Staatliche Bierbrauereien Ist der Staat der bessere Brauer?

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Vorteil Staatsbrauerei

Im Gegensatz zu Baden-Württemberg vertraut der Staat Bayern seine beiden Brauereien offensichtlich schon länger externen, sprich: nichtpolitischen Führungskräften an. Seit 20 Jahren führt Josef Schrädler als Direktor die Staatsbrauerei Weihenstephan. Schrädler ist promovierter Betriebswirt und seit 2008 auch Honorarprofessor an der TU München. Vergangenes Jahr eröffnete er ein neues Logistikzentrum, es war nach eigenen Angaben die größte Investition in der Firmengeschichte. Und erst im Juni brachte Weihenstephan ein zweites Helles auf den Markt, als „Antwort auf den nationalen und internationalen Trend hin zu eher milderen Biersorten“, wie Schrädler sagte.

Ebenfalls seit 20 Jahren führt Michel Möller das Staatliche Hofbräuhaus. Der studierte Brauwissenschaftler entstammt einer Brauerei-Familie aus dem österreichischen Kärnten („Brauerei Hirt“). Möller setzt auf das Franchise-Geschäft mit der Marke Hofbräu. Er verkauft das gleichnamige Gastronomie-Konzept und lässt international Hofbräuhäuser bauen, etwa in Las Vegas, St. Louis und Chicago, in Schanghai, Dubai, Bangkok und Tokio. Das Hofbräuhaus, schreibt das bayerische Finanzministerium, erfülle somit „eine wichtige Aufgabe, die weit über den eigentlichen Betriebszweck der Brauerei hinausgeht“.

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von Mario Brück

Auf starke Geschäftsführer und Gesellschafter kommt es an

Die drei Staatsbrauereien scheinen also der allgemeinen Brauereikrise im Land zu trotzen. Aber wo liegen nun die Unterschiede zu nichtstaatlichen Brauereien? Eine Historie über mehrere Jahrhunderte haben schließlich sehr viele deutsche Brauereien. Rüdiger Ruoss war jahrzehntelang selbständiger Marketing- und Kommunikationsberater für Biermarken. In den 70er Jahren arbeitete er als Bier-Berater in den USA, unter anderem für die Spaten-Brauerei und Hofbräu: „In den USA hat man damals Hofbräu gegenüber Spaten bevorzugt, weil eine staatliche Brauerei etwas Gehobeneres war als eine private“, erinnert sich der 81-Jährige: „Darüber hinaus signalisieren die beiden Umlaute sehr deutlich die Herkunft Old Germany.“ Und die Badische Staatsbrauerei Rothaus genieße auch einen Bonus, den kein Werbefachmann planen könnte: „Tannenzäpfle ist eine Kultmarke“, sagt Ruoss. „Durch linke Schwaben, die nach Berlin ausgewandert sind, wurde dieses eigentlich regionale Bier weit über Schwaben hinaus populär.“

Aber grundsätzlich gebe es kaum Unterschiede zwischen Staats- und Privatbrauereien: „Es gibt keine großen Vorteile, gibt aber auch keine Nachteile.“ Private Brauereien profitierten häufig von einem starken Inhaber oder Geschäftsführer; so etwa Pia Kollmar bei der Brauerei Oettinger, Bernhard Schadeberg bei Krombacher oder Alexandra Schörghuber bei der Paulaner Brauerei. „Darauf kommt es an“, sagt Ruoss. „Wenn staatliche Brauereien aber klug ausgewählte Führungskräfte haben, haben sie diesbezüglich keinen Nachteil gegenüber privaten.“

Und wie sehen das die Mitarbeiter? Nachgefragt bei einem 22-jährigen gelernten Brauer und Mälzer, der seine Ausbildung bei einer mittelständischen Privatbrauerei absolvierte und heute bei einer Staatsbrauerei arbeitet. Er möchte seinen Namen nicht im Artikel lesen, spricht aber nur positiv: „Es gibt keine großen Unterschiede.“ Sicher, im sozialen Bereich sei er nun als Staatsangestellter recht sichergestellt, werde nach Tarif bezahlt. Viele kleinere Brauereien seien oftmals nicht tarifgebunden. Er bemerke den Staat aber nicht im Arbeitsalltag: Der vom Staat bestellte Chef führe das Unternehmen, wie anderswo auch. Insofern, sagt er, „kann der Staat ein guter Brauer sein“.



Nur Staatsbier in der Staatsgastronomie?

Ein Unterschied fällt Werber Ruoss dann aber doch noch ein: „Staatliche Brauereien genießen hier und da einen Vorteil, weil sie – zumindest in der Vergangenheit – einfacher an Bierlieferungsverträge in staatlichen Gastronomiebetrieben kamen. Das ist kein generelles Gebot, wird aber hier und da schon noch ausgespielt.“ Tatsächlich gab es 2001 die Idee des damaligen bayerischen Finanzminister Kurt Faltlhauser, an „staatseigenen Objekten“ nur noch Bier der Brauereien Weihenstephan und Hofbräu auszuschenken. Faltlhauser war zu jener Zeit auch Chef der Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen mit rund 60 Denkmalanlagen (darunter auch das Schloss Neuschwanstein). So kam es etwa zu dem Wechsel im Biergarten am Chinesischen Turm im Englischen Garten, statt Löwenbräu wird dort seit 2002 Hofbräu ausgeschenkt. Das sorgte damals für Aufregung, denn am Turm wurde seit 120 Jahren Löwenbräu ausgeschenkt. Einige Grünen-Politiker in Bayern forderten damals eine Privatisierung der beiden Staatsbrauereien, doch Faltlhauser argumentierte privatwirtschaftlich: Löwenbräu oder Paulaner würden nie daran denken, in eigenen Gebäuden fremdes Bier auszuschenken.


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Auch wenn die flächendeckende Staatsbier-Pflicht in den Gaststätten der bayerischen Schlösser und Gärten ausgeblieben ist – für Lothar Ebbertz, Hauptgeschäftsführer des bayerischen Brauerbunds, ist die grundsätzliche Idee nachvollziehbar: Für Unterhalt und Instandhaltung der Schlösser sei schließlich der Freistaat verantwortlich. „Da finde es ist nicht prinzipiell verwerflich, dass er die wenigen vorhanden Möglichkeiten, mit diesen Objekten Geld zu verdienen, auch nutzt – unter anderem eben mit dem Ausschank seines eigenen Bieres.“

Und noch ein Vorteil liegt auf der Hand: Wenn der Präsident des Deutschen Brauer-Bundes angesichts der Corona-Pandemie vor einer „Pleitewelle im nächsten Frühjahr“ warnt, „wie wir sie nie zuvor erlebt haben“ – dann dürften die drei Staatsbrauereien sich nicht angesprochen fühlen. Oder doch? „Auch die staatlichen Brauerei-Unternehmen müssen sich im wirklich harten Biermarkt behaupten, wie jede andere Brauerei auch“, sagt Lothar Ebbertz. „Sollten sie auf Dauer gravierenden Verlust schreiben, würde sicherlich auch der Freistaat Bayern die Sinnhaftigkeit hinterfragen.“

Mehr zum Thema: Warsteiner-Brauerei in der Krise: Highway to Helles

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