Shopping-Portal Rakuten Handelsplattform will Amazon und Ebay angreifen

Das japanische E-Commerce-Konglomerat Rakuten will Amazon und Ebay Konkurrenz machen und setzt auf das Geschäft via Smartphones. Ein Interview mit dem Chef Hiroshi Mikitani.

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Japans größtes e-Commerce-Unternehmen könnte ein ernsthafter Konkurrent für Ebay und Amazon werden Quelle: REUTERS

Der weltgrößte Internet-Marktplatz wollte Rakuten werden und Amazon und Ebay überholen. Doch davon spricht Gründer Hiroshi Mikitani nicht mehr. Nicht nur, dass sich der Abstand zu den US-Rivalen vergrößert hat. Vor Japans Haustür ist zudem die chinesische Alibaba Group rasant zum Online-Giganten herangewachsen.

Eigentlich hat der japanische Milliardär nichts falsch gemacht: Der 49-Jährige perfektionierte das Geschäftsmodell seines Shopping-Portals mit Rundum-sorglos-Service für die 42.000 angeschlossenen Händler in Japan, bevor er 2010 mit seinem Marktplatz ins Ausland expandierte. Alle Mitarbeiter mussten dafür Englisch lernen.

Dennoch ist Rakuten heute erst in zwölf Ländern vertreten. In den Vereinigten Staaten fassten die Japaner nicht richtig Fuß, obwohl Mikitani vor vier Jahren das Einkaufsportal Buy.com für 250 Millionen Dollar kaufte und in Rakuten.com umtaufte. Und nach nur anderthalb Jahren zog sich Rakuten 2012 aus dem Reich der Mitte zurück. Die Partnerschaft mit Chinas größter Suchmaschine Baidu beim Shopping-Portal Lekutian scheiterte. Der Kampf um die Online-Kunden wurde Mikitani zu kostspielig.

Auch 2014 werden Gewinn und Umsatz auf Rekordhöhe steigen, doch das Auslandsgeschäft schreibt rote Zahlen. Zugleich gerät das Japan-Geschäft durch Amazon und Yahoo in Japan unter Druck.

Rakuten in Zahlen. Für eine Großansicht bitte auf die Grafik klicken

Daher steuert Mikitani um: Der 900 Millionen Dollar teure Messenger-Dienst Viber soll nun als neuer Wachstumsturbo dienen. Den Zukauf des WhatsApp-Rivalen im Februar nennt Mikitani einen „historischen Wendepunkt“ für Rakuten. Die 400 Millionen aktiven Viber-Nutzer in 193 Ländern erhalten kostenlose Rakuten-Einkaufspunkte als Anreiz für das Herunterladen der App und zur Gewinnung von Neukunden in den Rakuten-Web-Kaufhäusern.

Viele Viber-Nutzer sitzen in Schwellenländern, wo Rakuten eigene Online-Plattformen plant. Zugleich können Händler ihre Kunden über Viber kostenlos per Telefon, SMS und Videokonferenz ansprechen. Das virtuelle Shopping-Erlebnis wird so realer und der Online-Verkauf von beratungsintensiven Produkten wie Medikamenten erleichtert. 2013 verbrannte die App noch fast 30 Millionen Dollar, aber der Verlust wurde inzwischen gedrückt.

Das Rakuten-"Ökosystem"

Die Viber-Strategie folgt dem Rakuten-Credo, für die Kunden ein „Ökosystem“ von Dienstleistungen aufzubauen. Diesen Ansatz verfolge er auch in Deutschland, erläutert Mikitani im Interview. Kunden sammeln beim Einkaufen sogenannte Superpunkte, mit denen man auch in anderen Geschäften bezahlen kann.

In Japan etwa können bei Rakuten registrierte Kunden dort auch ein Bankkonto eröffnen, eine Kreditkarte bekommen sowie Kredite und Versicherungen abschließen. Mit Finanzdiensten erzielt die Gruppe zwei Fünftel des Jahresumsatzes von zuletzt umgerechnet 3,8 Milliarden Euro und die Hälfte des operativen Gewinns von 658 Millionen Euro.

Der deutsche Rakuten-Ableger entstand Mitte 2011 durch eine Übernahme und ist mit 21 Millionen Artikeln in 7000 Online-Läden das drittgrößte Handelsportal.

"Vielleicht waren wir in der Vergangenheit zu zögerlich"

Herr Mikitani, in Japan ist Rakuten die wichtigste E-Commerce-Plattform. In Deutschland ist Rakuten bisher kaum bekannt. Wie wollen Sie das ändern?

In Japan sind wir vor 17 Jahren gestartet, in Deutschland ist Rakuten erst seit zwei Jahren aktiv. Aber trotz des relativ späten Markteintritts ist unsere Position in Deutschland gar nicht so schlecht: Aktuell sind wir die klare Nummer drei unter den deutschen Marktplätzen, haben aber noch viel vor und müssen uns weiter kontinuierlich steigern. In Japan sind wir sehr geduldig, wenn es um die langfristige Erschließung eines Marktes geht. Aber es gibt für Rakuten noch einiges zu tun in Deutschland.

Wie wichtig ist der deutsche Markt für Rakuten?

Deutschland ist einer der größten E-Commerce-Märkte in Europa und damit von zentraler Bedeutung für uns. Vielleicht waren wir in der Vergangenheit zu zögerlich. Aber jetzt hat unser neues Managementteam um Christian Macht auf Autobahn-Tempo umgeschaltet, um unsere Position weiter zu verbessern und die Nutzerzahlen zu steigern.

Was haben Sie konkret vor?

Hiroshi Mikitani Quelle: Andreas Chudowski für WirtschaftsWoche

Ein wichtiger Schritt ist, dass wir unser Deutschland-Geschäft künftig von Berlin aus steuern werden und damit auch im Start-up-Zentrum des Landes präsent sind. Wichtige Bereiche werden zwar in unserer bisherigen Zentrale in Bamberg bleiben, doch in Berlin laufen die Fäden zusammen. Ich sehe in der Stadt viel Talent und Kreativität, die wir nutzen können.

Das allein wird kaum ausreichen, um Wettbewerber wie Ebay und Amazon in die Schranken zu weisen.

Unser Ansatz ist es, den lokalen Handelspartnern zu helfen und ihnen unsere Technik und Expertise für ihr Geschäft zur Verfügung zu stellen. In Japan lassen sich viele Anbieter, die über unsere Plattform Waren verkaufen, von Rakuten-E-Commerce-Beratern dabei unterstützen, ihre Shops zu optimieren. Diese Services werden wir auch in Deutschland weiter ausbauen. Und wir wollen unseren Händlern zusätzliche Angebote zur Datenauswertung und -analyse an die Hand geben. Entscheidend ist aber, dass wir Rakuten nicht nur als simplen Marktplatz verstehen, sondern als eine Art Ökosystem, an das all unsere Geschäftsfelder angedockt werden.

Zur Person

Was meinen Sie mit Ökosystem?

Wir haben unser Angebot stark erweitert, haben zahlreiche Unternehmen gekauft und sind Partnerschaften eingegangen...

...Rakuten ist am Online-Fotonetzwerk Pinterest beteiligt, Sie haben den E-Book-Hersteller Kobo gekauft, der Amazons Lesegerät Kindle Konkurrenz machen soll, und zuletzt den Messaging-Dienst Viber, einen WhatsApp-Wettbewerber.

Genau. Und in Japan haben wir Rakuten zu einer Plattform ausgebaut, über die sich alle Dienste mit einem einzigen Account nutzen lassen. In Japan zählen mehr als 40 unterschiedliche Services und Dienste zum Ökosystem. Unser Fokus liegt dabei auf E-Commerce, Finanzdienstleistungen und digitalem Content. Der Nutzer meldet sich einmal an, kann shoppen, Reisen buchen, E-Bücher, Filme und Musik herunterladen und über Viber kommunizieren. Das verstehen wir unter einem Ökosystem. Ich glaube, dass ein solcher Ansatz auch in Deutschland funktioniert.

Immer mehr Menschen shoppen per Smartphone und Tablet im Netz. Wie wichtig ist Mobile Commerce für Rakuten?

Smartphones werden für die Online-Nutzung – und damit für das Einkaufen im Internet – bald wichtiger sein als klassische Rechner und Laptops. Mobilgeräte werden zum zentralen Zugangskanal ins Netz.

"Einkaufen ist nicht nur ein Bestellprozess"

Dann hat Amazon-Chef Jeff Bezos ja wohl richtig entschieden, als er vor wenigen Wochen ein eigenes Amazon-Smartphone auf den Markt brachte. Wann kommt das Rakuten-Smartphone?

Das wird es nicht geben. So wichtig Mobilgeräte auch sind, primär geht es um den Zugang zu den mobilen Nutzern. Dafür haben wir Viber. Wir erreichen darüber weit mehr Menschen als über ein weiteres Gerät, und wir werden Viber zu einer offenen Kommunikationsplattform ausbauen. Viele Menschen haben genug von abgeschotteten Betriebssystemen, mit denen sie gezwungen werden sollen, nur die Angebote eines Anbieters zu nutzen. Sie versuchen, dem zu entfliehen.

Dann halten Sie das Amazon-Smartphone für einen Fehler?

Oft genug haben sich Ideen zu einem Riesenerfolg entwickelt, die ich für einen Irrweg hielt. Für Amazon kann ich das nicht beurteilen. Amazon hat einen ganz anderen Geschäftsansatz als Rakuten. Bei Amazon dreht sich alles um Effizienz, Algorithmen und Prozessstandards. In ihrer Welt kann die Smartphone-Entwicklung durchaus sinnvoll sein, in unserer nicht.

Warum die Deutschen Online-Shopper sind

Was unterscheidet Rakuten denn von anderen Marktplätzen?

Wir haben den vielleicht etwas nostalgisch anmutenden Ansatz, dass wir unseren Partnern, die über Rakuten verkaufen, dabei helfen, gute Geschäfte zu machen. Deshalb treten wir zum Beispiel nicht in Wettbewerb zu unseren Händlern und verkaufen selbst keine Waren. Viele Wettbewerber wollen den Umsatz dagegen am liebsten alleine machen und treten mit Niedrigpreisen gegen ihre eigenen Partnerunternehmen an.

Die meisten Kunden schauen aber vor allem auf den Preis.

Klar, der Preis ist wichtig. Aber es geht um noch mehr: Einkaufen ist eben nicht nur ein simpler Bestellprozess, sondern es hat auch sehr viel mit Kommunikation und Interaktion zu tun. Das macht die vielen kleinen Geschäfte vor Ort aus. Und diesen Ansatz sehen wir auch als die Zukunft des Einkaufens im Netz. Man spricht mit dem Modehändler in einem Geschäft zum Beispiel über Farben, Formen und Modelle. Es geht dabei um Interaktion. Wir versuchen, diese Shopping-Emotionen der Kunden auf das Netz zu übertragen.

Die größten Onlineshops
Platz 10: EspritE-Commerce-Umsatz: 327,6 Millionen Euro. Das Modelabel zählt zu den beliebtesten Marken der Deutschen - vor allem der deutschen Frauen. Dennoch verliert Esprit zwei Plätze im Vergleich zum Vorjahr. Esprit kämpft seit einigen Jahren mit Qualitätsproblemen, einem schleichenden Imageverlust und hat in diesem Jahr zum ersten Mal seit dem Börsengang 1993 einen Verlust von über 400 Millionen Euro eingefahren. Mehr über die Probleme bei Esprit lesen Sie hier: "Esprit läuft die Zeit davon"Quelle des Rankings: EHI Retail-Institute + Statista Studie E-Commerce-Markt Deutschland 2013 - untersucht wurde der Markt der Top 1000 Onlineshops. Als E-Commerce-Umsatz gilt der Nettoumsatz im Jahr 2012, bereinigt von Retouren, exkl. Umsatzsteuer und nur aus der reinen Geschäftstätigkeit des Onlineshops (ohne sonstige betriebliche Erträge des Unternehmens). Quelle: Screenshot
Platz 9: CyberportE-Commerce-Umsatz: 343,1 Millionen Euro. Das Portal für Computer, Unterhaltungselektronik, Handys und Zubehör kann seinen Platz im Vergleich zum Vorjahr halten. Die Produktgruppe Computer & Co. ist mit rund 14 Prozent am Gesamtumsatz der Top-1000-Onlineshops das drittstärkste Segment im gesamten E-Commerce. Quelle: Screenshot
Platz 8: BonprixE-Commerce-Umsatz: 357 Millionen Euro. Die Otto-Tochter Bonprix ist seit 1986 am Markt. Sie wirbt mit günstigen Preise für junge Mode und spricht damit in erster Linie Frauen an. Im Vergleich zum Vorjahr verschlechtert sich Bonprix um einen Platz. 20 Prozent aller Umsätze der Top 1000 Onlinehändler wurden 2012 mit Modeartikeln gemacht. Quelle: Screenshot
Platz 7: TchiboE-Commerce-Umsatz: 360 Millionen Euro. Vom Teesieb bist zur Regenjacke - bei Tchibo gibt es nahezu alles - das scheint den Kunden zu gefallen. Der einstige Kaffeeröster schießt von Platz 16 auf Platz 7. Der Umsatzanteil der Generalisten, zu denen auch Tchibo zählt, blieb mit knapp 37 Prozent und fast 11 Milliarden Euro auf Vorjahresniveau. Rund die Hälfte aller Onlineshops betreibt wie auch Tchibo, zusätzlich ein oder mehrere stationäre Geschäfte. Beliebt sind außerdem Marktplätze wie Amazon und ebay, die von knapp 45 bzw. fast 29 Prozent der Händler genutzt werden. Smartphone- sowie Tablet-optimierte Websites oder Apps inklusive Shopfunktion sind um gut 36 Prozent gewachsen und haben ihren Marktanteil auf über 29 Prozent (Vorjahr: 21,4 Prozent) ausgebaut. Kataloge oder Magazine halten über 23 Prozent innerhalb der Vertriebskanäle. Quelle: Screenshot
Platz 6: ConradE-Commerce-Umsatz: 372,9 Millionen Euro. Werkzeug, TV-Geräte, Glühbirnen - Conrad ist das Technik-Dorado der Schrauber und Bastler. Filialen, Katalog und Onlineportal führen mehr als 220.000 Produkte. Die Conrad-Gruppe geht zurück auf Max Conrad der 1923 das "Radio Conrad" gründete. Im Vergleich zum Vorjahr verliert Conrad einen Platz im Ranking und tauscht ihn mit.... Quelle: Screenshot
Platz 5: WeltbildE-Commerce-Umsatz: 388,9 Millionen Euro. Die Verlagsgruppe Weltbild beschäftigt mehr als 6.400 Mitarbeiter. Zum Sortiment gehören Bücher und E-Books, Musik und DVDs, Software und Games, Haushaltsartikel, Spielwaren und Geschenkartikel. Im Online-Buchhandel ist der Internetshop nach eigener Aussage bereits die Nummer zwei in Deutschland. Weltbild.de macht im Vergleich zum Vorjahr im Ranking der umsatzstärksten deutschen Onlineshops einen Platz gut - von 6 auf 5. Quelle: Screenshot
Platz 4: ZalandoE-Commerce-Umsatz: 411,6 Millionen Euro. Zalando.de, hat mit Platz 4 das Sieger-Treppchen zwar knapp verfehlt, aber volle 16 Plätze im Vergleich zum Vorjahr aufgeholt. Mit seinem Mode-, Schuh- und Accessoires-Sortiment hat das "Schrei-vor-Glück"- Unternehmen das zweitgrößte Segment im Onlinehandel kräftig aufgemischt und könnte schon an die Börse gehen. Zalando feiert in diesem Jahr seinen fünften Geburtstag. Quelle: Screenshot

Sie treiben seit sechs Jahren die Internationalisierung von Rakuten voran. Werden Sie den Kurs fortsetzen?

Wir wollen so global wie möglich werden. Deswegen haben wir vor einigen Jahren auch unsere interne Kommunikation komplett auf Englisch umgestellt. Das war anfangs schwierig und wurde in Japan teilweise sogar als aggressiver Akt gewertet, zeigte aber, wohin die Reise geht. Die Stärken unserer japanischen Wurzeln – harte Arbeit, Freundlichkeit und Teamwork – sind weiter tief verankert im Unternehmen, aber die Ausrichtung ist global.

Wie haben Sie Ihre Mitarbeiter davon überzeugt, und wie würden Sie sich selbst als Manager beschreiben?

(lacht) Das sollten Sie die Mitarbeiter fragen. Mein Managementstil ist es, den Leuten zu vertrauen, die sich mit den Themen auskennen, und sie dann machen zu lassen. Ich möchte nicht, dass die Mitarbeiter darauf warten, dass man ihnen sagt, was sie als Nächstes zu tun haben. Ich mag Leute, die die Sache selbst in die Hand nehmen und Eigeninitiative zeigen.

Was sind für Sie die wichtigsten Trends im Netz?

Die Internet-Welt dehnt sich in alle möglichen Lebensbereiche aus und findet nicht nur vor dem Bildschirm statt, wie wir noch vor ein paar Jahren gedacht haben. Autos sind mit dem Netz verbunden, Filme werden heutzutage online geschaut, Bücher per E-Reader gelesen, Bildungsangebote oder medizinische Dienstleistungen gibt es über das Web, und neue Bezahlsysteme etablieren sich. Wir erleben eine Umwälzung in ganz verschiedenen Wirtschafts- und Lebensbereichen.

Mit Rakuten haben Sie eines der wertvollsten Online-Unternehmen der Welt aufgebaut. Sie könnten sich jetzt zurücklehnen und Ihren Wohlstand genießen. Wie lange wollen Sie den Job noch machen?

Ich werde im kommenden Jahr 50 Jahre alt. Insofern gehöre ich beinahe schon zu den Veteranen der Branche. Aber solange ich mich der Aufgabe gewachsen fühle, werde ich weitermachen. Und wenn ich irgendwann jemanden finde, der es besser kann, wird es einen Wechsel geben. Aber dafür gibt es keinen festgelegten Zeitplan.

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