Smartphone Shopping-Apps sollen den stationären Handel stützen

Shopping-Apps, die den Standort des Konsumenten berücksichtigen, sollen Kunden aus dem Internet in die Einkaufsstraßen locken. In Köln haben Händler und Kunden über zwei Monate die Möglichkeiten der Technik getestet.

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Digitalisierung des stationären Einzelhandels. Quelle: Getty Images

Kann das Smartphone Kunden weg vom heimischen PC und in die Innenstädte locken? Die Kölner Viertel Sülz und Klettenberg waren Teil eines großangelegten Feldversuchs. Gemeinsam mit mehreren Partnern, darunter mehr als 80 Einzelhändler, Rewe Systems und Fraunhofer FIT, haben die Gelben Seiten das Smartphone innerhalb der Viertel zum Empfänger von Shopping-Tipps und zur Rabattkarte gemacht.

Anders als in der Durlacher Einkaufsstraße, die die Gelben Seiten im April dieses Jahres ein verkaufsoffenes Wochenende lang digitalisiert hatten, zielte der Versuch in Köln darauf ab, Ergebnisse für einen langfristigen Zeitraum zu liefern. Insgesamt acht Wochen, vom 10. September bis zum 5. November, lief das Experiment.

Die teilnehmenden Händler, darunter vier Rewe-Filialen, wurden kostenfrei mit virtuellen Umkreisen ausgestattet. Nähert sich ein Smartphone-Nutzer einem Geschäft, der die Gelbe-Seiten-App installiert und Bluetooth sowie die Ortungsdienste aktiviert hat, erhält er vom Händler automatisiert Text- und Bildnachrichten, Coupons oder QR-Codes.

Die beliebtesten Händler in Deutschland

Location-based Services (LBS) heißen die Tools, die das ermöglichen. Zu Deutsch: standortbezogene Dienste. Das Smartphone dient dabei als Sender und Empfänger.

Insgesamt wurden im Zeitraum 45.000 Nachrichten verschickt, das entspricht 800 Nachrichten täglich. Gelesen haben teilnehmende Nutzer davon 5500, was 100 pro Tag entspricht. Stephan Theiß, Geschäftsführer der Gelbe Seiten Marketing Gesellschaft, zeigt sich mit dem Ergebnis zufrieden: „Zwölf Prozent aller Nachrichten haben die Teilnehmer betrachtet, das ist ein hervorragender Wert. Bei den Nutzern findet LBS eine sehr hohe Akzeptanz.“

Gegenüber dem Versuch in Durlach haben die Gelben Seiten und ihr Partner Bitplaces einige Optimierungen vorgenommen: Erstmals wurden in 67 Läden Beacons im Eingangs- und Kassenbereich der Läden eingesetzt, die es ermöglichen, nachzuvollziehen, ob Teilnehmer wirklich eine Filiale betreten und wie lange sie sich dort aufhalten. Erkenntnisse, die die Gelben Seiten auch schon in Durlach gewannen, konnten so verifiziert werden.

„Es gibt signifikante Auffälligkeiten bei bestimmten Angeboten. Händler, die etwa Worte wie ‚Schnäppchen‘, ‚Rabatt‘ oder ‚Angebot‘ in ihren Push-Nachrichten verwenden, locken mehr Kunden in ihre Läden“, so Patrick Hünemohr, Sprecher der Greven Medien GmbH & Co. KG, die ebenfalls an der Umsetzung des Feldversuchs beteiligt war. Wichtig sei es zudem, Rabatte zu wählen, die groß genug sind, die Kunden zu locken. Auch zeitlich begrenzte Angebote erhöhten die Frequenz.

Eine weitere Verbesserung gegenüber Durlach: Eine Kartenfunktion wurde in die Gelbe-Seiten-App implementiert, sodass der Nutzer sich bis zum Geschäft führen lassen kann, erhält er ein Angebot, das ihn interessiert.

„Im Laufe des nächsten Halbjahres soll der Nutzer zudem seine Interessengebiete in die App hinterlegen können“, sagt Theiß von der Gelbe Seiten Marketing Gesellschaft. So kann jeder individuell angeben, welche Angebote ihn konkret interessieren. Sucht er etwa nach Schuhen und gibt das an, würde er keine Angebote mehr von Lebensmittelhändlern erhalten.

Wie die Umsetzung bei Rewe aussah

Neben diversen Einzelhändlern experimentierte auch die Lebensmittelhandelskette Rewe in den beiden Kölner Vierteln damit, über das Smartphone Kunden zu locken. Köder war ein Gutschein über fünf Prozent des Einkaufswerts – vorausgesetzt der Einkaufspreis lag über 40 Euro und der Kunde hatte die Gelbe-Seiten-App installiert.

„Uns ging es darum, herauszufinden, inwiefern sich das Digitale in den stationären Lebensmittelhandel hinein fortführen lässt“, sagt Jens Siebenhaar, Geschäftsführer von Rewe-Systems, das innerhalb der Rewe-Gruppe für IT-Lösungen zuständig ist.

Auch wenn die Auswertung der Ergebnisse für Rewe im Detail noch aussteht, lasse sich schon jetzt feststellen, dass der Einsatz von LBS-Technologien positiv auf die Verweildauer und die Abverkaufszahlen gewirkt hat. „Abschließend können wir aber noch nicht bewerten, in welchem Maße wir das hochrechnen können, schließlich haben wir nur eine sehr kleine Fallzahl, die zugrunde liegt“, sagt Siebenhaar.

Die beliebtesten Händler der Deutschen
Das Logo des Parfümerie- und Handelskette "Douglas" Quelle: dpa
Das Aldi-Logo Quelle: REUTERS
Eine Kaffeetasse in einer Tchibo-Filiale vor einem Produktregal. Quelle: dpa
Ansicht des Logos und des Schriftzugs der Drogeriemarktkette Müller Quelle: dpa
Eine Kundin schiebt in einer Rossmann-Filiale einen Einkaufswagen. Quelle: dpa
Ein Kugelschreiber mit der Aufschrift "Otto...find ich gut." Quelle: dpa
Eine Verkäuferin ordnet die Buchauslagen in einer Thalia Filiale Quelle: dpa

Insgesamt zeigt sich Siebenhaar noch vorsichtig bei LBS. „Mit solchen Technologien stehen wir noch ganz am Anfang“, sagt er. Gerade die Befürchtung mancher Kunden, ausgeleuchtet zu werden, sei etwas, womit Rewe aufmerksam umgehen wolle. „Voraussetzung ist immer eine freiwillige Teilnahme der Kunden.“

Dass die Kunden sensibel sind, was die Weitergabe ihrer Daten betrifft, hat eine Befragung der Technischen Hochschule Köln während des Feldversuchs gezeigt. „Drei Viertel der Befragten haben angegeben, sie überlegten sich genau, wem sie Daten weitergeben“, sagt Simone Fühles-Ubach, Dekanin der Fakultät für Informations- und Kommunikationswissenschaften an der TH Köln. „Die Mehrheit fühlt sich allerdings auch nicht bedroht.“

Trotz dieser Erkenntnis bleibt Siebenhaar vorsichtig. „Die Technik funktioniert grundsätzlich gut. Ob wir weitere Schritte gehen werden, hängt von der endgültigen Auswertung ab.“

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