Sportindustrie Outdoormarken wollen ihre eigenen Teile nicht bei Walmart sehen

Walmart-Logo auf einem Smartphone Quelle: imago images

Der Outdoormarkt boomt. Wohl deshalb können es sich Hersteller wie Black Diamond, Leki und Deuter leisten, ihre Rucksäcke, Kletterhaken und Daunenjacken nicht beim US-Handelsriesen Walmart zu verkaufen.

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Auf den ersten Blick sieht die Internetseite aus wie hunderte andere auch: Die Startseite zeigt ein junges Paar, das auf einer rot-schwarz karierten Decke an einem Flussufer sitzt. Hinten rauschen die Nadelbäume, gegen die kühle Luft wärmen sich die beiden mit einer Tasse Kaffee. Neben dem Bild lockt der Schriftzug „Outdoor’s Best Brands“ den Online-Surfer zum Klicken, weiter unten auf der Seite laden Kategorien wie Bekleidung, Zelte oder Outdoor Cooking zum Stöbern ein; darunter werben Markenlogos wie Jack Wolfskin, Craghoppers oder Klymit.

Doch was beim oberflächlichen Anschauen daherkommt wie die übliche Startseite eines Outdoor-Anbieters, sorgt gerade im größten Sportartikelmarkt der Welt, den USA, für gewaltige Aufregung und Debatten bei Marken und im Handel. Denn hinter der Webseite steht nicht etwa ein mittelständischer Anbieter von Abenteuerausrüstung, sondern der mit Abstand größte Handelskonzern der Welt. Der Riese Walmart, mit einem Umsatz von 500 Milliarden Dollar zugleich der mit weitem Abstand größte Konzern der Vereinigten Staaten, macht sich im Netz ganz klein.

Sein Ziel: Er will endlich auch mit einer Klientel ins Geschäft zu kommen, die seine riesigen Einkaufshallen bislang mied wie der Teufel das Weihwasser, jene Menschen, für die Walmart für vieles von dem Schlechten steht, das zahlreiche kleine und mittelgroße US-Städte in den vergangenen Jahren heimgesucht und radikal verändert hat: die Ausbreitung von Niedriglohn-Jobs etwa oder den Tod der klassischen Hauptstraße mit ihren vielen kleinen Geschäften. Der Autor George Packer hat das in seinem Buch „Die Abwicklung“ präzise beschrieben.

Walmart verfolgt die Strategie, seine Präsenz im Internet massiv auszubauen, um im Konkurrenzkampf mit Amazon mitzuhalten. Dazu kauft der Konzern seit geraumer Zeit diverse kleine und mittelgroße Handelsunternehmen auf. Im vergangenen Jahr schluckte etwa die Männermodemarke Bonobos, den Damenmode-Anbieter Modcloth und auch den kleinen, aber feinen Händler Moosejaw. Allein Moosejaw ließ sich Walmart 51 Millionen Dollar kosten.

Moosejaw verkauft in einem knappen Dutzend eigenen Ladengeschäften sowie im Internet Kleidung und Ausrüstung von mehr als 50 Marken für alle denkbaren Outdoor-Sportarten. In der Szene genießt das 1992 in Michigan gegründete Unternehmen einen guten Ruf als verlässlicher Partner.

Doch das Verhältnis wird nun deutlich komplizierter: Denn auf der einen Seite unterstützt Walmart Moosejaw dabei, weitere Ladengeschäfte zu eröffnen. Dagegen haben die Marken nichts einzuwenden. Doch vor allem soll der Outdoor-Spezialist für Walmart auch im Internet für steigende Umsätze sorgen, indem er möglichst viele jener Anbieter mitbringt, die vorher auf den Walmart-Seiten nicht verkauft wurden.

Fachhändler auf den Barrikaden

Dazu hat Walmart gerade auf seiner eigenen Webseite den Ableger „Premium Outdoor Brands“ gestartet. Der wird nicht vom Konzern selbst gefüttert, der stattdessen von Image und Glaubwürdigkeit des Zukaufs Moosejaw profitieren will - Moosejaw „kuratiere“ das Angebot und kümmere sich in gewohnter Manier um Sortiment und Verkauf.

Die Reaktion der Outdoor-Branche ließ dennoch nicht lange auf sich warten: Kaum hatte der Online-Laden seine Pforten geöffnet, flohen die ersten Marken. Als eine der ersten sagte sich die renommierte Bergsportmarke Black Diamond los von der Industrie-Plattform. Auch die bekannte Marke Leki, Hersteller von Ski- und Wanderstöcken, untersagte den weiteren Verkauf ihrer Produkte über die Seite des Konzerns. Seit dem Start hat ein Drittel der Hersteller von der Walmart-Seite verabschiedet.

Ihr Hauptargument: „Nicht einmal der gute Ruf von Moosejaw ist in der Lage, die Image-Lücke zwischen der Marke Leki und dem Namen Walmart zu überbrücken“, sagte Leki-Manager Greg Wozer. Die deutsche Marke Deuter, die sich international einen Namen als Hersteller von hochwertigen Rucksäcken gemacht hat und deren Produkte zum Start noch auf der Walmart-/Moosejaw-Seite zu finden waren, hat den Verkauf ebenfalls gestoppt. Deuter-Chef Martin Riebel sagte der WirtschaftsWoche: „Aufgrund unserer Fachhandelspolitik auch in USA haben wir ebenfalls Abstand von der Site genommen.“

von Henryk Hielscher, Mario Brück, Melanie Bergermann

Tatsächlich sind zahlreiche Fachhändler auf die Barrikaden gegangen. Sie fürchten, Walmart könne dank seiner Einkaufsmacht die Preise selbst für Produkte hochwertiger Marken drücken und damit die oft von Abenteuer-Enthusiasten gegründeten kleinen Läden weiter verdrängen. Jene also, die erst mit dafür gesorgt hatten, dass aus einer kleinen Nische inzwischen ein veritabler Wirtschaftszweig werden konnte. Händlervereinigungen wie die „Grassroots Outdoor Alliance“ riefen ihre Mitglieder gar dazu auf, künftig auf Marken zu verzichten, die bei Walmart verkaufen.

In einem Brief an Marken und Kunden gab sich Moosejaw-Chef Eoin Comerford entsprechend verwundert darüber, wie „vehement einige der führenden Outdoorhändler” das Walmart-Angebot attackiert hätten und über „die Drohung, jene Marken fallen zu lassen, die sich daran beteiligen.“ Seine Absicht sei es, die Branche weiter zu öffnen für neue Zielgruppen und damit auch für Wachstum für die Marken zu sorgen.

Eine Argumentation, die bei einer anderen deutschen Marke offenbar verfangen hat. Denn anders als Deuter hat sich Jack Wolfskin nicht von der Plattform zurückgezogen. Die Marke aus Idstein im Taunus gehört nun zu der überschaubaren Zahl bekannterer Namen, die noch auf der Walmart-Seite zu finden ist. Offiziell wollte sie sich nicht zu ihrem Kurs auf dem wichtigen US-Markt äußern. Offenbar will man die kommenden Monate abwarten und dann bewerten, ob der Verkauf auf der Walmart-Seite dem Markenimage und der Beziehung zum Fachhandel schaden.

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