Die Deutschen Brauereien sitzen in der Kulturfalle. „Die feste kulturelle Verwurzelung mit ihrer Heimatregion, von der sie jahrzehntelang profitiert haben, verhindert jetzt das Wachstum, das nötig wäre, um eine international wettbewerbsfähige Größe zu erreichen", erklärt Harald Münzberg, Partner und Leiter des Industriesegments Konsumgüter bei der Strategie- und Organisationsberatung Camelot Management Consultants, die die Studie veröffentlicht hat.
Eine international bekannte deutsche Biermarke gibt es nicht, ebenso wenig wie eine Biermarke, die von der Nordsee bis zum Bodensee so viele Fans findet, das man sich als nationale Marke bezeichnen könnte. Jever - im Norden ein Kassenschlager, verstaubt in den Regalen süddeutscher Super- und Getränkemärkte. Umgekehrt interessiert sich jenseits des "Weißwurst-Äquators" kaum jemand für das bayerische Franziskaner.
Die Deutschen können unter mehr als 5000 verschiedenen Biermarken wählen - nirgendwo sonst auf der Welt gibt es ein so ausdifferenziertes Angebot . „Deutschland ist was die Konsumgewohnheiten und die damit vorherrschenden Marken angeht, regional klar in unterschiedliche Biersorten aufgeteilt: von den Pils-Regionen im Norden über Altbier und Kölsch im Westen bis hin zu den Weizenbier-Regionen im Süden. Das macht es für jede Brauerei extrem schwer, über ihr angestammtes Gebiet hinaus erfolgreich zu expandieren“, sagt Münzberg. In den meisten anderen europäischen Staaten dominieren dagegen flächeneckend internationale Marken mit Marktanteilen bis zu 90 Prozent.
Die Top Ten Brauereien in Deutschland
Verkauf 2012 in 1000 Hektoliter: Deutschland: 11.440 Export: 560
Verkauf 2012 in 1000 Hektoliter: Deutschland: 8000 Export: 4000
Verkauf 2012 in 1000 Hektoliter: Deutschland: 7015 Export: 507
Verkauf 2012 in 1000 Hektoliter: Deutschland: 6983 Export: 507
Verkauf 2012 in 1000 Hektoliter: Deutschland: 5510 Export: 168
Verkauf 2012 in 1000 Hektoliter: Deutschland: 4400 Export: 1000 (v.a. Paulaner)
Verkauf 2012 in Hektoliter: Deutschland: 3970 Export: 590
Verkauf 2012 in 1000 Hektoliter: Deutschland: 2700 Export: 200
Verkauf 2012 in 1000 Hektoliter: Deutschland: 2660 Export: 240
Verkauf 2012 in 1000 Hektoliter: Deutschland: 2621 Export: 166
Brauer machen sich mit neuen Sorten selbst Konkurrenz
Die starke regionale Ausrichtung wird für die Brauereien zu einem immer größeren Problem. Denn die Deutschen trinken immer weniger Bier. Der Pro-Kopf-Konsum fällt, die Trinkgewohnheiten ändern sich. Für die einzelne Brauerei bleibt immer weniger. Einige versuchen mit immer neuen Biermischgetränken dem Trend entgegen zu wirken. "Es gibt einige Marken, die es sehr gut verstehen, dem Markt mit Biermixgetränken einen frischen Pepp zu geben. Es gibt aber auch Fälle, in denen neue Sorten das etablierte Kernprodukt kannibalisieren." So geht der Trend zu alkoholfreien Bieren oder leichten Biermischgetränken zu Lasten der starken Weizen-Biere.
Die immer neuer Sorten führen auch zu immer mehr Kosten für Marketing und Vertrieb - die Komplexität der gesamten Unternehmensstruktur von der Produktion bis zu Distribution nimmt zu. Dabei wirkt sich die Vielfalt an Marken unter einem Konzerndach bereits heute schon negativ auf die Margen aus. „Dadurch befinden sich die Braukonzerne in einem harten Verdrängungswettbewerb, der durch die immer aggressiveren Preisaktionen des Handels noch dramatisch verschärft wird.“ Bier wird gerne als Lockangebot genutzt. Ein Kasten Krombacher oder Becks ist im Sonderangebot für acht oder neun Euro zu haben. Ein Preis, an den sich der Kunde gewöhnt, der aber fern der realen Preise von 11 Euro aufwärts liegt.
Was also tun?
Vier Strategien für den Biermarkt
Münzberg zeigt vier Strategien auf, wie die deutschen Brauereien den schwierigen Marktbedingungen begegnen können.
1. Erfolgreich in der Nische
Die vielen mittelständischen regionalen Brauereien fahren am besten damit, sich in ihrer Nische einrichten und ihre Kapazitäten und Ausgaben herunterzufahren. Die Nachfrage wird weiter sinken, Branchenexperten gehen in den nächsten zehn bis 15 Jahren von einem weiteren Absatzminus von 20 Millionen Hektoliter in Deutschland aus. "Wachstumsphantasien helfen da nicht weiter", sagt Münzberg. Auch an den regionalen Sortenpräferenzen wird sich wenig ändern. "Unter diesen Vorzeichen muss sich eine mittelständische Brauerei von ihren Wachstumsambitionen verabschieden und stattdessen in Produktivität investieren", meint Münzberg. Wer eine funktionierende regionale Marke habe, sollte diese melken so lange es geht. Die Versuche, in das Revier anderer Marken einzudringen kosten dagegen überproportional viel Geld, das wenn, dann nur die großen regionalen Hersteller industriell gefertigter Biere aufbringen können.
2. Nationale Premiummarke aufbauen
Die großen Biergruppen wie etwa die Brau Holding International, zu der die Paulaner- und die Kulmbacher-Gruppe gehören, müssten sich dazu stärker auf ihre Zugpferde fokussieren und Randmarken aussortieren. Münzberg: "Ich beobachte, dass diese Gruppen punktuell eine Bereinigung ihres Markenportfolios zulassen."
Die beliebtesten Biermarken in Deutschland 2012:
Marke | Absatz in Mio. Hektolitern |
1. Oettinger | 5,89 |
2. Krombacher | 5,46 |
3. Bitburger | 4,07 |
4. Veltins | 2,78 |
5. Hasseröder | 2,77 |
6. Beck's | 2,75 |
7. Warsteiner | 2,72 |
8. Paulaner | 2,3 |
9. Radeberger | 1,91 |
10. Erdinger | 1,72 |
Er schränkt aber ein: "Ich kann keine deutsche Biermarke erkennen, die derzeit das Potenzial hat, um national in allen Regionen erfolgreich zu werden - ohne einen deutlichen Schwerpunkt in ihrer Heimatregion". Dazu seien Werbeaufwendungen von 40 bis 60 Millionen Euro notwendig, ein Betrag, den keine der Brauereien in Deutschland so schnell aufbringen könne.
3. Nationale Allianzen bilden - kleinere Wettbewerber übernehmen
Soweit kartellrechtlich möglich, könnten sich die regionalen, deutschen Brauereien zu nationalen Allianzen zusammenschließen. Münzberg: "In der Kooperation könnten die Brauereien etwa die Produktionskapazitäten einer anderen Gruppe nutzen".
4. Exportmarken stärken, internationale Marke aufbauen
Asien und Afrika bieten noch enormes Wachstumspotenzial. Hier könnten auch Marken wie Paulaner - von je her stark im Export weiter punkten. An den Aufbau einer echten internationalen Marke einer deutschen Brauerei glaubt Münzberg allerdings nicht. Die deutschen Brauereifamilien haben ihr Familienkapital stark in ihren Unternehmen gebunden - der Eigenkapitalanteil liegt im Schnitt bei rund 70 Prozent. "Sie wenden äußerst vorsichtige kaufmännische Prinzipien an, um ihr Vermögen zu sichern." Die internationalen Aktiengesellschaften agieren wesentlich mutiger, bringen viel mehr Kapital ein und haben auf diesem Weg auch schon eine Reihe ausländischer Märkte besetzt.