
„Wir haben die Listen mit den zu entlassenden Mitarbeitern erhalten“, sagte Grit Walz, Betriebsrätin im Bezirk Baden-Baden. Die ersten Mitarbeiter seien schon informiert worden. Die Stimmung ist am Boden“, sagte Walz. Auch wenn sie selbst keine Emotionen zeigen dürfe und weiterarbeiten müsse: Sie habe „schlaflose Nächte und tränende Augen“, sagte die Betriebsrätin.
Fieberhaft laufen daneben jetzt die Vorbereitungen für Auffanggesellschaften, in denen die Betroffenen weiterqualifiziert werden können, ohne in die Arbeitslosigkeit zu rutschen - obwohl die Finanzierung noch nicht steht. Am Donnerstag soll sich entscheiden, ob es Transfergesellschaften für sie geben wird.
Wahrscheinlich ein Dutzend Transfergesellschaften
Zur Finanzierung der Transfergesellschaften strebt Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz ein Staatsdarlehen über rund 71 Millionen Euro an. Schmid ist „vorsichtig optimistisch“, dass die Transfergesellschaft rechtzeitig zum 1. April ihre Arbeit aufnehmen kann. Wahrscheinlich, so Schmid, werde es „ein bis zwei Dutzend“ solcher Gesellschaften bundesweit geben. Nach Informationen der Stuttgarter Zeitung sind sie bundesweit in 23 Regionen gebildet worden. Als Faustregel gelte, dass nicht mehr als 700 Beschäftigte auf einen Träger kommen sollten.
Bevor die 16 Länder diese Hilfe endgültig beschließen, soll aber ein Wirtschaftsprüfer das Konzept des Insolvenzverwalters für die Drogeriekette unter die Lupe nehmen. „Die Kuh ist noch nicht vom Eis, aber ich habe Hoffnung auf eine Lösung“, sagte Schmid mit Blick auf Gespräche am Donnerstag.
Die von Schlecker-Entlassungen betroffenen Länder wollen dann entscheiden, ob sie für den Kredit über 71 Millionen Euro bürgen. Er soll dazu dienen, für die bundesweit rund 11.000 von Entlassung bedrohten „Schleckerfrauen“ eine Transfergesellschaft einzurichten. Sollte dies gelingen, würden sie einen Großteil ihres Gehalts zunächst weiterbekommen und gleichzeitig für Bewerbungen geschult werden.
Was ist eine Transfergesellschaft?
Eine Transfergesellschaft wird dann ins Leben gerufen, wenn sich das Unternehmen aus eigener Kraft nicht mehr retten kann, und durch diese Krise Massenentlassungen nicht zu vermeiden sind.
Der Zweck einer Transfergesellschaft ist es, Arbeitnehmer, die gekündigt werden sollen, in einen befristeten Arbeitsvertrag zu übernehmen. Dazu wird eine eigene Gesellschaft gegründet. Für die Gründung der Transfergesellschaft gibt es ein gesetzlich definiertes Verfahren. Es wird in enger Zusammenarbeit mit der Agentur für Arbeit umgesetzt. Beim Wechsel in eine Transfergesellschaft werden die Mitarbeiter für maximal ein Jahr weiter beschäftigt.
Transfergesellschaften haben ausschließlich das Ziel, die bei ihnen angestellten Beschäftigten so schnell wie möglich in neue Beschäftigungsverhältnisse zu vermitteln. Wer in eine Transfergesellschaft wechselt, ist dort angestellt - nicht beim bisherigen Arbeitgeber. Die Schlecker-Mitarbeiter wäre also nicht mehr bei Schlecker beschäftigt, sondern in der neu gegründeten Transfergesellschaft.
Einige große Konzerne haben in schweren Krisensituationen, in denen tausende Arbeitsplätze auf dem Spiel standen, bereits Transfergesellschaften gegründet: Telekom, Opel, Infineon, der Autozulieferer Phoenix, die ehemalige Siemens-Tochter BenQ.
Rechtlich handelt es sich bei Transfergesellschaften um so genannte strukturelle Kurzarbeit. Das bedeutet, die Beschäftigten erhalten "Transferkurzarbeitergeld". Das beträgt 60 Prozent des Nettolohns für Mitarbeiter, die keine Kinder haben; Mitarbeiter mit Kind erhalten 67 Prozent des letzten Nettolohns. Diesen Betrag zahlt das Arbeitsamt aus den Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung. In vielen Fällen stockt der ehemalige Arbeitgeber das Gehalt auf 80 Prozent auf.
Während der ersten Transfergesellschaft 2010 bekamen die Ex-Opelaner 80 Prozent ihres letzten Gehalts. Finanziert wurde das zu gleichen Teilen von der Arbeitsagentur und Opel. Ausgelegt war die Transfergesellschaft für zwölf Monate. Wer vorher einen neuen Job fand, bekam eine sogenannte Sprinter-Prämie: Für jeden Monat, den der Autokonzern das Gehalt nicht mehr zahlen musste, gab es 1000 Euro für die Ex-Mitarbeiter. So sollte ein Anreiz geschaffen werden, dass sich die Mitarbeiter nicht zwölf Monate lang weiterbezahlen lassen und dann erst aktiv nach Jobs suchen.
Dem TÜV Nord standen Gelder aus dem Europäischen Globalisierungsfonds (EGF) in Höhe von 6,9 Millionen Euro zur Verfügung, um die Mitarbeiter weiterzubilden und zu vermitteln. „Wir hatten 4,3 Millionen Euro von Opel und die Möglichkeit bei Bedarf bis zu 6,9 Millionen Euro vom EGF abzurufen“, sagt Hermann Oecking, Geschäftsführer des TÜV Nord Transfer.
„Beim EGF gab es zwei Fördertöpfe. Einen für die klassischen Qualifizierungsmaßnahmen und einen für sonstige arbeitsmarktpolitische Instrumente wie Job-Speed-Datings mit Arbeitgebern, Job-Messen und so weiter.“
Abgerufen wurde laut dem Bundesarbeitsministerium jedoch nur 3,182 Millionen Euro für Qualifizierung, Beratung und Betreuung der Beschäftigten nach dem Ausscheiden aus der Transfergesellschaft. Hinzu kamen nochmal 430.000 Euro für Verwaltungskosten des TÜV Nord. Nach den EU-Vorgaben habe der TÜV Nord zuerst das von Opel zur Verfügung gestellte Geld ausgeben müssen. „Danach wurden mit EGF -Gelder alle weiteren Maßnahmen ermöglicht, die für die berufliche Zukunft sinnvoll waren“, sagt er. „Mit dem Mittelabruf liegen wir im Durchschnitt vergleichbarer Transfergesellschaften. Dies hat das Bundesarbeitsministerium bestätigt."
Schmid bezeichnete es als „einen richtigen Schritt“, dass der Bund ein Zuweisungsgeschäft über die staatseigene KfW möglich macht. Bei der Absicherung des Kredits entfalle auf Baden-Württemberg etwa ein Zehntel-Anteil, also rund sieben Millionen Euro. Über eine weitere Beteiligung des Bundes müsse noch beraten werden.
Die Reaktionen der Länder





Am Montag hatten sich die Bundesländer grundsätzlich darauf verständigt, für den KfW-Kredit zur Gründung einer Transfergesellschaft zu bürgen. Diese Übernahme der Haftung hatte Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) als Bedingung für den KfW-Kredit genannt. „Das Treffen war ein Schritt nach vorn, weil alle Länder und der Bund an einem Tisch saßen und wir konkrete Schritte vereinbart haben, wie wir noch diese Woche zu einem Ergebnis kommen können“, sagte Schmid. Baden-Württemberg hatte das Treffen angeregt - denn im schwäbischen Ehingen bei Ulm hat Schlecker seinen Sitz.
Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) hat bereits Unterstützung zugesagt. „Bei der Schlecker-Insolvenz geht es um das Schicksal von Tausenden, die jahrelang gute Arbeit gemacht haben - in Schleswig-Holstein sind es Hunderte“, beschrieb Carstensen die soziale Dimension. „Fast alle sind Frauen, die mit kleinen Einkommen oft die Existenz ganzer Familien sichern. Der Insolvenzverwalter braucht jetzt Unterstützung.“ Die Absicherung eines Massekredits werde an Schleswig-Holstein nicht scheitern.
NRW will helfen - kann aber nicht
Ein ungewöhnliches Problem hat die nordrhein-westfälische Landesregierung, da sich der Landtag vorige Woche aufgelöst hat. Eine Sprecherin des NRW-Wirtschaftsministeriums in Düsseldorf sagte der „Rheinischen Post“: „Der normale Weg zu einer solchen Bürgschaft ist uns verwehrt“, Für eine Bürgschaft bräuchte die Landesregierung die Zustimmung des Haushalts- und Finanzausschusses im Landtag. Der jedoch existiert nach der Parlamentsauflösung nicht mehr. Trotzdem will sich das Land an der Hilfe für Schlecker beteiligen. „Wir prüfen derzeit, welche anderen Wege es gibt.“
Auch das Saarland beteiligt sich an der Finanzierung. Es gehe um eine Bürgschaft in Höhe von 700.000 bis 800.000 Euro. Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) betonte: „Schnelle Hilfe ist doppelte Hilfe. Wenn wir nicht die 11.000 Arbeitsplätze retten, besteht die Gefahr, dass alle 25 000 Arbeitsplätze auf der Kippe stehen.“
Hoffentlich ein gutes Ende
Verdi-Bundesvorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger: „Aus Verdi-Sicht sind die Weichen für die Transfergesellschaften durch den Insolvenzverwalter gestellt worden - nun fehlt nur noch die finanzielle Grundlage.“
Handel
Hoffentlich gebe es am Donnerstag ein positives Ende der Gespräche. Verdi und der Betriebsrat hatten am Wochenende erreicht, dass statt der ursprünglich geplanten 2400 etwa 200 Märkte weniger schließen. Dadurch soll die Zahl der Kündigungen von 11 750 auf rund 11 000 sinken. Nach Verdi-Angaben ist das aber eine sehr vorläufige Schätzung.