Herr Christmann, wann haben Sie zuletzt einen Wein im Supermarkt gekauft?
Steffen Christmann: Vor einem halben Jahr circa. Das mache ich alle paar Monate; dann kaufe ich eine Auswahl verschiedener deutscher Weine im Supermarkt und im Discount und probiere sie mit meinen Kollegen durch. Denn unsere Weine kosten mindestens dreimal so viel oder mehr. Wenn die im Vergleich zu den Discount-Weinen ähnlich schmecken würden, hätten wir ein Problem.
Und wie groß waren die Unterschiede beim letzten Mal?
Definitiv sind deutsche Weine in den letzten 15 Jahren technisch immer sauberer geworden. Oft aber fehlt es den Weinen im günstigen Segment an Persönlichkeit. Das ist in unserem Segment und den VDP-Winzern anders. Jeder von unseren Qualitätsfanatikern hat seine ganz eigene Handschrift und wendet viel Arbeit, Zeit und Mühe auf, um Weine nach seinen Vorstellungen zu erzeugen. Deshalb kosten unsere Weine oft mehr, sind aber individueller.
Bekommt man für 2,50 Euro einen guten Wein im Supermarkt?
Kommt drauf an, was Sie mit gut meinen. Technisch gut, ja das ist möglich. Mit Vollernter und standardisiertem Ausbau kann man saubere Weine hervorbringen. Doch Charakter kann man für diesen Preis eigentlich nicht erwarten. Oft sind die Weine relativ austauschbar.
Welche Rolle spielen Supermärkte für die Spitzenweingüter, um ihre Weine zu vermarkten?
Der Lebensmitteleinzelhandel wird immer bedeutender. Manche Märkte werden mittlerweile wie Feinkostgeschäfte geführt. Für sie ist es deshalb auch wichtig, auch Weine für 10 bis 15 Euro anzubieten. Und damit ist diese Entwicklung sehr relevant für uns VDP-Betriebe.
Wo die Deutschen ihren Wein kaufen
Tankstellen, Restaurants, etc.
2012: 5%
2013: 5%
Absatzmengen von Wein in Deutschland nach Einkaufsstätten für die Jahre 2012 und 2013.
Fachhandel
2012: 7%
2013: 7%
Lebensmitteleinzelhandel (bis 1500 qm Ladenfläche)
2012: 12%
2013: 13%
Selbstbedienungswarenhäuser und Verbrauchermärkte
2012: 13%
2013: 13%
Winzer
2012: 15%
2013: 14%
Aldi
2012: 27%
2013: 26%
Discounter (mit Ausnahme Aldi)
2012: 27%
2013: 26%
Absatzmengen von Wein in Deutschland nach Einkaufsstätten für die Jahre 2012 und 2013
Quelle: GfK Consumer Scan
Und Discount?
Das halte ich für eher schwierig. Natürlich gibt es immer mal wieder Einzelaktionen, wo ein Weingut bestimmte Chargen an Aldi oder Lidl verkauft. Doch ich denke, dass sich so etwas auch auf das Image auswirken kann.
Wie hat sich der Absatz deutscher Wein im Ausland entwickelt?
Da gibt es zwei Entwicklungen. Die Weine aus dem Premiumsegment entwickeln sich im Ausland sehr positiv. Allein die VDP-Weingüter haben 23 Prozent an Absatz zugelegt. Gleichzeitig ist der Export von Weinen aus Basissegmenten schwer eingebrochen.
Weintipps der Sommeliers für unter 10, 20 und 30 Euro
Wein unter 10 Euro
2014 Forster Riesling Weingut Spindler Forst
Wein unter 20 Euro:
2013 Weißburgunder Eselspfad Weingut Hofmann Rheinhessen
Wein unter 30 Euro:
2008 Saint Emilion Grand Cru Château Mangot Bordeaux
Wein unter 10 Euro:
2014 Grüner Veltliner Steinfeder Terrassen Domäne Wachau
Wein unter 20 Euro:
2013 Schieferspiel Riesling Qualitätswein trocken Hüls Mosel
Wein unter 30 Euro:
2012 Savigny-Les-Beaune Remoissenet Père et Fils Bourgogne
Wein unter 10 Euro:
2014 Rheinhessen Chardonnay Kalkstein Weingut Milch
Wein unter 20 Euro:
2013 Languedoc Les Croisses Domaine les Creisses
Wein unter 30 Euro:
2012 Toskana Il Riccio Tenuta Rignana
Woran liegt das?
Was immer noch in manchen Köpfen schwirrt, ist die Haltung, dass Weine, die nicht so gut sind, ins Ausland verkauft werden können. Das geht heute nicht mehr. Es gibt keinen Platz mehr für mittelmäßige Weine. Dafür ist die internationale Konkurrenz zu gut.
Und wie stehen die deutschen Weingüter in diesem Wettbewerb da?
Ich denke wir brauchen ein besseres Klassifikationssystem, die gesetzlichen Bezeichnungen sind einfach zu kompliziert. Wenn ich einen deutschen Wein kaufe, habe ich zu viele Informationen, die ich verarbeiten muss. Rebsorten, Ausbaurichtung, Herkunft, Lage, Prädikatsbezeichnungen wie Spätlese, Auslese, aber auch Classic oder Weißherbst et cetera. Welches ist hier das Schlüsselwort? Das ist für viele Verbraucher wirklich schwierig zu durchschauen.