Schlecker-Prozess Ende der Geheimdiplomatie

Im Schlecker-Prozess bewegen sich Staatsanwälte und Verteidigung nur ein kleines Stück aufeinander zu. Die Fronten sind wieder verhärtet. Es droht eine weitere Verlängerung der Auseinandersetzung vor Gericht.

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Früher scheute er die Öffentlichkeit, nun steht er regelmäßig im Rampenlicht: Anton Schlecker beim Prozessauftakt am Landgericht Stuttgart. Quelle: dpa

Stuttgart Zweimal haben sich die Schlecker-Anwälte mit dem Richter und den Staatsanwälten außergerichtlich getroffen. Es ging darum, nach einem halben Jahr den Stand des Verfahrens im Bankrottprozess gegen den Ex-Drogeriemarktkönig Anton Schlecker auszuloten, zuletzt am 25. September. Eigentlich sollte es auch am Montag zwischendurch hinter verschlossenen Türen weitergehen.

Aber der Vorsitzende Richter Roderich Martis hält wohl nichts mehr von Geheimdiplomatie „Es gibt da wenig, das wir nicht auch in der öffentlichen Verhandlung besprechen können“, begründete Martis seine Entscheidung. Zudem müsse das Besprochene ja dann auch wieder in der Verhandlung vorgelesen werden. Dann könne man es auch gleich im Gerichtssaal machen.

Auf den ersten Blick kam die Staatsanwaltschaft bei dem Gespräch etwas auf die Verteidigung zu. Man gehe inzwischen davon aus, dass Schlecker erst Ende 2010 klar gewesen sei, dass die Zahlungsunfähigkeit drohte, sagten die Ankläger. Zuvor waren sie davon ausgegangen, dass Schlecker schon Ende 2009 das Unheil kommen sah und trotzdem Firmenvermögen von über 20 Millionen Euro an seine Familie verschob.

Der Zeitpunkt ist ein Knackpunkt in dem Prozess: Je später er angesetzt wird, desto besser für Schlecker und seine Kinder. Verschiedene Anklagepunkte würden dann aus zeitlichen Grünen entfallen. Die Insolvenzanmeldung erfolgte erst im Januar 2012.

Anklage und Verteidigung bewegen sich aber nur in kleinen Schritten aufeinander zu. Schleckers Verteidiger Norbert Scharf sieht den Zeitpunkt frühestens im April 2011, als die Bilanz für das sehr schlechte Jahr 2010 bei Schlecker vorlag. Aber den Einwurf des Richters, dass beide Seiten ja gar nicht mehr so weit voneinander der entfernt seien, blitzte an der Staatsanwaltschaft ab. Die kleinen Schritte des Entgegenkommens gerieten sofort wieder ins Stocken. Die Staatsanwälte blieben bei ihrer Position.

Damit wird die Verteidigung neue Beweisanträge stellen und vermutlich auch ein neues Gutachten anfordern, mit dem dann geklärt werden soll, ab wann Schlecker eine Zahlungsunfähigkeit drohte. Scharf weiß, dass dies gutachterlich schwer zu klären ist. Er versucht aber damit die bereits eingeholten und ebenso wackligen Gutachten zu erschüttern, die von einer frühen Kenntnis Schleckers von der existenzbedrohlichen Lage ausgehen.

Das würde den Prozess, bei dem noch Termine bis in den November hinein angesetzt sind, tendenziell verlängern. Denn die eigentliche Zeugenvernehmung war beendet.

Auch bei der Frage der vorzeitigen Gewinnentnahme von sieben Millionen bei der Tochtergesellschaft LDG Euro durch die Schlecker-Kinder Lahrs und Meike nur zwei Tage vor der Insolvenz des Mutterkonzerns gibt es keine Annäherung. Die Anwälte der Kinder pochen darauf, dass das Geld ja nur mit einer Rückzahlungsverpflichtung ausgezahlt wurde, falls die Gewinne in dem Geschäftsjahr nicht eintreten würden.

Und weil das Geld später an den Insolvenzverwalter zurückgezahlt wurde, gebe es auch keinen nennenswerten Schaden durch die Tat. Die Staatsanwälte hingegen fokussieren sich auf den Tag der Gewinnentnahme. Das Unternehmen habe das Geld durchaus zwischenzeitlich gebrauchen können. Die erfolgte Rückzahlung könne allenfalls strafmildernd wirken.

Richter Roderich Martis ließ den etwas ungewöhnlichen Schlagabtausch zwischen Verteidigung und Staatsanwaltschaft nicht nur zu, sondern beteiligte sich daran. Zwischenzeitlich wirkte es wie ein Diskurs in einem juristischen Oberseminar. Allerdings ließen seine Einlassungen noch keinen tieferen Blick in seine Meinungsbildung zu. Sie hinterließen allenfalls den Eindruck, dass Martis die Schleckers nicht völlig ungeschoren davonkommen lassen will.

Eile scheint der Richter bei der Urteilsfindung nicht zu kennen. Stoisch trug er über Stunden die Vernehmungsprotokolle aus der Schweiz vor. Manager des Einkaufsverbundes Markant mit Sitz in der Schweiz wollten und mussten nicht in Deutschland aussagen. Markant hatte über 30 Jahre mit Schlecker zusammengearbeitet. Die Schwaben wickelten einen Großteil ihres Wareneinkaufs über Markant ab.

Noch in der Schieflage gewährte Markant Schlecker einen Überbrückungskredit von 30 Millionen Euro. Das Warenkreditvolumen wurde durch die Allianz-Tochter Euler Hermes abgesichert. Der Kreditversicherer wurde immer kritischer und auch Markant mit seinem Kunden Schlecker immer vorsichtiger. Am 19. Dezember 2011 fuhr Anton Schlecker mit seiner Tochter Meike in die Zentrale von Markant in Pfäffikon.

Schlecker wollte einen großen Kredit von 150 Millionen Euro und das Verschieben von fälligen Lastschriften für Waren. „Er konnte einfach nicht glauben, dass wir ihm nicht mehr helfen wollten und konnten. Er sank in sich zusammen, war aschfahl im Gesicht und den Tränen nahe“, sagte der Markant-Manager.

Sein Kollege bestätigte diesen Eindruck. „In dem Moment hat er wohl gewusst, dass es vorbei ist.“ Denn von den Banken bekam Schlecker zu diesem Zeitpunkt ohnehin kein Geld mehr. Aber wie viele Zeugen zuvor malten auch die Markant-Manager von Schlecker das Bild eines lange beratungsresistenten Unternehmers, der zu spät das Ruder rumzureißen versuchte, sein Scheitern bis zum Schluss nicht wahrhaben wollte und an ein Fortbestehen seines Lebenswerkes glaubte. An Schleckers Finanzchef Sami Sagur ließen die Markant-Manager kein gutes Haar: „Ein Dampfplauderer, der alles erzählte, nur um bei der Familie gute Stimmung zu machen. Der Mann war für Schlecker eine Katastrophe.“ Sagur scheiterte mit seinen Versuchen, ein Bankenkonsortium für Schlecker zu schließen.

Als Euler Hermes dann im Januar 2012 seine Bürgschaft entzog und Markant automatisch seine Linien für die Warenlieferungen fällig stellte, war das das endgültige Aus für Schlecker. Der Markant-Manager hatte Anton Schlecker spät abends am 19. Januar 2012 angerufen und ihm gesagt, dass Markant zu diesen Schritten gezwungen sei. „Das ist ein Schuss ins Kontor“, habe Schlecker geantwortet. Und nicht nur das. Markant informierte auch die Lieferanten. „Die LKW der Industrie sind noch auf der Autobahn umgekehrt“, erinnert sich der Markant-Manager an das dramatische Ende der einst größten deutschen Drogeriekette.

Das gerichtliche Nachspiel der Schlecker-Pleite wird wohl nach diesem Verhandlungstag noch einige Wochen länger weitergehen.

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