Sieben Leitsätze Was Unternehmer von Aldi lernen können

Der verstorbene Discountkönig Karl Albrecht hinterlässt ein Milliardenvermögen und Management-Leitsätze, die das Fundament für Aldis Aufstieg bildeten. Sie lehren, wie man einen Konzern auf Erfolgskurs hält.

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Karl Albrecht Quelle: Foto Aldi Süd/dpa

Kein verbaler Trauerflor, kein Hinweis auf den Tod einer Legende, kein Wort des Verlustes. Stattdessen übt sich der allwöchentliche Newsletter „Aldi informiert“ in munterer Verkaufsroutine: Aluminium-Rollatoren gibt’s für 89,99 Euro, Leder-Pantoletten für 8,99 Euro, und die Dose WC-Schaumreiniger kostet 1,29 Euro. Dazu Hornhautfeilen und Flaschenkühler, Bikinizonen-Rasierer und Standmixer – alles Aldi-günstig versteht sich, alles ab Montag in der nächstgelegenen Aldi-Süd-Filiale in haushaltsüblichen Mengen erhältlich. Alles wie immer bei Aldi.

Wahrscheinlich hätte es Karl Albrecht genau so gewollt. Er war so. Der Mitbegründer des größten deutschen Discounters, der Wegbereiter eines neuen Handelsformates und reichste Deutsche stirbt, doch das Geschäft geht unverdrossen weiter. Nicht einmal kurz gerät die Verkaufsmaschine ins Stocken, keine Kämpfe ums Erbe lähmen den Konzern.

Seit Jahren war alles sorgsam vorbereitet für den Abgang Karls des Großen, der über ein Reich von fast 5000 Filialen in neun Ländern gebot. Auf 19 Milliarden Euro wird sein Vermögen taxiert, 38,51 Milliarden Euro Umsatz soll Aldi Süd 2013 eingespielt haben.

Chronologie: Der Aufstieg von Aldi

Aus einer kleinen Ladenstube in Essen haben Karl und sein 2010 verstorbener Bruder Theo Albrecht ein global agierendes Handelsimperium geschaffen und Deutschland, das Land der Dichter und Denker, auch in das Land des Discounts verwandelt. Die Aldi-Brüder haben dazu beigetragen, die Verbraucher über alle Gesellschaftsschichten hinweg auf „billig“ zu eichen. Das Aldi-Prinzip wurde kopiert und fand Einzug in andere Branchen.

Wie war ein solcher Siegeszug möglich? „Ich habe Glück gehabt, sehr viel Glück“, erklärte Albrecht in einem Gespräch mit der „FAZ“ wenige Wochen vor seinem Tod. Glück? Das mag bei aller Koketterie zum Teil sogar stimmen. Die Entdeckung des Erfolgsformates Discount gelang den Gebrüdern aus einer Krisensituation heraus.

Hingegen hatten der anschließende systematische Ausbau des Geschäfts und die Sicherung der Marktposition über Jahrzehnte hinweg nur wenig mit Zufall zu tun. Sieben schlichte Leitsätze lassen sich identifizieren, die das Fundament für Aldis Fabelaufstieg bilden. Sie sind eng mit den unternehmerischen Überzeugungen und der Persönlichkeit des Gründers Albrecht verwoben und taugen zugleich als generelles Raster für einen nachhaltigen Unternehmensaufbau.

1. Reduziere die Risiken!

Die Entwicklung des Discountkonzepts bescherte den Albrechts einen Ruf als Handelsrevoluzzer. Dabei wurde die Erfolgsidee aus blanker Not geboren. 1948 übernehmen Karl und Theo das im Krieg unbeschädigt gebliebene Lebensmittelgeschäft ihrer Mutter Anna in Essen und bauen eine kleine Ladenkette auf.

Mit dem Erstarken der Selbstbedienungs-Supermärkte werden die Nachbarschaftsläden jedoch zum Auslaufmodell. Die Albrecht-Kundschaft wendet sich ab. Die Handelsbrüder scheitern mit dem Versuch, eigene Supermärkte zu betreiben. Auch die Idee, Großmärkte für Gewerbetreibende aufzumachen – das spätere Modell der Metro – wird zum Flop.

Der vierte Anlauf ist schließlich der Volltreffer. Statt üppig bestückter Regale gibt es in den Läden nur ein karges Produktangebot, allerdings zu unschlagbar günstigen Preisen. Die Albrechts erfinden den Discount. Von der ersten Filiale im nordrheinwestfälischen Dinslaken aus revolutioniert das neue Verkaufsformat ab Ende 1961 im Sturm die Handelswelt.

Spartanisches Ladenambiente, Standardprodukte

Statt nun weitere Formate ins Rennen zu schicken, um den Erfolg zu wiederholen, schalten die Albrechts jedoch um und reduzieren systematisch die Risiken. Das erprobte Modell wird permanent verfeinert, aber nicht mehr radikal umgebaut.

Aldi gehört fortan nur noch selten zu den Händlern, die sich als Erste mit Innovationen auf den Markt wagen und dabei oft genug Millionenbeträge in den Sand setzen. Vielmehr ist das Management darauf konditioniert, den Markt genau zu beobachten und Konzepte zu adaptieren, die sich bei Wettbewerbern bewährt haben. Ideen werden gesichtet, getestet, perfektioniert und erst dann flächendeckend ausgerollt.

So führte Aldi Süd erst zur Jahrtausendwende jene Scanner-Kassen ein, die bereits seit den Achtzigerjahren zum Standard in Supermärkten gehören. Bis dahin mussten die Verkäuferinnen die Warencodes aller Produkte auswendig in ihre Kassen hacken. Parallel zur Einführung der neuen Aldi-Kassen wurden die Verpackungen angepasst und die Strichcodes gleich auf mehrere Seiten eines Artikels gedruckt, um die Kassiergeschwindigkeit noch mal zu steigern – wenn schon Neuerung, dann richtig.

Die Geschichte des Preiskönigs Aldi
Am 10. April 1913 eröffnete Karl Albrecht sen. in der Essener Huestraße 89 einen Tante-Emma-Laden. Im Sortiment die Dinge des täglichen Bedarfs wie Mehl, Zucker und Brot. Und diese erste Filiale steht bis heute - wenn auch mit einem größeren Angebot. Quelle: Gemeinfrei
Den heutigen Namen bekam der Discounter von den Albrecht-Söhnen Karl († 94) und Theo († 88), die das Geschäft ihres Vaters nach Kriegsende ausbauten. Wegen ihres Preiskonzepts nannten sie die 30 Filialen "Albrecht Discount" - kurz Aldi. Quelle: dpa
Die ersten Geschäfte der Albrecht-Brüder waren klein und im Stile eines Tante-Emma eingerichtet. Die Konkurrenzen durch Supermärkte zwang die Unternehmer zu Beginn der 1960er-Jahre zum Umdenken. Sie setzten zunehmend auf eine Niedrigpreis-Strategie. Um Kosten zu sparen, wurden in den Filialen zum Beispiel keine verderbliche Frischwaren mehr angeboten. Auch an der Einrichtung der Filialen und dem Personal wurde stark gespart. Quelle: AP
Um sich nicht in die Quere zu kommen, teilten die Aldi-Brüder ihr Geschäft in Nord (Theo) und Süd (Karl) auf. Nur in Gummersbach und Siegen gibt es Filialen von Aldi Nord und Aldi Süd. Quelle: Creative Commons
Aldi gehört heute zu den bekanntesten Marken Deutschland. Jeder dritte Deutsche kauft regelmäßig dort ein. Quelle: dpa
Bundesweit erreicht Aldi einen Umsatz von mehr als 26 Milliarden Euro. Außerdem gehört der Discounter zu Deutschlands zehn größten Textilhändlern. Quelle: dpa
Jedes sechste in Deutschland verkaufte Stück Obst kommt aus den Regalen von Aldi. Quelle: dpa

Ganz ähnlich agierte das Unternehmen auf anderen Feldern: Egal, ob beim Aufbau des Aktionsgeschäfts mit wöchentlich wechselnden Gebrauchsartikeln, beim Verkauf von frisch aufgebackenem Brot per Automaten oder bei der Expansion in neue Länder – Aldi wartet geduldig ab, ob eine Idee wirklich zündet. Erst dann wird mit voller Wucht zugeschlagen.

2. Verteidige den Markenkern!

„Was man erreichen muss“, verriet Karl Albrecht wenige Wochen vor seinem Tod, „ist, dass der Kunde den Glauben gewinnt, nirgendwo billiger einkaufen zu können.“ Gleich zu Beginn ihrer unternehmerischen Tätigkeit setzen die Gebrüder Albrecht auf den Preis als entscheidendes Einkaufskriterium und legen damit eine Markenstrategie fest, bevor es diese Werbevokabel überhaupt gab. In spartanischem Ladenambiente verkaufen sie Standardprodukte. Über die Jahre verändern sich zwar Ladengestaltung und Warenangebot, Artikel wie Computer, Reisen und Champagner kommen dazu. Doch die konsequente Niedrigpreispolitik behält das Unternehmen bei.

Die Folge: „Die Formel ‚Aldi gleich günstig‘ ist fest im kollektiven Bewusstsein der Deutschen verankert“, sagt Bianca Casertano, Handelsanalystin beim Brancheninformationsdienst Planet Retail in Frankfurt.

Das Billig-Image wird vom Management nach wie vor mit Verve verteidigt. Niemand unterbietet Aldi beim Preis, lautet denn auch das ungeschriebene Gesetz der Branche. Wer es dennoch wagt, muss mit gnadenlosen Gegenattacken rechnen.

Erst Anfang des Jahres untermauerte Aldi die Rolle als Preisführer. Mit einer Welle von Rotstiftaktionen bei Eiern, Kaffee und Fleisch sorgte der Discountprimus für Aufruhr in der deutschen Handelszunft. „Das ist Wertvernichtung“, schimpfte Rewe-Chef Alain Caparros. Für Aldi dürfte sich der Angriff trotzdem gelohnt haben. „Unsere ganze Werbung liegt im billigen Preis“, hatte Karl Albrecht schon 1953 postuliert.

Zugleich ist Aldi bei der Qualität der Waren kompromisslos. Ständig werden die Eigenmarken in Labors und bei unabhängigen Instituten kontrolliert. Fällt etwa ein Urteil der Stiftung Warentest negativ aus, wird es für den Hersteller ungemütlich.

Die Kunst des Weglassens

Natürlich versuchen auch die Wettbewerber, die Qualitätsstandards zu halten, schon um kostspielige und schlagzeilenträchtige Rückrufaktionen zu vermeiden. Doch hier kommt ein weiteres Kernmotiv des Aldi-Erfolgs zum Tragen. Während die Rivalen Tausende Artikel überwachen müssen, sind es bei Aldi deutlich weniger.

Wie Aldi groß wurde

3. Verringere die Komplexität!

Das Discountgeschäft gilt als Kunst des Weglassens – und Aldi hat es darin zu wahrer Meisterschaft gebracht. Das Sortiment verknappten die Gründer-Brüder anfangs radikal. Gerade mal 350 Artikel fanden sich in einer Filiale. Auch heute gibt es bei Aldi nicht vier oder fünf verschiedene Butter-, Waschmittel- oder Ketchupsorten wie bei der klassischen Supermarkt-Konkurrenz. Meist finden sich nur eine oder zwei Varianten.

Der Vorteil: Der Absatz konzentriert sich auf einzelne Artikel, deren Verkaufsvolumen steigt, was die Einkaufskonditionen verbessert. Die Logistik ist mit weniger Waren weniger aufwendig. Fehler bei Einkauf und Bestellung werden vermieden.

Zudem haben Karl und Theo Albrecht von Anfang an auf stark standardisierte Prozesse gesetzt. Von der Warenwirtschaft bis zum Ladenbau werden die Routine-Vorgänge nach strikten Regeln bearbeitet. Wer eine Aldi-Süd-Filiale kennt, findet sich als Kunde wie als Mitarbeiter schnell auch in einem anderen Markt zurecht. Weniger Komplexität im Geschäft bringt am Ende mehr: Mit einem Umsatz von 7900 Euro pro Quadratmeter Verkaufsfläche ist Aldi Süd der mit Abstand produktivste Lebensmittelhändler Deutschlands.

4. Halte das Geld zusammen!

Die Albrecht’sche Sparsamkeit ist legendär. Tatsächlich lebte Karl Albrecht für einen Multimilliardär bescheiden, wenn auch längst nicht so asketisch, wie mitunter kolportiert wird. Er bewohnte ein großzügiges Anwesen im Essener Stadtteil Bredeney. In den Siebzigerjahren kaufte der begeisterte Golfspieler den Öschberghof, ein malerisch gelegenes Wellnesshotel mit 27-Loch-Golfanlage. Dort, in der Nähe von Donaueschingen in Baden-Württemberg, fanden bisweilen auch die Familientreffen des Clans statt – zuletzt Anfang April. Chauffiert, so wird berichtet, wurde der 94-jährige Patriarch von seinem vertrauten Fahrer im S-Klasse-Mercedes mit langem Radstand, aber sparsamem Dieselmotor. Albrecht wohnte wie immer abgeschirmt in einer Villa, die per Tunnel mit dem Öschberghof verbunden sein soll.

Von der barocken Prachtentfaltung anderer Superreicher samt Yacht- und Privatjet- Exzessen blieb Albrecht jedoch stets weit entfernt. Öffentlich zur Schau gestellter Prunk war ihm ein Gräuel. Als Aldi-Manager ihrem Patron zum 90. Geburtstag ein Zirkus-Event nebst Galadinner spendierten, soll sich der Jubilar mit drei schlichten Sätzen bedankt haben: „Ich wollte nicht, dass ihr alle kommt. Ich habe Hunger. Und ich gehe bald wieder nach Hause.“

Die Manager hätten es wissen müssen: Zu den zentralen Erfolgsfaktoren des Unternehmens zählt seit jeher eine bis ins Skurrile anmutende Kostendisziplin.

Um Papier und Druckkosten zu sparen, hätten die Clanchefs jahrelang Briefbögen verwendet, auf denen die alte vierstellige Postleitzahl säuberlich durchgestrichen und durch die neue fünfstellige ersetzt wurde, erzählen Aldi-Veteranen gerne. Hochrangige Manager sollen gar eigens Bleistiftstummel in ihren Schubladen versteckt haben, um diese dann auf dem Schreibtisch zu platzieren, sobald ein Besuch des alten Herrn anstand.

Der Aldi-Äquator trennt das Land

Derlei Storys fügen sich nahtlos ins Bild eines gnadenlos auf Effizienz getrimmten Konzerns. Die Folge der Sparsamkeitsdoktrin: Unternehmerische Hybris, gewagte Expansionen, teure Übernahmen von Wettbewerbern oder prunkvolle Zentralen sucht man im Aldi-Reich vergebens. Der Gewinn wird solide in das Kerngeschäft investiert oder für schwere Zeiten gebunkert. Das Unternehmen leistet sich nur, was es bezahlen kann, üppige Kredite sind tabu.

5. Schaffe klare Strukturen!

Gut möglich, dass der Siegeszug von Aldi schon früh ins Stocken geraten wäre. Anfang der Sechzigerjahre konnten sich die Albrecht-Brüder angeblich nicht darüber einigen, ob Zigaretten ins Sortiment gehören oder nicht. Karl schlägt eine Trennung vor. Nach ein paar Tagen Bedenkzeit willigt Theo ein, Aldi wird aufgeteilt. Karl bekommt den Süden und schlägt sein Hauptquartier in Mülheim auf, Theo beackert fortan von Essen aus den Norden. Die Demarkationslinie, der sogenannte AldiÄquator, verläuft mitten durch Hessen und Nordrhein-Westfalen. Wie ihren Heimatmarkt steckten die Brüder später auch ihre Claims weltweit ab. Die Märkte in den USA, der Schweiz und Österreich fielen an Karl. Frankreich, Spanien und Polen werden dagegen von Aldi Nord aus Essen gesteuert. Zudem betreiben die Essener in Amerika die Handelskette Trader Joe’s.

Die frühere Grenzziehung tat dem Erfolg keinen Abbruch. Im Gegenteil: Die brüderlichen Unternehmen haben sich im lockeren Verbund wohl besser entwickelt, als es unter einem starren Dach je möglich gewesen wäre. Streitigkeiten, Kompetenzgerangel oder wachsweiche Kompromisse wurden vermieden, der Wettbewerb untereinander angestachelt.

Was die Brüder durch die Teilung vorexerzierten, wurde auch in die Unternehmen implementiert. „Eine glasklare Führungs- und Organisationsstruktur sowie operative Exzellenz“, macht der frühere Aldi-Süd-Manager Robert Peschke bei seinem ehemaligen Arbeitgeber aus. Peschke steuerte bis vor zwei Jahren den gesamten Verkauf innerhalb der Aldi- Regionalgesellschaft Langenfeld mit mehr als 1200 Mitarbeitern und einer halben Milliarde Euro Umsatz. Heute unterstützt er mit seiner in Dresden ansässigen Beratung DPMC Unternehmen aus dem Handels-, Produktions- und Konsumgüterbereich und greift dabei auf die Aldi-Prinzipien zurück.

Der Kern: Freiräume schaffen innerhalb exakt definierter Aufgabenbereiche und durchorganisierter Prozesse. Als theoretische Basis für den Aldi-Führungsstil sehen Managementexperten das Harzburger Modell. Die in den Sechzigerjahren entwickelte Methode folgt dem Grundsatz, Verantwortung an Mitarbeiter zu übertragen – sie dabei aber streng zu kontrollieren.

Im Aldi-internen Regelwerk wurden die Arbeitsbereiche lange Zeit bis hin zur Organisation der Schreibtische aufgedröselt. Es ist präzise festgelegt, wer in der Führungshierarchie vom Filialleiter bis zum Geschäftsführer über welche Themen zu bestimmen hat.

„Führungskräfte dürfen nicht nur, sie müssen entscheiden“, sagt Peschke. „Durchregieren oder Weiterreichen von Verantwortung werden konsequent verhindert.“ Erfolge wie Misserfolge sind so direkter messbar.

Grabenkämpfe ausgeschlossen

6. Sichere die Handlungsfähigkeit des Unternehmens ab!

Mit den Managementstrukturen auf das Engste verzahnt ist die sogenannte systemische Stabilität des Konzerns. Soll heißen: So leicht bringt den Handelsriesen nichts ins Wanken. Stets versucht das Unternehmen, mehrere Lieferanten für ein Produkt parat zu haben. Im Zweifel kann der Hersteller ausgetauscht werden, ohne die Warenversorgung zu gefährden. Derlei Unabhängigkeitsbestrebungen ziehen sich durch alle Bereiche und machen auch vor dem Personal nicht halt. Im Mittelpunkt des Geschäftsmodells stehe nicht die Einzelleistung eines oder mehrerer Top-Manager, sagt Experte Peschke. Mitarbeiter würden stets auch für die nächsthöhere Führungsebene ausgebildet. Die Konsequenz: Jeder Mitarbeiter ist im System Aldi ersetzbar. Das gilt letztlich wohl selbst für eine Galionsfigur wie Karl Albrecht.

7. Regele rechtzeitig das Erbe!

Dass für Familienunternehmen die Nachfolge- schnell zur Existenzfrage werden kann, zeigen Erbfolgekriege, wie sie jahrelang die Hamburger Kaffeedynastie Herz bei Tchibo ausfocht. Bei Aldi Süd scheinen derlei Grabenkämpfe ausgeschlossen. Mit Akribie und Vorausschau hat Karl Albrecht zu Lebzeiten geregelt, was zu regeln war. Bereits Anfang 1997 soll er laut „Spiegel“ für knapp 70 000 Mark acht Grabstellen im Feld 15 des städtischen Friedhofs in Essen Bredeney für sich und die Seinen gekauft haben. Schon vor Jahrzehnten balancierte er Aldis Eigentums- und Führungsstruktur so aus, dass auch im Todesfall der Fortbestand und die Unabhängigkeit des Unternehmens gesichert sind.

Operativ wacht ein Koordinierungsrat – vergleichbar einem AG-Vorstand – aus drei angestellten Managern über die Geschicke des Discounters. Kontrolliert wird das Führungsteam um Norbert Podschlapp von einem Beirat, bestehend aus drei Eigentümervertretern – Familiensprecher Peter Heister, seiner Frau Beate und Albrecht-Enkel Peter Max Heister – sowie drei externen Räten: Neben Ex-BASF-Chef Jürgen Hambrecht gehören Renate Köcher, Leiterin des Allensbacher Instituts, sowie der Wirtschaftsprüfer Jost Wiechmann dem Gremium an.

Zudem brachte Albrecht schon in den Siebzigerjahren den Großteil seines Vermögens in eine Familienstiftung ein: Die Siepmann-Stiftung – benannt nach dem Mädchennamen seiner Mutter – hält die Anteile an Aldi Süd. An ihrer Spitze steht Peter Max Heister, der über die Doppelfunktion in Stiftung und Beirat in Zukunft zum zentralen Aldi-Akteur werden könnte.

Die diffizile Konstruktion macht nicht nur einen Verkauf oder eine Zerschlagung von Aldi Süd faktisch unmöglich, sondern bringt auch finanzielle Vorteile: Erbschaftsteuern auf den Milliardenbesitz können gedrückt und über einen langen Zeitraum gestreckt werden.

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