Sekthersteller Henkell Freixenet Warum gute Champagner-Konkurrenz bald aus England kommt

Fürst von Metternich Sekt Quelle: imago images

Henkell Freixenet ist in Feierlaune. Der Schaumwein-Weltmarktführer profitiert vom steigenden Verlangen nach dem Gläschen am Abend – und einem Zukauf in Großbritannien. Aber wie lange hält die Freude noch an?

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Fast schon verspielt läuft eine junge Frau in weißem Kleid durch einen Säulengang und prostet lächelnd ihren Freunden mit einem Sektglas zu. Dann geht es ohne Pause direkt auf eine Tanzfläche in einen riesigen Marmorsaal, beleuchtet von bunten Partylichtern.

Der von einer Influencerin auf Instagram hochgeladene Clip zeigt die „Ball-des-Sportes-Sektnacht“. Es ist eine große Show „sponsored by Henkell Freixenet“ und so ist es kein Wunder, dass in dem Filmchen Gäste regelmäßig zum Henkell-Sekt greifen. Zwei Jahre lang konnte der Konzern die beliebte Großveranstaltung nicht ausrichten, sie fiel, wie so vieles, der Pandemie zum Opfer. Doch nun sind ausschweifende Feiern wieder erlaubt.

Für die Wiesbadener Sekt-, Wein- und Spirituosenfirma, die den jüngsten drei Oetker-Geschwistern gehört, ist das ein Grund zum Aufatmen. Denn gerade das erste Jahr der Corona-Pandemie hatte Henkell Freixenet stark zugesetzt, sorgte dafür, dass der Umsatz um 7,4 Prozent zurückging. Doch schon 2021 konnte sich der Sekthersteller bereits über ein Umsatzplus von elf Prozent freuen. Selbst im Vergleich zu 2019, dem Jahr vor der Pandemie, ist der Umsatz gewachsen.

Wie konnte dem Unternehmen das gelingen?

Es ist eine Frage, die Henkell-Freixenet-Geschäftsführer Andreas Brokemper gerne beantwortet. „Unser Erfolg ist das Ergebnis einer jahrelangen Entwicklung“, sagt er. So hat das Unternehmen vor gut vier Jahren knapp 51 Prozent der Anteile am spanischen Unternehmen Freixenet übernommen, der als größter Hersteller von Cava, also von katalanischem Schaumwein, gilt. Durch diesen Zusammenschluss konnte sich Henkell Freixenet, wie das Unternehmen fortan heißt, als Weltmarktführer im Bereich Schaumweine etablieren.

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von Stephan Knieps

Zudem profitiert das Unternehmen von einem Trend: „Die Konsumgewohnheiten für Schaumwein haben sich verändert“, sagt Brokemper. Früher seien Prosecco und Co. nur anlassbezogen kaltgestellt worden. Zugeprostet wurde sich fast nur an Geburtstagen, Hochzeiten oder Silvester. „Doch mittlerweile hat sich eine unbeschwerte Genusskultur entwickelt.“ Für viele Kunden würde das Anstoßen mit Schaumwein den Übergang vom Feierabend zur Freizeit darstellen. Plötzlich würde ein gemeinsamer Kochabend mit Freunden Anlass genug sein, um einen Aperitif zu servieren.

„Der Trend geht zu Premium-Produkten“

Dieser Wandel schlägt sich in den Verkaufszahlen nieder. So ist die Henkell-Prosecco-Marke Mionetto um rund ein Drittel gewachsen. Und die Premium-Sektmarke Fürst von Metternich hat im Vergleich zum Vorjahr 18 Prozent mehr Umsatz eingefahren. „Der Trend geht zu Premium-Produkten“, sagt Brokemper. Laut ihm hängt das damit zusammen, dass Schaumweine nicht mehr nur zu Feierlichkeiten wie in dem Werbefilmchen ausgeschenkt werden. Denn auf Festen würden die meisten Gäste vom Sekt als Aperitif schnell zu anderen Getränken, wie Bier oder Wein, übergehen. Bei einem Abend im kleineren Kreis würden sich die Gäste aber immer wieder Schaumwein nachschenken, ihn also begleitend zum Essen trinken. „Dadurch legen die Gastgeber auch mehr Wert auf Qualität und wählen den Schaumwein entsprechend aus.” Auch der Verband Deutscher Sektkellereien kommt zu diesem Ergebnis.

Für Henkell Freixenet war diese Entwicklung ein Glücksfall, auch weil die pandemiebedingte Schließung der Gastronomie aufs Geschäft drückte. So werden in Deutschland rund 20 Prozent des Umsatzes in der Gastronomie gemacht. Dieser sei 2020 um rund 80 Prozent eingebrochen, wie Brokemper sagt. „Andererseits haben wir gerade in Spanien, wo jede zweite Flasche auswärts konsumiert wird, die Auswirkungen des Lockdowns verstärkt zu spüren bekommen.“ Und auch in Deutschland ist der Gesamtkonsum von Sekt zurückgegangen. Laut dem Verband Deutscher Sektkellereien trank jeder Deutsche 2021 im Schnitt 3,2 Liter Schaumwein – rund ein Liter weniger als 2012.

Weniger Quantität, dafür mehr Qualität und der Wunsch nach größerer Auswahl: Die Kundenwünsche würden immer vielfältiger werden, so Brokemper. Henkell Freixenet vergrößert sich deshalb immer weiter, übernahm Anfang des Jahres die englische Sekt- und Weinkellerei Bolney. „In England lassen sich Qualitäten produzieren, die vielen Champagnern in nichts nachstehen“, sagt Brokemper. Denn die dortigen klimatischen Bedingungen seien ähnlich zu denen, die vor 40 Jahren im französischen Weinbaugebiet Champagne geherrscht hätten.

„Kognitive Dissonanz“ beim Kunden

Eine Aussage, die zugleich preisgibt, was die größte Herausforderung ist, vor der die Schaumweinbranche steht: der Klimawandel. So habe es vergangenes Jahr in Frankreich eine „Katastrophenernte“ gegeben, wie Brokemper sagt. Durch die hohen Temperaturen im März hätten die Reben bereits ausgetrieben, doch im April und Mai sei es so kalt geworden, dass die jungen Triebe erfroren seien.

Das sind Vorfälle, die die Branche in Sorge versetzen. Dem Verband Deutscher Sektkellereien zufolge müssen sich die Weinbauern auf extreme Hitze und Trockenheit im Weinberg vorbereiten. Der Verband habe einen Nachhaltigkeitsausschuss gegründet, um auszuloten, wie auch die Sektunternehmer ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten können.

Selbst die geopolitischen Entwicklungen, etwa der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, bereiten der Branche Kopfzerbrechen. „Die Versorgung mit Rohstoffen, insbesondere mit dem für unsere Branche wichtigen Glas sowie die explosive Preisentwicklung in allen Bereichen ziehen in der gesamten Supply Chain Verwerfungen am Markt nach sich“, so der Verband zu der angespannten Lieferkettensituation. Engpässe gebe es derzeit aber nur „sehr vereinzelt bei bestimmten Schaumweinsorten.“

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Ein anderes Risiko kann Brokemper allerdings nicht so klar einschätzen: die Inflation. „Derzeit herrscht bei vielen Konsumenten noch eine Art kognitive Dissonanz“, so Brokemper. Insgeheim wüssten sie, dass sie mit schlechteren Zeiten rechnen sollten, seien aktuell aber nicht bereit, sich in ihrem Konsum einzuschränken. Doch wie das in einigen Monaten aussähe, wisse er nicht.

Derzeit laufe es gut, aber in den letzten drei Monaten eines Jahres mache Henkell Freixenet so viel Umsatz wie in den neun Monaten zuvor. Es kommt also auf den Winter an – ein Zeitraum, in dem die Menschen mehr heizen und die gestiegenen Gaspreise zu spüren bekommen werden. Ob sich die Kunden dann mit Premium-Schaumwein warmhalten wollen, ist fraglich.

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