Die USS Ancon hatte bei der ersten Durchquerung des Panamakanals noch viel Platz: 18 Meter war das Dampfschiff breit und wirkte damit fast zierlich zwischen den Hügeln entlang der künstlichen Wasserstraße. Selbst in den Schleusen am Anfang und Ende des Kanals blieben der USS Ancon bis zu den Wänden an jeder Seite noch gut zehn Meter Platz.
Hundert Jahre ist die Fahrt der USS Ancon her. Seitdem hat sich viel geändert am Panamakanal, vor allem die Größe der Schiffe: Panamax nennt sich die Schiffsklasse, die bei einer Breite von 32,5 Meter und einem Tiefgang von 12,2 Metern noch gerade so in die Schleusen des Kanals passt. Doch im Vergleich zu den Containerschiffen, die sich zwischen Europa und Asien durch die Ozeane wälzen, wirken selbst die Panamax-Schiffe wie mickrige Ruderboote.
Die Ozeanriesen sind in den vergangenen Jahren zu Giganten geworden. Immer breiter, immer länger, immer mehr Tonnen müssen die Containerschiffe transportieren können, um noch kosteneffizient zu sein. Die Folge: Die Abkürzungen entlang der Wasserstraßen der Welt sind zu schmal und zu langsam geworden für die Größe und das Tempo des Welthandel auf den Meeren. Vor Panama, vor dem Suez-Kanal in Ägypten, am Bosporus in der Türkei und auch vor dem Nord-Ostsee-Kanal im Norden Deutschlands staut sich der Welthandel. Mit milliardenschweren Investitionen will die Regierung deshalb jetzt die künstlichen Wasserstraßen aufrüsten.
Ein Vier-Milliarden-Dollar-Geschenk
So erhält der Panamakanal zum 100. Jubiläum seiner Freigabe für den Schifffahrtsverkehr ein vier Milliarden Euro schweres Ausbaupaket als Geschenk. „Wir schaffen eine neue Weltordnung in Sachen Logistik“, sagte Panamas Präsident Ricardo Martinelli. Ende kommenden Jahres soll der Ausbau beendet sein. Dann sollen auch Schiffe mit bis zu 49 Metern Breite die Wasserstraße quer durch Mittelamerika durchfahren können.
Die Vorgeschichte des Panama-Kanals
Der spanische Kaiser Karl V. gibt den Anstoß, in Panama nach einem Seeweg zwischen Atlantik und Pazifik zu suchen. Ausgangspunkt ist der Río Chagres, ein von Christoph Columbus entdeckter Fluss, dessen Mündung im Karibischen Meer liegt. Vier Jahre später beauftragt der Kaiser Hernando de la Serna 1527 nach einem geeigneten Weg für den Bau eines Kanals zu suchen.
Der Spanier Alvarado de Saavedra Colon entwirft die ersten Pläne zum Bau der Wasserstraße, realisiert wird das Projekt aber nicht. Anfang des 19. Jahrhunderts beschäftigt sich auch der Forscher Alexander von Humboldt damit.
Nach dem in Kalifornien Gold gefunden wird, überqueren zahlreiche Goldgräber die Landenge auf einer Fluss-Land-Route, außerdem wird die Lizenz zum Bau einer Eisenbahnverbindung vergeben.
Der finanzielle Erfolg des 1869 eröffneten Suez-Kanals in Ägypten veranlasst Geschäftsleute in Frankreich dazu, zur Finanzierung eines Kanals zwischen Atlantik und Pazifik die Société Civile Internationale du Canal Interocéanique (SCIdCI) zu gründen.
Die Panamakanal-Gesellschaft erwirbt die von der kolumbianischen Regierung – zu deren Hoheitsgebiet gehört Panama zu der Zeit - erteilte Konzession zum Bau des Kanals von der (SCIdCI), Präsident der Gesellschaft wird der 73 Jahre alte Graf Ferdinand de Lesseps, der schon den Suez-Kanal gebaut hat.
Baubeginn für den Kanal. Geplant ist eine 73 Kilometer lange Wasserstraße ohne Schleusen, die Finanzierung übernimmt die Aktiengesellschaft Compagnie Universelle du Canal Interocéanique. Die Platzierung der Aktien ist kein Problem, die Anteilseigner rechnen mit einer hohen Rendite wie schon bei den Suez-Kanal-Aktien.
Bis zur Unterbrechung der Bauarbeiten kommen rund 22 000 Arbeiter ums Leben, hauptsächlich durch Gelbfieber und Malaria. Die Krankheiten, gegen die es noch keine Gegenmittel gibt, sind eine der Ursachen dafür, dass der Kanalbau 1889 abgebrochen werden muss. Der andere: Der Kanalgesellschaft, die bis zu diesem Zeitpunkt schon 287 Millionen Dollar investiert hat, geht das Geld aus, die Ausgabe neuer Schuldverschreibungen und eine Lotterie reichen nicht aus, um ausreichend Mittel aufzutreiben. Ein weiterer Grund sind technische Probleme und Planungsfehler.
Ferdinand de Lesseps revidiert die Pläne und schließt einen Vertrag mit Eiffelturm-Erbauer Gustave Eiffel. Dessen Ingenieurbüro soll bis 1890 einen Schleusenkanal realisieren. Die Kosten werden auf 1,6 Milliarden Goldfranken veranschlagt. Doch neue Planungsmängel, Fehler bei den geologischen Untersuchungen und bei der Organisation sowie technische Probleme führen dazu, dass die Compagnie Universelle du Canal Interocéanique 1888 zahlungsunfähig wird, ein Jahr später werden die Bauarbeiten eingestellt. Pleite und Einstellung lösen den Panamaskandal aus, einen der größten Finanzskandale des 19. Jahrhunderts in Frankreich.
Die Compagnie Nouvelle du Canal de Panama übernimmt als Auffanggesellschaft die Fortführung der Planungen.
Verkauf des zu rund 40 Prozent fertiggestellten Kanals sowie der dazugehörigen Konzession zum Bau an die USA zum Preis von 40 Millionen Dollar. Nach dem Erwerb der Konzession verlangen die USA von Kolumbien die Abtretung des Panamakanalgebiets.
Kolumbien weigert sich, das Gebiet den USA zu überlassen. Darauf entsenden die USA im November Truppen, die das Gebiet besetzen und den neuen Staat Panama gründen. Die US-Regierung will so sicherstellen, dass der aus strategischen Gründen für notwendig gehaltene Kanal möglichst schnell fertig gestellt werden kann. Im sogenannten Hay-Bunau-Varilla-Vertrag wird vereinbart, dass den USA auf unbegrenzte Zeit die Kontrolle über die 10 Meilen breite Kanalzone übertragen wird, die territoriale Souveränität bleibt bei Panama. Im Gegenzug zahlen die USA einmalig 10 Millionen Dollar und ab 1913 außerdem jährliche Gebühren von 250 000 Dollar in Gold.
Der US-Ingenieur John Frank Stevens erhält den Auftrag zur Planung des Weiterbaus. Er setzt sich für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Kanalarbeiter ein, um so die vielen krankheitsbedingten Ausfälle zu verringern. 1907 kündigt Stevens seinen Vertrag. Sein Nachfolger wird US-General George Washington Goethals. Er leitet die Bauarbeiten bis zur Fertigstellung.
Am 15. August passiert das Paketschiff „Ancona“ mit 200 Passagieren an Bord als erstes Wasserfahrzeug den fertigen Panamakanal in voller Länge. Die Kosten inklusive Schleusen und Stauseen addieren sich auf 386 Millionen Dollar, auch in der letzten Bauphase zwischen 1906 und 1914 kommen nochmals 5600 Arbeiter durch Unfällen und Krankheit ums Leben. Insgesamt forderte der Bau des Kanals damit rund 28 000 Menschenleben.
Die Ausbaumaßnahmen sind nötig, weil die Schiffe auf den Ozeanen immer größer werden. Die Reedereien weltweit stecken in einer tiefen Krise, und Kosteneffizienz erreichen nur noch die größten Schiffe. In kleinere Schiffe – auch die der Panmax-Klasse – stecken die Schifffahrtsunternehmen deshalb kaum noch Geld. Ein Kaskadeneffekt entsteht: Die größten Schiffe werden auf den stark ausgelasteten Routen wie zwischen Europa und Asien eingesetzt. Und die Schiffe der nächstgrößeren Klasse, die vorher diese Strecken fuhren, werden auf neuen Routen eingesetzt – wo sie wiederum die kleineren und weniger profitablen Schiffe verdrängen.
Panama will sich durch den Ausbau einen wichtigen Wirtschaftsfaktor erhalten. Von den 14.000 Frachtern, die jährlich den Kanal durchqueren, verlangt die Regierung immense Gebühren. Zwischen sechs und acht Prozent des Bruttoninlandproduktes erwirtschaftet das mittelamerikanische Land nur durch den Kanal, schätzen Experten. Immerhin strömen rund sechs Prozent des Welthandels durch die künstliche Wasserstraße.
Wirtschaftlich und ökologisch sinnvoll
Ob der Panama-Kanal auch in Zukunft noch diese Bedeutung haben wird, ist ungewiss: Nördlich von Panama plant Nicaragua, das eigene Land mit einem Kanal zu durchziehen. Rund 280 Kilometer soll die künstliche Wasserstraße von der Flussmündung des Río Punta Gorda an der Karibikküste durch den Nicaragua-See bis zur Mündung Río Brito in den Pazifik durch das Land führen. Die Durchfahrt soll 30 Stunden dauern. Zum Vergleich: Die Fahrt durch den 80 Kilometer langen Panamakanal dauert nur 13 Stunden. Doch der Kanal hat einen wesentlichen Vorteil: Er soll auch für die größte Schiffsklasse, die Mega-Carrier mit einer Ladekapazität von rund 400.000 Tonnen, ausgelegt sein.
Umweltschützer kritisieren das Projekt heftig: „Da wird intakter Lebensraum zerschnitten und hunderte Hektar Regenwald gerodet“, sagt Dietmar Oeliger, Schifffahrtsexperte des Naturschutzbund Deutschlands (Nabu). Und ein Kanalausbau sei deshalb weitaus weniger umweltschädlich als ein möglicherweise unnötiger Neubau, sagt er.
Doch Nicaragua kümmern diese Einwände wenig. Schon für Dezember ist der Baustart für das 30-Milliarden-Euro-Projekt geplant. Verantwortlich für den Bau ist die HKND Group aus Hong Kong, die den Kanal auch in den nächsten hundert Jahren betreiben soll. Nicaragua will durch ein Aktienpaket an HKND profitieren.
Rund um die Welt gibt es ähnliche Pläne: Ägypten will für drei Milliarden Euro den Suez-Kanal ausbauen. Auf 72 Kilometern soll eine zweite Spur entstehen, damit der Kanal nicht mehr nur einspurig befahrbar ist. Die Türkei arbeitet an Plänen zum Ausbau der Meerenge am Bosporus: Ein zweiter Kanal für die Schifffahrt soll die ökologisch empfindliche Wasserstraße entlasten.
In Deutschland hat der Bundestag in diesem Jahr bereits rund 750 Millionen Euro für den Ausbau des Nord-Ostsee-Kanals zwischen Brunsbüttel und Kiel in Aussicht gestellt. Von dem Geld soll eine fünfte Schleuse gebaut und der Kanal auf der Oststrecke von 44 auf 70 Metern verbreitet werden. Die Bauarbeiten sollen jedoch frühestens im kommenden Jahr beginnen.
Die Schiffe sparen sich durch den international als Kiel-Canal bekannten Kanal den Umweg durch die dänischen Inseln – und damit circa 800 Kilometer. „Ein Kanal verkürzt die Schifffahrtswege und damit auch die ausgestoßenen Emissionen“, sagt Oeliger. So gesehen machen die Ausbauarbeiten nicht nur wirtschaftlich Sinn – sondern auch ökologisch.