
Der Onlinehandel wächst weiter. Doch auch der Konkurrenzdruck steigt – und die Ansprüche der Kunden. Für die Verkäufer wird das zu einem echt Problem. Denn läuft etwas bei der Lieferung schief, hält kaum ein Käufer seinem Onlinehändler die Treue. Die Alternative ist schließlich nur wenige Klicks entfernt.
Fast zwei Drittel aller Kunden sind bereit, beim nächsten Mal einfach in einem anderen Shop zu bestellen. Das geht aus einer aktuellen Studie des Software-Unternehmens JDA hervor, die der WirtschaftsWoche Online vorab vorliegt. „Die bittere Wahrheit ist, Loyalität gibt es nicht mehr“, sagt Dirk Homberg, Handelsexperte bei dem Anbieter von Handels- und Lieferketten-Software. „Für den Kunden ist nur wichtig, wie die Produkte zu ihm kommen.“
Stolpersteine gibt es auf dem Weg vom Händler zum Kunden nach Hause offenbar genug. Im Auftrag von JDA haben die Meinungsforscher von YouGov mehr als 2000 Kunden befragt und eine Top-Liste der größten Nervfaktoren für Lieferungen von Onlinehändlern zusammengestellt.
Die größten Probleme bei Lieferungen von Onlinehändlern
14 Prozent der Befragten erhielten in den vergangenen zwölf Monaten mindestens einmal keine Ware, obwohl Händler oder Zusteller eine erfolgreiche Zustellung meldeten
Die falsche Ware erhielten im vergangenen Jahr 17 Prozent der Befragten
24 Prozent der Befragten ärgerten sich über beschädigte Ware
Mehr als ein Viertel der Befragten (26 Prozent) klagten darüber bestellte Waren gar nicht bekommen zu haben
45 Prozent der Befragten gaben an, dass bei ihnen in den vergangenen zwölf Monaten die Karte mit dem Hinweis auf "verpasste Anlieferung" in den Briefkasten eingeworfen wurde, obwohl sie zu Hause waren
Bei 48 Prozent der Befragten kamen Lieferungen später an als angekündigt
Die Studie entstand im Auftrag für JDA Software, einen führenden Anbieter von Lösungen für die Bereiche Supply Chain, Produktionsplanung. Für die Auswertung wurden 2042 repräsentativ ausgewählte Verbraucher zwischen 16 und 64 Jahren aus Deutschland befragt. Die Erhebung erfolgte online im April 2015 und wurde von dem unabhängigen Meinungsforschungsinstitut YouGov durchgeführt.
Demnach klagt fast die Hälfte aller Kunden darüber, dass die Online-Lieferungen zu spät kamen. Bei vielen lag statt des Päckchens nur eine „Nicht zustellbar”-Nachricht im Postkasten – obwohl die Empfänger zu Hause waren. Auch beschädigte und nicht oder falsch gelieferte Ware sorgt für Kundenfrust.
Amazon-Effekt trifft andere Onlineshops
Dabei hat vor allem US-Händler Amazon die Latte bei Kunden- und Lieferservice so hoch gelegt, dass manch anderer Onlineshop nicht mithalten kann. Für Homberg liegt die Ursache vieler Probleme darin, dass Deutschlands Händler die Herausforderungen des Onlinehandels nur mühsam meistern.
Insbesondere stationäre Händler hätten mit dem Versand Probleme. So seien die Warensysteme im Hintergrund noch immer darauf ausgelegt, vor allem die eigenen Filialen zu beliefern, nicht aber für Onlinebestellungen, Click & Collect oder taggleiche Lieferungen. „In England und Amerika waren die Händler viel früher bereit, ihre komplette Lieferkette an die Herausforderungen des Onlinehandels anzupassen. Die Deutschen zögern da bis heute.“ Das führe zu langsamen Reaktionszeiten und ungenauen Informationen über die Warenverfügbarkeit.

Nicht für alles was schief läuft, tragen aber die Händler die Verantwortung. Lieferdienste wie DHL und UPS ächzen nachweislich unter der Paketflut. Enge Lieferpläne, lange Touren, gestresste Mitarbeiter und ein hoher Kostendruck lassen die Zahl der Fehler und Probleme steigen. Zwar investieren die Kurdienste Milliarden in den Ausbau ihrer Strukturen. Der Paketflut werden sie jedoch nur langsam Herr.
Während Händler und Lieferdienste noch mit den Grundlagen für einen reibungslosen Onlinehandel ringen, wächst der Anspruch der Kunden weiter. So wächst etwa das Interesse an „Click & Collect“, also daran, Waren im Netz zu bestellen und in der Filiale um die Ecke abzuholen. Im Vergleich zum englischsprachigen Ausland allerdings sind die Deutschen weiterhin zurückhaltend: Hat in Deutschland nicht einmal jeder Vierte den Service in den vergangenen zwölf Monaten in Anspruch genommen, war es in England schon jeder Zweite.
Auch bei der in Branche heiß diskutierten taggleichen Lieferungen, sind die Deutschen weiter zögerliche. Extra für die prompte Zustellung bezahlen will ohnehin kaum jemand.
Für Homberg ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Entwicklung noch mehr Fahrt aufnimmt. „Es ist eine Milchmädchen-Rechnung zu glauben, man müsse nicht investieren, weil der Bedarf jetzt noch nicht groß ist“, sagt er. Der Wandel werde kommen und Händler, die dann nicht vorbereitet sind, auf der Strecke bleiben.