Shell und PayPal kooperieren Tanken per App

Bei Shell kann die Tankfüllung nun mit dem Smartphone bezahlt werden – direkt an der Zapfsäule, ohne Wartezeit im Shop. Andere Tankstellenketten werden bald nachziehen. Die Pächter aber sorgen sich um ihren Ertrag.

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US-Geheimdienste können Verdächtige mit einer neuen Technologie ausspionieren - über deren Handy. Quelle: Shell

Düsseldorf Viele Autofahrer kennen das: Der Stau ist schier endlos, der Termin drängt und dann ist auch noch der Tank fast leer. Häufig sieht es an der Tankstelle dann auch nicht besser aus: Lange Schlangen an den Kassen. Für Kunden von Shell soll das jetzt schneller gehen. Sie können ab dem heutigen Donnerstag ihren Kraftstoff direkt an der Zapfsäule bezahlen – und zwar per App.

Shell, nach Kraftstoffabsatz die Nummer zwei in Deutschland, ist bundesweit der erste Anbieter, der die Bezahlung per App einführt. Ab jetzt ist das an fast 100 Tankstellen in der Hauptstadt Berlin und in Hamburg, dem Deutschland-Sitz von Shell, möglich. Im Herbst wird „Shell SmartPay“ dann in der ganzen Republik verfügbar sein – und zwar in 1500 der knapp 2000 Tankstellen. Später soll es das Angebot auch in anderen Ländern, etwa in den Niederlanden und in den USA, geben. In Großbritannien ist das schon jetzt möglich.

Nur 13 Prozent der Smartphone-Nutzer bezahlen hierzulande mit ihrem Handy, zeigt eine im Mai veröffentlichte Studie der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC. Die Deutschen lieben eben ihr Bargeld – immer noch. Trotz der Zurückhaltung: Nikolas Beutin, Autor der Studie und Leiter des Bereichs Kundenerfolg bei PwC, sieht in der Idee großes Potenzial. „Wenn der Kunde an der Tankstelle ein paar Minuten Zeit spart, dann hat er dadurch – ganz anders als beispielsweise im Einzelhandel – einen eindeutigen Vorteil“, sagte er dem Handelsblatt. Und genutzt wird das, wovon der Kunde etwas hat. Der PwC-Studie zufolge steht das Tanken an dritter Stelle der Dinge, für die die Deutschen gern mobil bezahlen möchten.

Marktbeobachter Beutin schätzt, dass auch die anderen Tankstellenketten bald nachziehen werden: „Einer muss die Entwicklung nur antreiben.“ So plant auch Marktführer Aral an seinen über 2300 Tankstellen, die Bezahlung per eigener App einzuführen. „Das wird sicherlich auch bei uns umgesetzt werden“, heißt es bei Aral. Wann genau es den Service in Deutschland gibt, wollte das Unternehmen auf Handelsblatt-Anfrage aber nicht mitteilen. Ähnlich äußerte sich auch Esso, die Nummer fünf im Markt. Beide Konzerne haben die Bezahlung per App schon in anderen Ländern eingeführt.

Shell möchte den Autofahrern so eine zusätzliche Bezahlmöglichkeit anbieten. Eine spezielle Zielgruppe soll damit nicht angesprochen werden. „Das neue Angebot richtet sich an alle Kunden, die es eilig haben“, sagt Emre Turanli, Marketingleiter des Shell-Tankstellengeschäftes in Deutschland, Österreich und der Schweiz. „Und an die, die ihr Auto nicht verlassen können“ – sei es, weil Kinder am Rücksitz sitzen oder man einfach sein Hörspiel nicht unterbrechen möchte. Theoretisch kann der Kunde nämlich im Fahrzeug sitzen bleiben: An über 500 Stationen in Deutschland bietet Shell einen Tankwart-Service an.


Brötchen bringen mehr als Benzin

Der Tankstellen-Interessensverband, der die Anliegen der Tankstellenpächter vertritt, bewertet das neue Angebot kritisch: Geschäftsführer Jochen Wilhelm befürchtet, dass die Erträge für die Pächter zurückgehen werden. „Die Pächter sind dringend auf das Shop-Geschäft angewiesen.“ Für jeden verkauften Liter bekommen die Tankstellenbesitzer zwar eine Provision von den Mineralölgesellschaften. Mehr als ein Cent pro Liter ist das aber nicht.

Der Blick auf das Ertragsmodell einer Tankstelle zeigt tatsächlich: Brötchen bringen mehr als Benzin. Inzwischen werden deutlich mehr als 60 Prozent des Einkommens der Tankstellen im Shop erwirtschaftet. Die Autowäsche und der Verkauf von Kraft- und Schmierstoffen steuern jeweils nur noch etwa einen Anteil von rund 15 Prozent zum Ertrag bei. Das Bezahlen per App, das dem Kunden den Weg in den Shop erspart, wäre dann aber kontraproduktiv – zumindest für die Tankstellenpächter. „Es kann tatsächlich sein, dass den Pächtern Shop-Umsätze verloren gehen“, schätzt Nikolas Beutin von PwC. „Das wird aber wahrscheinlich durch Mehrumsätze bei den Kraftstoffen bei den zuerst anbietenden Tankstellen sowie durch neue, attraktive Shop-Konzepte ausgeglichen werden können.“ Jeder zweite Kunde, das sagt Shell, würde die Station ohnehin nur besuchen, um zu tanken.

Der Mineralölkonzern hofft, dass er durch die neue Bezahlmethode auch neue Kunden gewinnen kann. „Zum Beispiel Kunden unter Zeitdruck, die bisher an einer belieben Station getankt hätten und nun gezielt die nächste Shell-Station anfahren“, sagt Marketingleiter Emre Turanli. Autofahrer, die nicht im Stress sind, so hat Shell in Befragungen herausgefunden, würden auch weiterhin den Shop aufsuchen – und für Umsatz beim Pächter sorgen. Ähnlich sieht das auch Aral: Würde der Kunde im Shop etwa ein schnelles Frühstück oder frisches Obst bekommen, würden viele Autofahrer auch weiterhin in den Shop gehen.

Der neue Service ist den bislang den 600.000 Shell-Kunden vorbehalten, die die App des Mineralölkonzerns auf ihrem Smartphone in der neusten Version installiert haben. Zudem muss der Kunde ein PayPal-Konto haben und es vor der ersten Benutzung mit der App verknüpfen. Die Partnerschaft zwischen Shell und PayPal ist exklusiv. Die App etwa mit der eigenen Kreditkarte zu verbinden, ist deshalb nur über den Umweg PayPal möglich. „Am Ende des Tages könne es für Mineralölkonzerne klüger sein, dem Kunden die Wahl zu lassen, welche Bezahlweise er innerhalb der App nutzen möchte“, sagt Marktbeobachter Beutin. Immerhin: 18,9 Millionen Deutsche bezahlen nach Unternehmensangaben schon mit PayPal. Für viele sollte die Nutzung des Bezahldienstes also keine Hürde sein.

Das neue Bezahlverfahren funktioniert so: Die App erkennt per GPS, an welcher Tankstelle sich der Autofahrer befindet. Der muss dann nur noch die Nummer der Zapfsäule eingeben und den Betrag, für den er tanken will. Das ist notwendig, damit PayPal autorisieren kann, ob das Konto entsprechend gedeckt ist. Aus der Zapfsäule kommt nur solange Benzin, bis der eingegebene Betrag erreicht ist. Ist der Tank noch nicht voll, muss der Kunde sich nochmal autorisieren. Denkbar ist aber, einen höheren Betrag einzugeben, als man eigentlich zu tanken gedenkt. Denn am Ende wird nur das in Rechnung gestellt, was auch tatsächlich getankt wurde. Die Rechnung gibt es übrigens aufs Handy geschickt – sobald der Zapfhahn eingehängt wurde.

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