Schifffahrts-Kanäle Wo sich der Welthandel staut

Die Handelsströme zwängen sich auf der Suche nach dem kürzesten Weg durch schmalste Spalten: den Panama-, Suez- oder Nord-Ost-Kanal im Norden Deutschlands. Milliarden fließen in den Ausbau. Die Kanäle sind zu schmal geworden für die ganz großen Schiffe.

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Bis heute gilt der Panama-Kanal als eines der wagemutigsten und faszinierendsten Bau-Projekte aller Zeiten. Genau 100 Jahre nach seiner Einweihung ist eine Schiffsdurchquerung immer noch ein besonderes Abenteuer. Quelle: dpa

Die USS Ancon hatte bei der ersten Durchquerung des Panamakanals noch viel Platz: 18 Meter war das Dampfschiff breit und wirkte damit fast zierlich zwischen den Hügeln entlang der künstlichen Wasserstraße. Selbst in den Schleusen am Anfang und Ende des Kanals blieben der USS Ancon bis zu den Wänden an jeder Seite noch gut zehn Meter Platz.

Hundert Jahre ist die Fahrt der USS Ancon her. Seitdem hat sich viel geändert am Panamakanal, vor allem die Größe der Schiffe: Panamax nennt sich die Schiffsklasse, die bei einer Breite von 32,5 Meter und einem Tiefgang von 12,2 Metern noch gerade so in die Schleusen des Kanals passt. Doch im Vergleich zu den Containerschiffen, die sich zwischen Europa und Asien durch die Ozeane wälzen, wirken selbst die Panamax-Schiffe wie mickrige Ruderboote.

Blick auf die Gatun-Schleuse des Panamakanals, aufgenommen am 19. November 1968. Quelle: dpa

Die Ozeanriesen sind in den vergangenen Jahren zu Giganten geworden. Immer breiter, immer länger, immer mehr Tonnen müssen die Containerschiffe transportieren können, um noch kosteneffizient zu sein. Die Folge: Die Abkürzungen entlang der Wasserstraßen der Welt sind zu schmal und zu langsam geworden für die Größe und das Tempo des Welthandel auf den Meeren. Vor Panama, vor dem Suez-Kanal in Ägypten, am Bosporus in der Türkei und auch vor dem Nord-Ostsee-Kanal im Norden Deutschlands staut sich der Welthandel. Mit milliardenschweren Investitionen will die Regierung deshalb jetzt die künstlichen Wasserstraßen aufrüsten.

Ein Vier-Milliarden-Dollar-Geschenk

So erhält der Panamakanal zum 100. Jubiläum seiner Freigabe für den Schifffahrtsverkehr ein vier Milliarden Euro schweres Ausbaupaket als Geschenk. „Wir schaffen eine neue Weltordnung in Sachen Logistik“, sagte Panamas Präsident Ricardo Martinelli. Ende kommenden Jahres soll der Ausbau beendet sein. Dann sollen auch Schiffe mit bis zu 49 Metern Breite die Wasserstraße quer durch Mittelamerika durchfahren können.

Die Vorgeschichte des Panama-Kanals

Die Ausbaumaßnahmen sind nötig, weil die Schiffe auf den Ozeanen immer größer werden. Die Reedereien weltweit stecken in einer tiefen Krise, und Kosteneffizienz erreichen nur noch die größten Schiffe. In kleinere Schiffe – auch die der Panmax-Klasse – stecken die Schifffahrtsunternehmen deshalb kaum noch Geld. Ein Kaskadeneffekt entsteht: Die größten Schiffe werden auf den stark ausgelasteten Routen wie zwischen Europa und Asien eingesetzt. Und die Schiffe der nächstgrößeren Klasse, die vorher diese Strecken fuhren, werden auf neuen Routen eingesetzt – wo sie wiederum die kleineren und weniger profitablen Schiffe verdrängen.

Panama will sich durch den Ausbau einen wichtigen Wirtschaftsfaktor erhalten. Von den 14.000 Frachtern, die jährlich den Kanal durchqueren, verlangt die Regierung immense Gebühren. Zwischen sechs und acht Prozent des Bruttoninlandproduktes erwirtschaftet das mittelamerikanische Land nur durch den Kanal, schätzen Experten. Immerhin strömen rund sechs Prozent des Welthandels durch die künstliche Wasserstraße.

Wirtschaftlich und ökologisch sinnvoll

Ob der Panama-Kanal auch in Zukunft noch diese Bedeutung haben wird, ist ungewiss: Nördlich von Panama plant Nicaragua, das eigene Land mit einem Kanal zu durchziehen. Rund 280 Kilometer soll die künstliche Wasserstraße von der Flussmündung des Río Punta Gorda an der Karibikküste durch den Nicaragua-See bis zur Mündung Río Brito in den Pazifik durch das Land führen. Die Durchfahrt soll 30 Stunden dauern. Zum Vergleich: Die Fahrt durch den 80 Kilometer langen Panamakanal dauert nur 13 Stunden. Doch der Kanal hat einen wesentlichen Vorteil: Er soll auch für die größte Schiffsklasse, die Mega-Carrier mit einer Ladekapazität von rund 400.000 Tonnen, ausgelegt sein.

Die größten Häfen der Welt
Platz 15: Antwerpen Quelle: dpa
Platz 14: Hamburg Quelle: dpa
Platz 13: Port Klang Quelle: AP
Platz 12: Kaohsiung Quelle: AP
Platz 11: Tianjin Quelle: REUTERS
Platz 10: Rotterdam Quelle: REUTERS
Platz 9: Dschabal Ali Quelle: REUTERS

Umweltschützer kritisieren das Projekt heftig: „Da wird intakter Lebensraum zerschnitten und hunderte Hektar Regenwald gerodet“, sagt Dietmar Oeliger, Schifffahrtsexperte des Naturschutzbund Deutschlands (Nabu). Und ein Kanalausbau sei deshalb weitaus weniger umweltschädlich als ein möglicherweise unnötiger Neubau, sagt er.

Doch Nicaragua kümmern diese Einwände wenig. Schon für Dezember ist der Baustart für das 30-Milliarden-Euro-Projekt geplant. Verantwortlich für den Bau ist die HKND Group aus Hong Kong, die den Kanal auch in den nächsten hundert Jahren betreiben soll. Nicaragua will durch ein Aktienpaket an HKND profitieren.

Rund um die Welt gibt es ähnliche Pläne: Ägypten will für drei Milliarden Euro den Suez-Kanal ausbauen. Auf 72 Kilometern soll eine zweite Spur entstehen, damit der Kanal nicht mehr nur einspurig befahrbar ist. Die Türkei arbeitet an Plänen zum Ausbau der Meerenge am Bosporus: Ein zweiter Kanal für die Schifffahrt soll die ökologisch empfindliche Wasserstraße entlasten.

In Deutschland hat der Bundestag in diesem Jahr bereits rund 750 Millionen Euro für den Ausbau des Nord-Ostsee-Kanals zwischen Brunsbüttel und Kiel in Aussicht gestellt. Von dem Geld soll eine fünfte Schleuse gebaut und der Kanal auf der Oststrecke von 44 auf 70 Metern verbreitet werden. Die Bauarbeiten sollen jedoch frühestens im kommenden Jahr beginnen.

Die Schiffe sparen sich durch den international als Kiel-Canal bekannten Kanal den Umweg durch die dänischen Inseln – und damit circa 800 Kilometer. „Ein Kanal verkürzt die Schifffahrtswege und damit auch die ausgestoßenen Emissionen“, sagt Oeliger. So gesehen machen die Ausbauarbeiten nicht nur wirtschaftlich Sinn – sondern auch ökologisch.

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