Es gibt Drei-Sterne-Restaurants, Sieben-Sterne-Metaxa und nun noch ein Vier-Sterne-Ladengeschäft. Eröffnet hat es Amazon. Der Onlinehändler hat in seinem Webshop die Kultur der Kundenbewertung etabliert. Mag es bei Ebay noch für die Handelspartner Bewertungen gegeben haben, dürfen auf der Amazon-Webseite Käufer ihre Eindrücke von den Produkten schildern und bis zu fünf Sterne vergeben.
Was zu Beginn mit Buchrezensionen begonnen haben mag, ist mittlerweile zu einer veritablen Marketingmaschine geworden. Datenjongleur Amazon weiß um die Beliebtheit hoch bewerteter Produkte und wie oft sie bevorzugt werden. Aus diesen Erkenntnissen hat der Händler ein Konzept geschnürt und dazu ein stationäres Geschäft in New York eröffnet.
Es mutet anachronistisch und zeitgleich ironisch an, dass in der Auslage des Geschäfts ausgerechnet das Brettspiel Monopoly gut sichtbar postiert ist - steht es doch einerseits für eine vermeintlich alte analoge Welt der Spiele und andererseits für die Monopolstellung Amazons: Dessen Marktanteil im Onlinehandel ist so groß, dass der neu eröffnete Shop manchem Händler wie ein Schreckgespenst vorkommen mag.
In dem recht kirmelig eingerichteten Shop sind es aber vor allem die Sortierungen und sprachlichen Kaufanreize, die den Unterschied machen. „Most wished for“ ist eine Kategorie, die Produkte versammelt, die von Internetkunden am häufigsten auf die dortige Wunschliste eingetragen wurde.
Auch das Kaufverhalten der Großstädter wird in eine kuratierte Auswahl umgewandelt: „Trending In New York“ heißt eine weitere Kategorie. „Frequently Bought Together“ ist die Auswertung des Umstandes, dass Menschen, die Rasierklingen kaufen, oft auch gleich den Rasierschaum dazubestellen. Oder eine Tischdecke zum Tisch.
Den klassischen stationären Händlern jedweder Gattung muss es eiskalt den Rücken runterlaufen, mit welcher Präzision und Detailversessenheit die Datenmagier von Amazon aus Erkenntnissen ein Programm zusammenstellen können, während sie selber auf Instinkt und Erfahrung bauen - und hoffen müssen.
Babyausstattung, Küchenzubehör, Spiele, Bücher oder Elektronik-Artikel - mit diesem scheinbar willkürlichen Portfolio geht Amazon im Stadtteil SoHo an den Start, einem laut Amazon-Blog sehr lebendigen Stadtteil. Laufkundschaft soll das beste aus beiden Welten bekommen, so das Kalkül des Händlers - die Lust am Shopping und ein Angebot, das von anderen Kunden für gut befunden wurde.
Die Produkte im Geschäft, so das Unternehmen, haben zusammengerechnet rund 1,8 Millionen höchste Produktbewertungen erhalten, also fünf Sterne. Aber sie wissen es natürlich genauer. Das Kartenspiel Codenames hat 2000 Kundenbewertungen mit einem Schnitt von 4,4 Sternen, 88 Prozent der Kunden gaben die volle Sternzahl. Ähnlich sieht es bei einer gusseisernen Pfanne aus: fast 11.000 Bewertungen, davon 76 Prozent mit fünf Sternen.
Nach den ersten Buchgeschäften und den Anfängen im Lebensmittelhandel ist dies ein weiterer Schritt für den Onlinehändler, der erneut klassische Händler nervös machen wird. Sie werden Zittern vor dem Szenario einer Kette mit Miniversionen von Kaufhäusern, die statt auf ein vollständiges Angebot auf eines setzen, das nur die Lieblinge der Kundschaft anbietet - mit Preisvorteilen für die Mitglieder des hauseigenen Kundenbindungsprogramms Prime.