Schlecker vor Gericht Diese Frage entscheidet über das Schicksal des Anton S.

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"Schlecker wird nicht unbedingt mit einem erfolgreichen Geschäftsmodell in Verbindung gebracht"

Was ist vom Drogerie-Giganten Schlecker heute übrig?

Wenig. "In Deutschland sind alle Schlecker-Filialen geschlossen, die Immobilien des Konzerns wurden großteils verkauft", sagt Insolvenzverwalter Geiwitz im Interview. Einige Schlecker-Eigenmarken werden von ehemaligen Konkurrenten genutzt. Die Schlecker-Filialen im Ausland existieren unter anderem Namen.

Die Marke Schlecker ist übrigens zu haben, erfreut sich aber keiner besonderen Beliebtheit. Geiwitz: "Der Name Schlecker wird nicht unbedingt mit einem erfolgreichen Geschäftsmodell in Verbindung gebracht."

Welchen Einfluss hat der Prozess auf das Insolvenzverfahren?

Zunächst einmal keinen. Die Forderungen der Gläubiger betragen rund eine Milliarde Euro. Falls es vor Gericht neue Erkenntnisse gibt, könnte das zwar durchaus zu neuen Ansprüchen führen. "Aber aktuell ist das reine Theorie", so Geiwitz.

Der Insolvenzverwalter bemüht sich deshalb, über Schadenersatzklagen von Lieferanten weiteres Geld einzutreiben, das dann in die Insolvenzmasse fließt. Die Forderungen belaufen sich "auf rund 335 Millionen Euro ohne Zinsen".

Abgeschlossen wird das Schlecker-Insolvenzverfahren wohl erst in vier oder fünf Jahren.

Was führte zur Schlecker-Pleite?

Einst galt Schlecker als deutsche Erfolgsgeschichte. Nach der Eröffnung der ersten Filiale in Ulm 1975 baute Anton Schlecker Stück für Stück ein wahres Imperium auf - europaweit. Im Rekordjahr 1999 brachten die rund 11.000 Filialen 300 Millionen Euro Gewinn ein.

Doch die Schleckers wollten es schnell und billig. Die Läden waren altbacken, die Produkte preiswert. Die Konkurrenten dm und Rossmann wuchsen zwar deutlich langsamer, setzten aber auf gute Lagen und ein größeres Sortiment. Langfristig war das die bessere Strategie.

Schlecker trieb die Expansion auch nach der Jahrtausendwende voran, in der Spitze gehörten 14.000 Drogerien und andere Märkte im In- und Ausland zur Kette. Doch die Umsätze stagnierten, die Kunden blieben immer häufiger fern. Schlecker begann mit Filialschließungen. Aus ersten Auslandsmärkten wie Dänemark, den Niederlanden und Ungarn verabschiedete sich die Kette ganz. Allein 2010 verlor Schlecker europaweit jeden vierten Kunden. Der Umsatz brach ein, die Verluste stiegen rasant. Am Ende des Geschäftsjahres 2011 stand ein Minus von 230 Million Euro.

Kurz vor dem Ende übernahmen Anton Schleckers Kinder, Lars und Meike, mehr Verantwortung, sie versuchten einen Strategiewechsel und gaben sich kämpferisch. "Man liegt im Spiel auch mal 1:0 hinten", sagte Meike Schlecker der WirtschaftsWoche im Jahr 2011.

Die Familie verlor das Spiel und tausende Menschen ihren Job.

Was waren die Folgen der Schlecker-Pleite?

Rund 25.000 Mitarbeiter verloren ihren Job. Die Sorge um die „Schlecker-Frauen“ bestimmte Schlagzeilen und die Reden der Politiker.

Was wurde eigentlich aus Schlecker?
1975Der 1944 geborene Anton Schlecker, Sohn eines Fleischwarenfabrikanten, eröffnet in Kirchheim unter Teck seinen ersten Drogeriemarkt. Schleckers Strategie: Er eröffnet die Läden an strukturell wenig attraktiven Standorten in Wohngebieten. Die Filialen sind klein und spartanisch ausgestattet. Schlecker handelt mit Lieferanten beste Konditionen und lange Zahlungsziele aus, um so die Expansion zu finanzieren. Und seine Kette expandiert schnell: Schon zwei Jahre später zählt Schlecker mehr als 100 Filialen, 1984 gibt es bereits 100 Drogeriemärkte.
1987Die Kinder der Schleckers, Lars (r.) und Meike (nicht im Bild) werden am 22. Dezember entführt. Ihr Vater handelt das Lösegeld von 18 auf 9,6 Millionen D-Mark herunter, die Summe, über die er versichert ist. Kurz vor Heiligabend können sich die Kinder selbst befreien. Die Täter werden 1998 gefasst. Quelle: dpa Picture-Alliance
1987-1998Im Jahr 1987 eröffnet Schlecker die ersten Filialen im Ausland. Er expandiert wie im Rausch: 1995 kommt Schlecker bereits auf 5800 Filialen und beschäftigt rund 25.000 Mitarbeiter. Doch Schleckers Image als Arbeitgeber leidet: 1994 wird der Familie vorgeworfen, Scheinarbeitsverhältnisse zu betreiben und unter Tarif zu bezahlen. Auch die Gründung von Betriebsräten soll systematisch blockiert worden sein. 1998 werden Anton Schlecker und seine Ehefrau Christa zu jeweils zehn Monaten auf Bewährung verurteilt. Der Grund: Das Amtsgericht Stuttgart sieht es als erwiesen an, dass das Ehepaar seinen Mitarbeitern tarifliche Bezahlung vortäuschte Quelle: imago images
Schlecker-Tochter IhrPlatz stellt Insolvenzantrag2007 kaufte die Drogeriekette den insolventen Konkurrenten Ihr Platz. 700 Standorte kamen auf einmal dazu, Schlecker zählte nun 14.400 Ableger in 17 Ländern. Ein Höhepunkt. Quelle: dapd
Schlecker reicht Insolvenzantrag einDoch der Abstieg war schon zu ahnen: 2011 holte Anton Schlecker seine beiden Kinder Lars (links) und Meike (rechts) in die Unternehmensführung. Zuvor war die Drogeriekette wieder einmal wegen dem Umgang mit den Mitarbeitern in die Kritik geraten. Laut Medienberichten überwachte Schlecker seine Mitarbeiter, auch der Vorwurf der schlechten Bezahlung wurde erneut erhoben. Viele Medien sahen die neue Familiengeneration an der Spitze als Ablenkungsmanöver.Bild: Montage der Familie Schlecker. Quelle: dapd
Mit einer Marketingkampagne wollte das Unternehmen sein angeschlagenes Image 2011 wieder aufpolieren. Doch der Denglisch-Spruch „For you. Vor Ort.“ stößt bei Sprachwächtern auf Kritik. Ein Sprecher des Unternehmens rechtfertigt sich in einem Brief damit, dass die Kunden ein „niedriges Bildungsniveau“ hätten – der Brief gerät an die Öffentlichkeit und löst einen Shitstorm aus. Gleichzeitig machen sich die Bilanzprobleme immer stärker bemerkbar. Noch im selben Jahr werden 600 Filialen geschlossen, weitere sollen 2012 folgen. Quelle: imago images
For You. Vor Ort. Vorbei.Im Januar 2012 erklärte sich Schlecker als zahlungsunfähig und meldete Insolvenz an. Rund 2400 Läden sollten geschlossen werden. Quelle: dapd

Die Lücken im Netz der Drogerieketten waren hingegen schnell gefüllt. Dm, Rossmann und Budnikowsky rückten nach – und teilten das Gros der Kunden unter sich auf. Aber auch Lebensmittelhändler und Discounter nutzten die Chance, und erweiterten ihr Sortiment um Drogerie-Artikel.

Ruhig ist es in der Branche nicht geworden, nachdem die Überreste verteilt sind, wird der Wettbewerb härter. Zuletzt sorgte der schleichende Niedergang der Kette "Ihr Platz" für Schlagzeilen. Sie ist in den vergangenen vier Jahren von 70 auf gerade einmal 15 Filialen geschrumpft.

Bis zur Pleite gehörte auch "Ihr Platz" zum Schlecker-Imperium.

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