
Den ersten Kick gibt’s schon beim Schritt über die Ladenschwelle. Nein, nicht einen Kick. Kicks. 35 sogar, sagt der blaue Kreis auf dem Smartphone-Display. Das ist mein Lohn. Dafür, dass ich in die Fußgängerzone gegangen bin. Dafür, dass ich Saturn aufgesucht habe. Dafür, dass ich nicht bei Amazon bestellt habe.
Kicks sind die Währung der App Shopkick, die sich vor knapp drei Monaten anschickte, den stationären Handel aufzurollen. Das Smartphone-Programm belohnt Kunden dafür, dass sie ihre Zeit im Geschäft verbringen, Läden betreten und sich mit Produkten beschäftigen. Wer genug Kicks, also Prämienpunkte, gesammelt hat, kann sie gegen Gutscheine eintauschen.
Die wichtigsten Informationen zu Shopkick
Shopkick ist eine Art Loyalitäts- oder Kundenkarte als Smartphone. Sie verspricht Nutzern Prämien für den Einkauf. Die App nutzt Ultraschalltechnologie und das iBeacon-System von Apple, um die Handlungen des Nutzers zu erfassen. Sobald ein Shopkick-Nutzer einen Partner-Laden betritt, nimmt die App in jedem Laden für das menschliche Gehör nicht wahrnehmbare Ultraschallsignale auf, und der Kunde sammelt so automatisch Bonuspunkte, genannt „Kicks“. Auch durch das Scannen von Barcodes oder In App-Käufe können Händler über shopkick Anreize setzten. Zudem werden in der App Angebote aus den teilnehmenden Läden in der Umgebung angezeigt.
Quelle: Unternehmensangaben / Recherche
Stand: Januar 2015
Für verschiedene Handlungen der Kunden vergibt Shopkick unterschiedlich viele Belohnungspunkte in Form von Kicks. Die lassen sich später in Gutscheine der teilnehmenden Händler einlösen. Für eine Gutscheinkarte in Höhe von 5 Euro sind 1250 Kicks nötig. Wer einen Gutschein über 25 Euro will, braucht 6250 Kicks. Das Betreten eines Ladens bringt 35 Kicks und damit etwa 14 Cent. Für das Scannen bestimmter Produkte gibt es in der Regel 20 Kicks – oder 8 Cent.
Nach eigenen Angaben hat Shopkick allein in den USA rund zehn Millionen aktive App-Nutzer. Laut Nielsen ist es damit die Shopping-App in der physischen Welt mit den meisten aktiven Nutzern (mehr Nutzer als bspw. Walmart-App), und der höchsten Nutzungsdauer mit 1 Stunde 50 Minuten pro Monat.
In Deutschland nutzen derzeit rund 110.000 Shopper die App pro Woche.
Weil Shopkick die Kunden über die Prämien und das Anzeigen von Läden in der Umgebung in die Geschäfte lockt, soll der Umsatz im stationären Handel angekurbelt werden. Zudem verspricht Shopkick, die Kundenbindung zu erhöhen und den Kunden zu ungeplanten Spontankäufen zu animieren. Durch den Einsatz der App seien die Verkaufszahlen in den USA seit dem Launch im Jahr 2010 bei den Partnern um eine Milliarde gestiegen.
In den USA kooperiert Shopkick mit 15 Einzelhändlern, darunter Best Buy, Target, Macy's und Old Navy. Zudem können Produkte von mehr als 150 Marken gescannt werden, darunter Procter & Gamble, Nestlé, L‘Oreal, Samsung und Pepsi.
In Deutschland hat Shopkick deutlich weniger Partner im Einzelhandel. Die App funktioniert in ausgewählten Geschäften von Douglas, Gravis, Karstadt, Media Markt, OBI, Penny, POCO und Saturn an rund 3.600 Standorten in Deutschland. Markenartikelpartner in Deutschland sind Procter & Gamble, Coca Cola und Henkel. Zuletzt gab Shopkick bekannt, in Zukunft auch mit Nestle zusammenzuarbeiten.
In den USA, wo Shopkick mit vielen großen Einzelhändlern und Herstellern zusammenarbeitet, ist die App bereits zu Einkäufers Liebling geworden. Für die leidgeprüften Händler in den Einkaufsstraßen und Shopping-Zentren soll sie kleine Wunder vollbracht haben.
"Unsere Daten für den US-Markt zeigen, dass jeder Konsument, der Shopkick nutzt, zwischen 50 und 100 Prozent mehr Geld im Laden ausgibt, als zuvor", erklärt Peter Thulson, bei Shopkick zuständig für das Geschäft in Deutschland. "Seit dem Start in den Vereinigten Staaten 2010 haben wir mehr als eine Milliarde Dollar an Umsatz für unsere Kunden generiert."
Bei den vollmundigen Versprechen waren die Erwartungen an den Start von Shopkick in Deutschland hoch. Seit Oktober 2014 arbeitet der App-Betreiber mit großen Händlern wie Douglas, Mediamarkt, Saturn und Herstellern wie Henkel, Coca-Cola und bald auch Nestle zusammen. Jetzt hat der Dienstleister erstmals Nutzer-Zahlen vorgelegt. Sie klingen nach Erfolg.
Halbe Million Shopkick-Nutzer
530.000 Mal ist die App seit Oktober auf deutsche Smartphones mit Apples iOS oder dem Android-Betriebssystem geladen worden. "Das ist ein guter Start für die Shopping-App", urteilt Jonas vor dem Esche, Konsum-Experte vom Digitalization Think:Lab der Universität Münster. Der Branchenkenner verweist aber auch auf das große Medieninteresse zum Start und die werbewirksame Partnerschaft mit ProSiebenSat.1.
Der Hype hat offenbar viele neugierig gemacht. Von der halben Million Deutsche, die die App heruntergeladen haben, nutzen etwa 110.000 die App tatsächlich regelmäßig – das heißt mindestens einmal in der Woche. Das ist allerdings nur ein Bruchteil der mehr als 40 Millionen Smartphone-Nutzer in Deutschland.
Die Frage nach der Diskrepanz lächelt Peter Thulson weg. "Wenn Sie im Mobilbereich arbeiten, wissen Sie, dass die größte Herausforderung nicht die Downloads sind, sondern die Bindung", sagt der Shopkick-Verantwortliche. Er sei stolz, dort schon ein "gesundes Level" erreicht zu haben.
Deutsche sind Sparfüchse und Punktesammler
Tatsächlich überrascht es kaum, dass die Zahl derjenigen, die die App nur kurz testen und dann wieder löschen, groß ist. "Honeymoon-Effect" sagt Experte vor dem Esche dazu. Der Flitterwocheneffekt. "Anfangs ist alles neu und interessant, doch dann stellt sich schnell Routine ein. Kann der Dienst dann keinen echten Mehrwert bieten, wird er von den Konsumenten nicht mehr genutzt."
Welche Kundenkarten die Deutschen nutzen
Miles & More
Neun Prozent der Befragten sammeln Meilen mit der Karte von Miles & More. Eintauschen kann man die Meilen unter anderem gegen ein Duftkerzenset, Uhren, Vergünstigungen auf Koffer, eine Action-Kamera oder Bose-Lautsprecher. Auch Flugreisen und Upgrades in die nächsthöhere Klasse können sich Vielflieger im Besitz einer Miles-&-More-Karte erarbeiten. Weltweit nutzen etwa 25 Millionen Menschen das Programm.
Quelle: TNS Emnid, Statista, eigene Recherche
Shell Clubsmart
Shell Clubsmart verspricht seinen Mitgliedern, Punkte beim Tanken oder Einkaufen an Shell-Tankstellen zu sammeln. Eine clevere Idee - denn tanken müssen alle Autofahrer - die meisten in relativ regelmäßigen Abständen. Einlösen kann man die gesammelten Punkte gegen Lebensmittel und Getränke, Autowäschen, kleinere Haushaltsgeräte vom Bohrer bis zum WMF-Messerblock, aber auch ADAC-Gutscheine und sogar eine Umwandlung von Punkten in eine Spende an die DKMS (Deutsche Knochenmarkspenderdatei) werden angeboten. 12 Prozent der Befragten nutzen die Karte.
Tchibo Privat Card
Tchibo-Kunden sammeln keine Punkte, sie sammeln "TreueBohnen" - sofern sie im Besitz der Tchibo Privat Card sind. Die Bohnen können gegen Prämien eingelöst werden. Nutzer der Privat Card können außerdem die Produkte der "Themenwelten", wie Tchibo sein wöchentlich wechselndes Angebot an Gebrauchsartikeln nennt, online früher bestellen als die anderen Kunden. 12 Prozent der Umfrageteilnehmer gaben an, eine Tchibo-Kundenkarte zu besitzen.
DeutschlandCard
Die DeutschlandCard nutzten 20 Prozent der Umfrageteilnehmer. Die DeutschlandCard-GmbH gehört zum Bertelsmann-Tochterunternehmen arvato. Nutzer können für ihre Einkäufe und Zahlungen an Dienstleister Punkte sammeln. Zu den teilnehmenden Unternehmen gehören Edeka (nur teilweise!), Esso, L´Tur, die Deutsche Bank, Apotheken der Kette "gesund leben", porta-Möbelhäuser, aber auch RWE und die Schülerhilfe sowie der Reiseshopping-Sender Sonnenklar TV.
Ikea Family Card
Der schwedische Möbelriese ködert seine Kunden nicht nur mit Prämien, sondern auch damit, dass Besitzer der "Ikea Family Card" auf dem Heimweg mit dem Auto nicht um ihren neuerworbenen Spiegelschrank bangen müssen. Inhaber der Ikea Family Card bekommen - neben Rabatten auf ausgewählte Artikel - nämlich auch Transportschäden ersetzt. Wer sich nach einem Besuch in der Duftkerzenabteilung noch zu benebelt fühlt, um den Heimweg anzutreten, der bekommt mit der Ikea-Kundenkarte im Ikea-Restaurant einen Gratis-Kaffee. 20 Prozent der Befragten besaßen eine Ikea-Kundenkarte.
Payback
"Haben Sie eine Payback-Karte?" Diese Frage, vom Kassenpersonal im Drogerie- oder Supermarkt heruntergeleiert, dürfte wohl jedem bekannt sein. In einer TNS-Emnid-Umfrage gab fast die Hälfte der Befragten (46 Prozent) an, eine Payback-Karte zu haben. Bei einem Einkauf im Laden werden dem Betreiber Payback GmbH Daten wie die Kundennummer des Karteninhabers, Datum, Filiale des Geschäfts, Umsatz und (allerdings nicht von allen Mitgliedsunternehmen) auch Codes für die gekauften Warengruppen übermittelt. Aber auch bei Online-Einkäufen kann die Payback-Karte genutzt werden. Für die Einkäufe werden den Kunden Punkte im Wert von 0,5 bis 4 Prozent der Einkaufssumme gutgeschrieben. 1 Punkt entspricht dabei 1 Cent. Die Punkten können gegen Prämien eingetauscht werden. Zu den über 600 Unternehmen, die mit Payback zusammenarbeiten, gehören unter anderem Aral, Dm, Rewe, Kaufhof, Real, WMF, Runner´s Point, eBay und Zalando.
Die Nutzer bei der Stange zu halten wird die große Herausforderung. Das Potenzial, auch hierzulande zum Erfolg zu werden, hat Shopkick. Die Voraussetzungen stimmen. Deutschland ist das Land der Sparfüchse und Punktesammler. Allein bei der beliebtesten Treuekarte, Payback, machen insgesamt rund 20 Millionen Deutsche mit. Weitere Millionen sammeln Bonuspunkte mit der Deutschland-Card, Miles & More oder bei Ikea. Auf diese Schnäppchenjäger hat es auch Shopkick abgesehen.
"Wäre ich Payback, würde ich mir langsam Gedanken machen", sagt vor dem Esche. Denn Shopkick trumpft auf, wo die klassischen Rabattkarten traditionell schwächeln. Die Bedienung geht leicht von der Hand, die Jagd nach den Rabatten ist spielerisch und weniger bieder als bei den klassischen Kundenkärtchen. Und die App ist mehr als eine Rabattkarte. Sie ist ein Navigationssystem durch die Einkaufswelt – und gilt als Blick in die Zukunft des Handels.