Spargel-Flaute Das Geheimnis der Spargel-Ökonomie

Spargel wird an einem Stand auf dem Viktualienmarkt angeboten. Quelle: dpa

Trotz guter Ernten klagen die deutschen Spargelbauern über Absatzprobleme. Warum das Edelgemüse in diesem Jahr ein Ladenhüter ist.

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Bei Landwirten, die Spargel und Erdbeeren anbauen, ist die Stimmung im Keller: „Wir sind ernüchtert und enttäuscht“, lässt Simon Schumacher, Vorstand im Netzwerk der Spargel- und Beerenverbände, via Verbandshomepage wissen. Trotz bester Spargel-Qualitäten und guter Ernte verlaufe die Spargelsaison bisher alles andere als zufriedenstellend. Und auch der Start in die Erdbeersaison verlief alles andere als optimal. Woran das liegt? 

Experten machen mehrere Faktoren verantwortlich, die Landwirte sehen indes vor allem den Einzelhandel als Schuldigen für die Spargel- und Erdbeermisere. Demnach hätten die großen Supermarktketten zu stark auf billige Importware gesetzt. „Andererseits sorgten teilweise überzogene Preise des Handels für regionalen Spargel und regionale Erdbeeren – das heißt hohe Margen für den Handel – für großen Unmut bei den Käufern und Käuferinnen, die sich übervorteilt fühlten“, heißt es vom Netzwerk der Spargel- und Beerenverbände. 

Tatsächlich war deutscher Spargel vor allem vor Ostern vergleichsweise teuer. „Für Spargel wurden im April 2022 höhere Preise bezahlt als im Vorjahr“, heißt es etwa in einer aktuellen Studie des Marktforschers GfK. „Besonders erfolgreich war der Saisonstart im April dennoch nicht, da ein zweistelliger Mengenverlust zu Buche schlägt.“ Kurzum: Die Kunden haben reagiert, sind auf die billigere Alternativen aus dem Ausland umgestiegen – oder haben gleich ganz auf Spargel verzichtet.  

Spargel? Ein „verzichtbares Gemüse“

Spargel sei ein „verzichtbares Gemüse“, das viele Menschen mit höheren Preisen in Verbindung brächten, sagte Claudio Gläßer von der Agrarmarkt-Informations-Gesellschaft (AMI) in Bonn der Deutschen Presse-Agentur. „Es schauen doch viele Leute darauf, für was sie das Geld ausgeben und was nach dem Tanken noch übrig ist, was man zurücklegen muss für kommende höhere Rechnungen.“ Und die Menschen, die nicht so stark auf den Preis achten müssten, würden ihr Geld derzeit lieber für Reisen ausgeben – hier gebe es offenbar einen großen Nachholbedarf nach zwei Jahren coronabedingter Enthaltsamkeit. 

Nach dem Osterzuschlag im Einzelhandel hat sich die Preisentwicklung inzwischen gedreht, ohne dass Konsumenten davon viel mitbekommen haben. Zu groß war offenbar der Frust über das Luxusgemüse. In der vergangenen Woche habe der Durchschnittspreis für weißen Spargel aus deutschem Anbau bei 7,06 Euro pro Kilo gelegen, sagte AMI-Experte Gläßer – zwölf Prozent unter dem Durchschnittspreis der entsprechenden Vorjahreswoche. Und trotzdem ist die Importware immer noch deutlich günstiger. Eine Discountmarktkette habe das Kilo grünen Spargel jüngst für 2,96 Euro pro Kilo verkauft, sagte Gläßer. „Das tut dann dem deutschen regionalen Erzeuger schon weh, das im Markt sehen zu müssen.“ Mit solchen Preisen könne kein deutscher Betrieb konkurrieren.

Kein Wunder: Die Löhne in den meisten Anbauländer sind deutlich niedriger als in Deutschland. „In Italien gibt es keinen Mindestlohn. In Spanien liegt der Mindestlohn bei 6,06 Euro pro Stunde, in Griechenland gar bei 3,83 Euro pro Stunde und in Ungarn liegt er bei 3,21 pro Stunde“, rechnet das Netzwerk der Spargel- und Beerenverbände vor. „Mit aktuell 9,82 Euro pro Stunde liegt Deutschland hier schon mehr als das 1,5- bis 2,5-Fache höher.“ 

Mit der Einführung des höheren Mindestlohnes von 12 Euro zum 1. Oktober dürfte sich die Wettbewerbssituation der deutschen Landwirte noch weiter verschlechtern. Branchenvertreter wie Fred Eickhorst, Vorstandssprecher der Vereinigung der Spargel- und Beerenanbauer in Niedersachsen, befürchten, dass weitere Landwirte aufgeben werden. Schon jetzt seien viele Flächen aus der Produktion genommen worden, und das mitten in der Saison. Die Anbaufläche werde weiter sinken, einige kleinere Spargelbetriebe seien schon aus dem Geschäft ausgeschieden – vor allem diejenigen, die ausschließlich den Großhandel beliefert hatten. Diese hätten schon während der beiden vergangenen Corona-Jahre praktisch kein Geschäft mehr gehabt, sagte Eickhorst.

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Die Selbstversorgungsquote in Deutschland bei Obst mit 19 Prozent und bei Gemüse mit 35 Prozent sei schon jetzt nicht hoch und werde damit noch weiter zurückgehen. Eickhorst: „Der Verbraucher hat es mit seinem Einkaufsverhalten an der Verkaufstheke in der Hand, ob es weiter regionale Produkte aus Deutschland gibt, auch wenn diese teurer sind als aus dem Ausland.“

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