




Kurz vor dem Niedergang seines Drogerieimperiums soll Anton Schlecker in 36 Fällen viel Geld beiseite geschafft haben. Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, damit sein Vermögen kurz vor der Pleite vor dem Zugriff der Gläubiger geschützt zu haben, wie die Behörde am Donnerstag mitteilte. Darüber hinaus soll Schlecker 2009 und 2010 den Zustand des Konzerns im Konzernabschluss falsch dargestellt und vor dem Insolvenzgericht unrichtige Angaben gemacht haben. Die Familie Schlecker war zunächst nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.
Die Staatsanwälte der Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftskriminalität in Stuttgart ermittelten jahrelang gegen Schlecker. Neben dem 71 Jahre alten Firmenpatriarchen sind auch seine Ehefrau Christa, seine zwei Kinder sowie zwei Wirtschaftsprüfer angeklagt. Sie sollen Anton Schlecker geholfen haben beim vorsätzlichen Bankrott. Auf Bankrott steht eine Strafe von bis zu fünf Jahren, bei besonderes schweren Fällen bis zu zehn Jahren Haft. Über die Zulassung der Anklage entscheidet nun das Landgericht Stuttgart. Ob das noch in diesem Jahr passieren wird, ist offen.
Schleckers Kinder Meike und Lars müssen sich zudem wegen Insolvenzverschleppung und Untreue verantworten. Sie sollen das Logistikunternehmen LDG als faktische Geschäftsführer um mehrere Millionen Euro geschädigt haben: Obwohl sie von den Schulden und Verlusten des Unternehmens wussten, sollen sie sich Millionen Euro als angebliche Gewinne aus dem Geschäftsjahr 2011 ausschütten haben lassen.
Die Schlecker-Insolvenz in Zahlen
... Menschen kostete die Schlecker-Pleite den Job
... Mitarbeiter hatte Schlecker zu Bestzeiten
... Schlecker-Märkte gab es vor der Insolvenz im In- und Ausland
... Euro zahlte ein Hilfsfonds an Ex-Mitarbeiter
... Milliarde Euro forderten Gläubiger nach der Pleite
... Millionen Euro zahlte Anton Schleckers Familie an die Insolvenzverwaltung
Außerdem sollen sie ihrer Mutter mehr als 50.000 Euro auf das Privatkonto für nie geleistete Beratertätigkeiten überwiesen haben. Ein weiteres Mal sollen 19.000 Euro illegal auf das Privatkonto der Mutter geflossen sein. Meike und Lars Schlecker hätten zudem bewusst versäumt, rechtzeitig einen Insolvenzantrag zu stellen.
Die beiden Wirtschaftsprüfer sollen die falsche Bilanzierung Schleckers zwar erkannt, aber dennoch erklärt haben, dass die Jahresabschlüsse den gesetzlichen Vorgaben entsprächen. Darüber hatte zuerst die WirtschaftsWoche berichtet.
Es geht insgesamt um viel Geld. „Insgesamt ein zweistelliger Millionenbetrag“, sagt Staatsanwalt Jan Holzner. An der strafrechtlichen Aufarbeitung ist auch der Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz interessiert. Nach einem Streit um übertragenes Vermögen zahlte die Familie dem Insolvenzverwalter bereits 2013 10,1 Millionen Euro. Geiwitz werde je nach den Ergebnissen der strafrechtlichen Ermittlungen weitere Rechte der Gläubiger geltend machen, erklärte ein Sprecher der Insolvenzverwaltung.
Anton Schlecker führte seinen Konzern als „eingetragener Kaufmann“ (e.K.). Dank dieser Rechtsform konnte der Firmenpatriarch viel Geheimniskrämerei um sein Drogerieimperium betreiben, bei Kreditvergaben hatte er zudem bessere Karten. „Wir haben da nicht die Publizitätspflichten, der kann im stillen Kämmerlein vor sich hin werkeln“, erklärte der Frankfurter Juraprofessor Matthias Jahn. Doch der Preis dafür war am Ende hoch: Schlecker haftete mit seinem kompletten Privatvermögen für alle Schulden.
„Die übliche Verteidigungsstrategie in Bankrottverfahren ist: Ich hätte nicht damit gerechnet, dass ich schon derart überschuldet bin“, sagt Jahn. Die Staatsanwaltschaft betrachtet 13 von 36 Fällen als besonders schwer.
Europas ehemals größte Drogeriekette Schlecker hatte im Januar 2012 Insolvenz angemeldet. Etwa 25 000 Menschen verloren ihren Arbeitsplatz. Die Gläubiger forderten rund eine Milliarde Euro. Das Handelsunternehmen aus Baden-Württemberg hatte zu seinen Bestzeiten rund 9000 Märkte im In- und Ausland.
Die Anklageschrift ging nun beim Stuttgarter Landgericht ein und ist nach Angaben des Gerichts auch überwiegend an die Beschuldigten zugestellt. Die Kammer prüft nun die Akten und wird dann entscheiden, ob es zur Hauptverhandlung kommt. „Ich vermute nicht, dass das Gericht in absehbarer Zeit eine Entscheidung trifft“, sagte eine Sprecherin. Es sei durchaus möglich, dass die Kammer erst im nächsten Jahr zu einer Entscheidung kommt.