo Herl, Schickedanz Ehemann, daraufhin versichert haben, dass Schickedanz zwar mit ihrem Namen die Aktien kaufe, die Finanzierung aber geregelt sei und sie kein Risiko davon trage.

Diesen Eindruck hatte offenbar auch Middelhoff und bringt damit seinen einstigen Duz-Freund, Josef Esch, in Bedrängnis. "Meine Schlussfolgerung war eindeutig, dass Schickedanz nicht auf eigenes wirtschaftliches Risiko kauften sollte", sagte Middelhoff.

Der Vorsitzende Richter Stefan Singbartl erklärte aber schon beim Prozessauftakt vor zwei Jahren, er halte es für "schwerlich plausibel", dass jemand mit solch einem Hintergrund wie Frau Schickedanz nicht gewusst habe, welches Risiko in Aktienkäufen auf Pump läge. "Sie machte alles mit", sagte Singbartl damals. Es sei nicht zu erkennen, dass die Transaktionen gegen den Willen von Schickedanz über die Bühne gingen.

Weitere Middelhoff-Prozesse

Im Sal. Oppenheim-Prozess geht es am Mittwoch mit der Ladung des Unternehmers Holger Lampatz weiter. Er soll bezeugen – so hoffen Schickedanz Anwälte –, dass Esch sich mehrmals abfällig über Schickedanz äußerte und ihre Kompetenz arg in Zweifel zog. Sinngemäß soll Esch gesagt haben, Schickedanz sei eine Hausfrau, die vom Geschäftlichen nichts verstehe. Esch bestreitet das ebenso, wie alle anderen Vorwürfe.

In Essen beschäftigt sich am Donnerstag ebenfalls ein Gericht mit der Arcandor-Pleite. Middelhoff steht auch dort im Mittelpunkt. Die Staatsanwaltschaft Bochum fordert für den einstigen Chef von Bertelsmann im Strafverfahren wegen schwerer Untreue drei Jahre und drei Monate Haft. Die Staatsanwaltschaft sieht es als erwiesen an, dass der 61-Jährige seine Treuepflichten verletzt und dem pleitegegangenen Arcandor-Konzern in 44 Fällen geschadet habe. So habe Middelhoff etwa mit einer einzigen New-York-Reise für einen Schaden in der Höhe von mehr als 91.000 Euro gesorgt.

Das Schicksal der früher größten europäischen Privatbank und des von Middelhoff geführten Handelskonzerns waren während der Finanzkrise eng miteinander verwoben. Als Großaktionär wurde Sal. Oppenheim von der Arcandor-Insolvenz im Sommer 2009 mit in den Abwärtsstrudel gerissen. Die Deutsche Bank übernahm Sal. Oppenheim schließlich 2010 in stark verkleinerter Form.

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