Sieben Leitsätze Was Unternehmer von Aldi lernen können

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Der Aldi-Äquator trennt das Land

Derlei Storys fügen sich nahtlos ins Bild eines gnadenlos auf Effizienz getrimmten Konzerns. Die Folge der Sparsamkeitsdoktrin: Unternehmerische Hybris, gewagte Expansionen, teure Übernahmen von Wettbewerbern oder prunkvolle Zentralen sucht man im Aldi-Reich vergebens. Der Gewinn wird solide in das Kerngeschäft investiert oder für schwere Zeiten gebunkert. Das Unternehmen leistet sich nur, was es bezahlen kann, üppige Kredite sind tabu.

5. Schaffe klare Strukturen!

Gut möglich, dass der Siegeszug von Aldi schon früh ins Stocken geraten wäre. Anfang der Sechzigerjahre konnten sich die Albrecht-Brüder angeblich nicht darüber einigen, ob Zigaretten ins Sortiment gehören oder nicht. Karl schlägt eine Trennung vor. Nach ein paar Tagen Bedenkzeit willigt Theo ein, Aldi wird aufgeteilt. Karl bekommt den Süden und schlägt sein Hauptquartier in Mülheim auf, Theo beackert fortan von Essen aus den Norden. Die Demarkationslinie, der sogenannte AldiÄquator, verläuft mitten durch Hessen und Nordrhein-Westfalen. Wie ihren Heimatmarkt steckten die Brüder später auch ihre Claims weltweit ab. Die Märkte in den USA, der Schweiz und Österreich fielen an Karl. Frankreich, Spanien und Polen werden dagegen von Aldi Nord aus Essen gesteuert. Zudem betreiben die Essener in Amerika die Handelskette Trader Joe’s.

Die frühere Grenzziehung tat dem Erfolg keinen Abbruch. Im Gegenteil: Die brüderlichen Unternehmen haben sich im lockeren Verbund wohl besser entwickelt, als es unter einem starren Dach je möglich gewesen wäre. Streitigkeiten, Kompetenzgerangel oder wachsweiche Kompromisse wurden vermieden, der Wettbewerb untereinander angestachelt.

Was die Brüder durch die Teilung vorexerzierten, wurde auch in die Unternehmen implementiert. „Eine glasklare Führungs- und Organisationsstruktur sowie operative Exzellenz“, macht der frühere Aldi-Süd-Manager Robert Peschke bei seinem ehemaligen Arbeitgeber aus. Peschke steuerte bis vor zwei Jahren den gesamten Verkauf innerhalb der Aldi- Regionalgesellschaft Langenfeld mit mehr als 1200 Mitarbeitern und einer halben Milliarde Euro Umsatz. Heute unterstützt er mit seiner in Dresden ansässigen Beratung DPMC Unternehmen aus dem Handels-, Produktions- und Konsumgüterbereich und greift dabei auf die Aldi-Prinzipien zurück.

Der Kern: Freiräume schaffen innerhalb exakt definierter Aufgabenbereiche und durchorganisierter Prozesse. Als theoretische Basis für den Aldi-Führungsstil sehen Managementexperten das Harzburger Modell. Die in den Sechzigerjahren entwickelte Methode folgt dem Grundsatz, Verantwortung an Mitarbeiter zu übertragen – sie dabei aber streng zu kontrollieren.

Im Aldi-internen Regelwerk wurden die Arbeitsbereiche lange Zeit bis hin zur Organisation der Schreibtische aufgedröselt. Es ist präzise festgelegt, wer in der Führungshierarchie vom Filialleiter bis zum Geschäftsführer über welche Themen zu bestimmen hat.

„Führungskräfte dürfen nicht nur, sie müssen entscheiden“, sagt Peschke. „Durchregieren oder Weiterreichen von Verantwortung werden konsequent verhindert.“ Erfolge wie Misserfolge sind so direkter messbar.

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