WirtschaftsWoche: Herr Bronder, Sie selbst waren gerade zu Besuch bei den Olympischen Winterspiele in Sotchi. Welche Impulse bringt Olympia für die Skibranche?
Bronder: Ich war bei meinem Olympiabesuch sehr überrascht, dass alles trotz der Sicherheitsvorkehrungen sehr gut organisiert war. Wie ich auch in den Gesichtern der vielen, hoch motivierten Volontäre gesehen habe, war eine große Begeisterung bei allen Helfer und Besuchern der Spiele in Sotchi zu spüren. Ganz generell sind die Menschen in Russland sehr sportbegeistert. Allerdings ist der Ski-Markt dort noch sehr klein. Im Schnitt werden dort im Jahr 80.000 bis 90.000 Paar Alpin Ski verkauft, das ist noch nicht mehr als z.B. in Polen und auch keine große Steigerung gegenüber den letzten Jahren obwohl die Leute dort gern draußen sind. Das ist eine gute Voraussetzung für die weiteren Outdoor Marken in meinem europäischen Verantwortungsbereich innerhalb der Jarden Gruppe, dem US Konzern zu dem auch Völkl gehört. Und ich kann Ihnen sagen, dass bei unseren Fischereiartikeln in Russland im Winter die Post abgeht. In keinem anderen Land verkaufen wir im Winter bei minus 10, 20 oder 30 Grad so viele Angelprodukte wie in Russland.
Nun kommen die Leute ja nicht zum Angeln nach Sotschi – was fehlt, damit in Russland mehr Skier verkauft werden?
90.000 Paar Ski sind natürlich enttäuschend, vor allem wenn man sich anschaut, wie viele Russen jeden Winter in Kitzbühel Ski fahren. Oder schauen Sie sich Garmisch in der ersten oder zweiten Woche nach Weihnachten an oder Gstaad und St. Moritz. Die Russen kaufen wohl dort im Urlaub ihre Bretter, anders kann ich mir das nicht erklären, denn ich sehe immer mehr Russen beim Skifahren. Nur eben nicht auf den eigenen Bergen sondern in Österreich, der Schweiz und in Italien.
Warum nicht?
Es fehlen in Russland ganz klar Resorts, die attraktiven Skiorte. Sie können zwar zehn Autominuten vom Kreml entfernt auf einem Hügel Ski laufen, da gibt es mehrere Lifte und sternförmig angelegte Pisten, abends auch mit Flutlicht, wo es richtig rummelig zugeht. Aber echte Skiorte gibt es viel zu wenig. Insofern werden die Milliarden-Investments rund um Sotschi dem Skitourismus in Russland womöglich auf die Sprünge helfen.
Aber zu welchem Preis – Umweltschützer, enteignete Einwohner der Stadt und ausgebeutete Bauarbeiter werfen einen tiefen Schatten auf diese Protz-Spiele?
Die Kritik muss ernst genommen und Missstände korrigiert werden. Aber eines sollte man dabei bedenken – schauen Sie sich mal die französischen Retortenorte an, die Mitte der 70er Jahre in die Berge gepflanzt worden sind – ökologisch astrein war das auch nicht gerade. In Japan, Korea oder auch in China ist das auch nicht viel anders. Aus touristischen und sportlichen Gründen möchte der russische Staat dort ein Resort anlegen. Und es wird in den kommenden Jahren aufschlussreich sein, genau zu verfolgen, wie es in Sotschi nach den Spielen weitergeht.
Nun hat sich ausgerechnet Peking für die Ausrichtung der Winterspiele 2022 beworben – mal ganz abgesehen von allem, was man an dieser Bewerbung so alles absurd finden kann – wie steht denn der chinesische Skimarkt im Vergleich zum russischen da?
Die Chinesen haben im Prinzip das umgekehrte Problem der Russen: Dort gibt es tatsächlich schon viele ausgebaute Skiresorts mit einer guten Infrastruktur, die in den vergangenen zehn Jahren gebaut worden sind. Aber es gibt dort noch kaum Skifahrer. Der Markt hat ein echtes Volumen von gerade mal 40.000 Paar verkauften Brettern. Und das liegt daran, dass in China so gut wie niemand wirklich Ski fährt. Was die Russen schon können, müssen die Chinesen erst noch lernen. Deshalb setze ich eher auf die kurzfristige Entwicklung des russischen Marktes. Hoffnungen setze ich auch – nicht nur für Marker Völkl bzw. K2, sondern auch für unsere anderen Jarden Ourdoor Marken, wie Marmot, Campingaz, Coleman und zahlreichen Fischereimarken- auf die übrigen osteuropäischen Märkte wie Polen, Tschechien, die Slowakei und auch Bulgarien. Dort investieren wir schon lange, wir glauben an diese Märkte.
"Der Skimarkt wird immer kleinteiliger"
Deutschland erlebt gerade einen weitgehend schneefreien Winter - wie hat sich der weltweite Skimarkt entwickelt?
Weltweit haben Skifahrer im vergangenen Jahr etwas mehr als drei Millionen Paar Ski gekauft. Das ist ein leichtes Plus gegenüber dem Vorjahr, und die Branche ist froh, dass sich ein Aufwärtstrend abzeichnete. Nach der aktuell guten Schneesituation in Nordamerika und Asien rechne ich damit, dass diese Zahl weltweit gehalten wird. Stärkster Skimarkt der Welt bleiben die USA mit rund 600.000 verkauften Paar Ski. Das sind etwa doppelt so viele wie in Deutschland.
Wie schlägt sich Völkl in dem Umfeld?
Völkl hat sich positiv entwickelt und wir haben unsere Position als eine der drei Top-Skimarken auf der Welt ausbauen können. In den USA liegen wir hinter unserer Schwestermarke K2 nach Marktanteilen auf Rang zwei.
Nachdem vor mehr als zehn Jahren mit Carving-Skiern eine echte Innovation auf den Markt kam, die massentauglich war, splittet sich der Markt heute eher auf in viele Nischen – woran liegt das und welche Folgen hat das für die Branche?
Der Skimarkt ist in den vergangenen Jahren bedeutend kleinteiliger geworden durch eine Vielzahl von Spezialangeboten wie Freeride-Skier und spezielle Tourenski. Das sind Nischen, die man als Marke bedienen muss, wenn man weiter im Geschäft bleiben und oben mitmischen will. Angesichts der notwendigen Investitionen setzt das aber eine Mindestproduktion von etwa 400.000 Paar produzierten Ski im Jahr voraus, sonst wird es eng. Angesichts dieser Entwicklung rechne ich im Skimarkt auch in diesem Jahr damit, dass einzelne Marken aufgekauft werden oder verschwinden. Die Konzentration unter den Herstellern wird weiter zunehmen.
Völkl ist der einzige verbliebene große Skihersteller in Deutschland – können Sie überhaupt noch mit den Niedriglohnländern mithalten?
Auf jeden Fall – wir hatten vor einigen Jahren die Produktion von Kinderski, einige Freeskier-Modellen und von Snowboards in unser Werk in China ausgelagert. Wir haben dann aber festgestellt, dass wir etwa besonders widerstandsfähige Leihski oder hoch anspruchsvolle Freeski-Modelle besser in Straubing herstellen können. Wir haben in unsere Fertigung in Straubing investiert und diese zu einem Teil auf Roboter umgestellt, Abläufe optimiert und die Arbeitszeitflexibilisierung erhöht. Dadurch sind wir auch bei den Fertigungskosten durchaus mit China konkurrenzfähig, nicht zuletzt, weil es allgemein in den Billiglohnländern in der Vergangenheit auch ordentliche Lohnsteigerungen gegeben hat.
Völkl bietet Ski für alle Typen von Skifahrern an, unter ihrer Marke für Skibindungen verkaufen Sie mittlerweile unter anderem auch Helme und Stöcke. Wann kommen die ersten Skischuhe aus Ihrem Hause?
Wir stellen derzeit fest, dass sich der Markt für Skischuhe entkoppelt hat vom Skimarkt – der für Schuhe liegt bei rund 3,4 Millionen Paar, der für Ski bei rund 3 Millionen. Früher bewegten sich diese Märkte im Gleichschritt. Wir beobachten diese Entwicklung sehr genau.
"Freeriden ist der nächste Großtrend"
Mau sieht es dagegen laut Händlern bei Snowboards aus – konnte sich Völkl da abkoppeln vom Trend?
Snowboards haben im vergangenen Jahr in den sonst eigentlich starken Ländern wie in den USA und Kanada, wo das Verhältnis zwischen Snowboards und Skiern bei fast 50 zu 50 liegt, zweistellige Prozentsätze verloren. Was die Gründe dafür sind, das versuchen wir gerade herauszufinden.
Steigen die Snowboarder um auf Rocker- oder Twintip-Ski, mit denen man ja auch ganz gut springen oder über Rails fahren kann?
Das müssen wir sicherlich beobachten. Womöglich waren es auch schlicht zwei schlechte Winter, in denen sich nur weniger Leute ein neues Board kaufen wollten. Diese jungen Snowboarder haben eher nicht so viel Geld zur Verfügung, die überlegt sich das zwei- oder dreimal, ehe sie sich ein neues Brett leistet. Mit Völkl Snowboards konnten wir uns immerhin zum Glück ein Stück weit von dem negativen Trend absetzen, gehören im Snowboardmarkt aber auch nicht zu den ganz Großen, wo unsere Schwestermarken K2 und Ride an erster Stelle stehen.
Was bieten Sie dem trendigen Nachwuchs denn stattdessen?
Wir sind neben unserer Schwestermarke K2 Ski ganz vorn mit dabei beim Thema Freeriden. Das ist für die Branche mittlerweile durchaus so etwas wie ein Großtrend. Und das setzt sich fort in andere Bereiche: Freerider werden auch älter und finden immer mehr Spaß am Touren gehen. Allerdings wollen sie breitere Tourenski als die klassischen Tourengehern, damit sie damit den Berg hinuntersurfen können. Für diese Leute haben wir eine komplett neue Kollektion entwickelt, die heißt Big Mountain Touring, die Freeriden und Touren-Gehen kombiniert, mit perfekten Fellen und dem richtigen Set-up von der Bindung her. Das sind besonders leichte Karbon-Modelle, die wir V-Werk genannt haben und die dieses spezielle Klientel ansprechen.
Trends zu erkennen und die entsprechenden Produkte schnell zu entwickeln, zu produzieren und auf den Markt zu bringen kostet eine Menge Geld – steigen durch die Zunahme von Ski-Nischenmärkten nicht auch für Sie die Kosten sehr stark?
Im Skibau sind die Kosten pro Produkt relativ überschaubar. Alles basiert beim Bau auf Aluminiumformen, die wir selbst herstellen können. Deshalb wird bei uns auch nie in der Entwicklungsarbeit gekürzt. Wir brauchen die Kapazität dieser schlauen Völkl-Köpfe dringend, um aus ihren Ideen die besten Produkte zu machen. In der Produktion selbst ist es bezahlbar, wenn man die Variantenvielfalt erhöht. Wir haben Maschinenstraßen in unserem Werk in Straubing, die sich bei kleineren Serien automatisch in einer Minute umstellen. Aber es ist richtig, die Nischenvielfalt führt zu einer logistischen Herausforderung, die man professionell managen muss. Das geht bis in die Lagerplätze – wir brauchen mehr Plätze, eben weil wir mehr Varianten haben.
Gleichzeitig steigt der Anteil an Skiläufern, die gar keine Ski mehr kaufen sondern nur noch leihen – wie reagieren Sie darauf?
Diesen schon mehrjährigen Trend erleben wir in jedem Markt anders. In Deutschland liegt der Anteil der Leihski gerade bei rund 20 Prozent. In Österreich liegt der wegen dem Wintertourismus schon deutlich darüber bei ca. 60 Prozent. Deutlich höher ist der Anteil sogar noch einmal in Frankreich mit 65 -70% Prozent. Auf der anderen Seite heißt Leihski nicht automatisch Billigski – wir haben mit dem Verleih und Sportfachhandel ganz neue Konzepte entwickelt, bei dem sich Kunden immer häufiger einen besseren, einen Fünf-Sterne-Ski leisten statt nur Zwei-Sterne-Bretter. Davon profitiert der Verleiher genau wie wir – und dem Kunden macht das bessere Brett hoffentlich auch mehr Spaß und sie leihen sich unsere Ski, um sie dann zu kaufen. Aber natürlich ist es ein Fakt, dass durch den Verleih längst nicht mehr jeder sich ein Paar Ski in den Keller stellt. Das wird immerhin ein Stück weit durch den Trend zu Zweit- oder gar Drittski, wie Freeski oder Tourenski aufgewogen.