Spielzeug Spielen mit besserem Gewissen – Branche will nachhaltiger werden

Plastikparadies: In vielen Spielzeuggeschäften dominieren noch Spielzeuge auf Erdölbasis. Quelle: dpa

Das meiste Spielzeug besteht aus Plastik. Vieles geht schnell kaputt und landet im Müll. Doch das soll sich künftig ändern. Nachhaltigkeit ist der große Trend der Branche.

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Jedes Jahr an Weihnachten bietet sich in vielen Familien das gleiche Bild: Unter dem Baum türmen sich neben zerrissenem Geschenkpapier etliche Kartons, Plastikhüllen und Tüten, in denen das begehrte Spielzeug verpackt war – das ebenfalls oft alles andere als nachhaltig ist. Viele Spielzeuge bestehen hauptsächlich aus Plastik, halten nicht lange oder verlieren bald ihren Reiz – und landen am Ende in der Mülltonne.

Doch das soll sich ändern. Die weltgrößte Spielwarenmesse, zu der die Branche im Februar in Nürnberg zusammenkommen will, hat Nachhaltigkeit als „Megatrend“ ausgerufen. Auf einer Sonderfläche sollen Hersteller Neuheiten zeigen, die aus natürlichen Materialien wie Holz, biobasierten Kunststoffen oder recycelten Stoffen bestehen. Was bisher Nische auf dem von buntem Plastik dominierten Spielwarenmarkt war, soll massentauglich werden.

„Die Messlatte liegt aber sehr hoch“, sagt der Münchner Marktforscher Axel Dammler. „Eltern wollen das Leuchten in den Augen der Kinder sehen. Unternehmen müssen daran arbeiten, dass Nachhaltigkeit dazu nicht im Widerspruch steht.“ Deshalb sei die spannende Frage, ob diesen gelinge, ein nachhaltiges Spielzeug genauso attraktiv zu gestalten oder ob die Konsumentinnen und Konsumenten künftig ihre Ansprüche herunterschrauben müssten.

Nach einem Bewusstseinswandel sieht es bei diesen im Moment jedoch nicht aus. 3,8 Milliarden Euro werden die Verbraucherinnen und Verbraucher nach den Prognosen des Bundesverbands des Spielwaren-Einzelhandels (BVS) am Ende des Jahres für Spielzeug ausgegeben haben – so viel wie noch nie. Entscheidend beim Kauf waren nach einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag des Deutschen Verbands der Spielwarenindustrie (DSVI) vor allem Preis, Unterhaltungswert und Qualität eines Spielzeugs. Nur 14 Prozent der Befragten war demnach die Nachhaltigkeit von Material und Verpackung wichtig. „Hier ist es wohl so, dass Denken und Verhalten noch auseinandergehen“, sagt DSVI-Geschäftsführer Ulrich Brobeil.

Noch. Dass Umwelt- und Klimaschutz künftig eine wichtige Rolle beim Spielzeugkauf spielen werden, da sind sich alle Branchenkenner einig. Viele, vor allem junge, Menschen hinterfragen ihren Konsum sehr kritisch, verzichten auf tierische Produkte, borgen lieber statt zu kaufen und fahren seltener mit dem Auto. „Wir müssen uns bewusst sein, dass diese jungen Erwachsenen bald Familien gründen“, sagt BVS-Geschäftsführer Steffen Kahnt. Und Kunststoffe, die aus Erdöl und Erdgas herstellt werden, haben mit Blick auf die Klimabilanz kein gutes Image.

Ganz aufs Plastik können und wollen die meisten Hersteller aber nicht verzichten. Deshalb forschen viele verstärkt an Materialinnovationen. „Den Spielzeugbedarf könnte man gut durch Kunststoffe aus nachwachsenden Rohstoffen decken“, sagt der Chemiker Harald Käb, der die Industrie bei der Umstellung auf erneuerbare Ressourcen und Kreislaufwirtschaft berät. „Da ist viel in Bewegung gekommen. Aber das sind natürlich Prozesse, die nicht von heute auf morgen gehen.“

Zu den Vorreitern gehört aus seiner Sicht der Bauklötzchen-Hersteller Lego. Bis 2030 will dieser eigenen Angaben zufolge alle Bausteine aus nachhaltigen Materialien produzieren. Seit einiger Zeit sind Blätter, Büsche und andere weichere Teile aus Bio-Polyethylen aus Zuckerrohr auf dem Markt. Im Sommer konnte der Konzern außerdem den Prototyp eines Steins aus recycelten PET-Flaschen vorstellen. Doch dieser müsse nun mindestens ein weiteres Jahr getestet und optimiert werden, bevor man über eine Pilotproduktion entscheiden könne, sagt eine Sprecherin.

Bei den Spielzeug-Verpackungen werden die Verbraucherinnen und Verbraucher dagegen schneller einen Unterschied sehen. Der Puppenhersteller Zapf Creation hat seit dem Frühjahr schrittweise Sichtfenster und andere Plastikbestandteile aus den Verpackungen verbannt. Lego will im kommenden Jahr die Plastiktüten in den Sets durch Papiertüten ersetzen. Der Playmobil-Hersteller Brandstätter stellt auf Beutel aus recycelter Folie um.

Der US-Konzern Hasbro will bis Ende 2022 auf Kunststoffe in allen neuen Verpackungen verzichten. Danach sollen nach und nach die bestehenden Produkte folgen. Seit einiger Zeit sammelt der „Monopoly“-Hersteller in den USA und einigen europäischen Ländern kaputte Spielzeuge ein, damit diese recycelt werden können. Daraus werden zum Beispiel Parkbänke oder neue Geräte für Spielplätze gefertigt. Für Spielzeuge kann Hasbro das Material bisher jedoch nicht verwenden – weil es schwierig sei, damit die strikten Vorgaben der europäischen Spielzeugrichtlinie zu erfüllen, begründet Europa-Sprecherin Rafaela Hartenstein.



Nachhaltiges Spielzeug ist aus Sicht von Rolf Buschmann vom Bund für Umwelt und Naturschutz vor allem langlebig. Lego-Steine, Playmobil und andere Klassiker hielten oft viele Jahre und werden weiter vererbt. Billige No-Name-Produkte bedienten dagegen kurzlebige Trends und gingen meist schnell kaputt, kritisiert er. „Das sollte man bei der Auswahl des Spielzeugs im Hinterkopf behalten.“

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