Ex-Drogeriemarktkönig Anton Schlecker soll nach dem Willen der Staatsanwaltschaft für mehrere Jahre ins Gefängnis. Im Prozess vor dem Landgericht Stuttgart, in dem seit März die Pleite der Drogeriekette juristisch aufgearbeitet wird, beantragten die Vertreter der Anklage am Montag drei Jahre Haft für den 73-Jährigen.
Den Vorwurf des Bankrotts hielten sie im Wesentlichen für bewiesen, betonten die Staatsanwälte in ihrem Plädoyer. Schlecker soll ihnen zufolge vor der Insolvenz des Unternehmens Geld zur Seite geschafft und so dem Zugriff der Gläubiger entzogen zu haben. Als sogenannter Einzelkaufmann haftete er mit seinem privaten Vermögen für die Firma.
Auch für Schleckers mitangeklagte Kinder forderte die Anklage Haftstrafen - zwei Jahre und zehn Monate für Sohn Lars, zwei Jahre und acht Monate für Tochter Meike. Den Geschwistern, denen Schleckers Logistik-Tochterfirma LDG gehörte, werden Bankrott, Beihilfe zum Bankrott, Insolvenzverschleppung und Untreue vorgeworfen.
Stationen der Schlecker-Insolvenz
Schlecker meldet Insolvenz an.
Das Verfahren wird eröffnet. Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz hofft noch auf die Rettung von Teilen der Drogeriekette.
Es wird bekannt, dass Anton Schlecker sein Privathaus im Wert von zwei Millionen Euro vor der Insolvenz an seine Frau übertragen hat. Ein zweites Grundstück soll sein Sohn bekommen haben.
Die Staatsanwaltschaft Stuttgart leitet ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Untreue, Insolvenzverschleppung und Bankrott gegen Anton Schlecker ein.
Die Schlecker-Gläubiger fordern mehr als eine Milliarde Euro.
Der österreichische Investor Rudolf Haberleitner will 2013 bis zu 600 ehemalige Schlecker-Filialen mit dem Konzept eines modernen Tante-Emma-Ladens wiederbeleben.
Gut ein Jahr nach der Pleite zahlt die Familie Schlecker dem Insolvenzverwalter 10,1 Millionen Euro. Hintergrund ist der Streit um übertragenes Vermögen aus dem Unternehmen.
Haberleitner will einstige Schlecker-Filialen unter dem Namen Dayli wiederbeleben und Testläden in Deutschland eröffnen.
Noch vor dem geplanten Deutschland-Start ist der Schlecker-Nachfolger Dayli pleite.
Die Staatsanwaltschaft Stuttgart erhebt Anklage gegen Anton Schlecker wegen vorsätzlichen Bankrotts.
Der Insolvenzverwalter reicht Klage gegen ehemalige Schlecker-Lieferanten ein. Sie sollen Schlecker wegen illegaler Preisabsprachen um viel Geld gebracht haben. Geiwitz will Schadenersatz in Millionenhöhe.
Es wird bekannt, dass das Landgericht die Anklage zulassen will. Der Schlecker-Prozess soll im März 2017 beginnen.
Der Prozess vor dem Landgericht Stuttgart beginnt.
Staatsanwalt Thomas Böttger fordert für Anton Schlecker drei Jahre Haft. Lars Schlecker soll nach dem Willen der Staatsanwälte zwei Jahre und zehn Monate in Haft, Meike zwei Jahre und acht Monate. Die Verteidigung hält die Forderungen für „überzogen“, nennt aber selbst kein empfohlenes Strafmaß.
Das Urteil des Landgerichts Stuttgart ist am Ende doch eine Überraschung: Anton Schlecker muss nicht ins Gefängnis. Das Gericht verurteilte den 73-Jährigen wegen vorsätzlichen Bankrotts zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe und einer Geldstrafe von 54.000 Euro. Schleckers Kinder Lars (46) und Meike (44) wurden dagegen zu Haftstrafen von zwei Jahren und acht Monaten beziehunsgsweise zwei Jahren und neun Monaten verurteilt, unter anderem wegen Insolvenzverschleppung, Untreue und Beihilfe zum Bankrott.
Insgesamt summierte die Staatsanwaltschaft am Montag die Schäden auf gut 16 Millionen Euro, im Vergleich zur ursprünglichen Anklageschrift hat sich die Liste der Vorwürfe um einige Punkte verkürzt. Unter anderem geht es um Geldgeschenke sowie um Kosten, die Anton Schlecker für seine Kinder übernahm - vor allem aber um die Stundensätze, die das Mutterunternehmen an die LDG zahlte und die aus Sicht der Anklage deutlich zu hoch gewesen sein und damit die Insolvenzmasse geschmälert haben sollen.
Dass die einst größte Drogeriemarktkette Europas 2012 in die Pleite schlitterte und Zehntausende Menschen ihren Job verloren, wird Schlecker vor Gericht nicht vorgeworfen, wie sowohl die Verteidigung als auch die Anklage erneut betonten. „Es kann nicht darum gehen, den Unternehmer Anton Schlecker irgendwie für sein Scheitern zu bestrafen“, sagte Anwalt Norbert Scharf.
Die Schlecker-Familie auf der Anklagebank
Der 73-Jährige ist der große Unbekannte. Selbst örtliche Politiker und Wirtschaftsvertreter hatten kaum Kontakt zu ihm. Nach der Pleite soll sich Anton Schlecker auch von Vertrauten zurückgezogen haben. Der gelernte Metzgermeister eröffnete 1975 den ersten Schlecker-Markt. Bereits zwei Jahre später betrieb er mehr als 100 Filialen. Er baute ein Imperium auf und beschäftigte in Glanzzeiten mehr als 55.000 Menschen.
Der heute 46-Jährige saß mit in der Geschäftsführung des Schlecker-Imperiums. Er wurde an der European Business School in London ausgebildet und machte 2000 an der Steinbeis-Hochschule in Berlin seinen Master of Business Administration. Zu Zeiten des Internet-Hypes sammelte Lars Schlecker unternehmerische Erfahrungen als Gesellschafter des B2B-Portals Surplex.com.
Mit seiner Schwester verbindet ihn eine schreckliche Erfahrung: An Weihnachten 1987 wurden die Schlecker-Kinder entführt. Vater Anton handelte die Lösegeldforderung der Erpresser von 18 auf 9,6 Millionen Mark herunter. Das Geld wurde gezahlt, die Kinder konnten sich aber selbst befreien. Nach einem Bankraub wurden die Entführer 1998 gefasst. Lars Schlecker ist verheiratet und lebt in Berlin.
Lars' zwei Jahre jüngere Schwester (44) legte eine mustergültige Karriere vor. Sie studierte an der renommierten IESE Business School in Barcelona, ist aber schon etwa seit dem Jahr 2000 im Unternehmen beschäftigt. Meike Schlecker war es, die sich 2012 vor Journalisten stellte, um die Pleite zu verkünden. Es war der erste öffentliche Auftritt der Familie seit dem Prozess gegen die Entführer der Kinder 1999. Meike Schlecker ist geschieden; sie lebt in London.
Ende Mai durfte Christa Schlecker die Anklagebank verlassen. Sie erklärte sich bereit, 60.000 Euro an gemeinnützige Organisationen zu zahlen – das Verfahren wurde eingestellt. Über Anton Schleckers Frau ist am wenigsten bekannt. Die 69-Jährige wird als „resolut“ beschrieben. Sie galt als enge Vertraute Antons und soll zusammen mit ihm das berüchtigte Kontrollnetz über Mitarbeiter errichtet haben.
Kernpunkt ist vielmehr die Frage, wann Schlecker hätte wissen können und müssen, dass seinem Imperium die Pleite droht - denn dann hätte er keinen Cent mehr daraus abziehen dürfen. Er hatte Anfang 2012 Insolvenz angemeldet. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft hatte es infolge von Umsatzrückgängen aber schon 2009 „massive Liquiditätslücken“ gegeben.
Man habe in der Verhandlung das Bild eines Unternehmens bekommen, „in dem es ab 2009 nur noch darum ging, Löcher zu stopfen und sich von einer Liquiditätslücke zur nächsten zu hangeln“. Spätestens Ende 2010 habe Schlecker als erfahrener Kaufmann und quasi alleinherrschender Firmenchef Bescheid gewusst, argumentierten die Ankläger.
Die Verteidigung wies die Vorwürfe zurück und zweifelte erneut vor allem die Gutachten zur möglichen Absehbarkeit der Insolvenz und zur Höhe der Stundensätze für die LDG an, auf die sich die Staatsanwaltschaft im Wesentlichen stützt. Die Verteidiger von Schlecker halten die Forderung der Staatsanwaltschaft nach einer Gefängnisstrafe für ihren Mandanten zudem für überzogen. Anwalt Norbert Scharf sprach am Montag in seinem Plädoyer im Bankrottprozess gegen Schlecker in Stuttgart von einem minder schweren Fall, empfahl dem Gericht selbst aber kein konkretes Strafmaß für den 73-Jährigen. Vor gut einer Woche hatten Schlecker und seine Kinder noch einmal vier Millionen Euro an den Insolvenzverwalter gezahlt, die in die Insolvenzmasse fließen. Die Staatsanwaltschaft sprach von einem „gewichtigen Beitrag zur Schadenswiedergutmachung“, der letztlich jedoch nicht ausreiche.
Die Schlecker-Insolvenz in Zahlen
... Menschen kostete die Schlecker-Pleite den Job
... Mitarbeiter hatte Schlecker zu Bestzeiten
... Schlecker-Märkte gab es vor der Insolvenz im In- und Ausland
... Euro zahlte ein Hilfsfonds an Ex-Mitarbeiter
... Milliarde Euro forderten Gläubiger nach der Pleite
... Millionen Euro zahlte Anton Schleckers Familie an die Insolvenzverwaltung