Vor den Beratungen von Bund und Ländern über ein drittes Entlastungspaket fordert der Handelsverband Deutschland (HDE) mehr finanzielle Unterstützung für die Branche. Andernfalls drohten Pleiten und eine Zunahme des Leerstands in den deutschen Innenstädten. „Die Verunsicherung im Einzelhandel ist groß“, sagte HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth der WirtschaftsWoche. Mehr als die Hälfte der Handelsunternehmen sehe sich durch die steigenden Energiepreise in ihrer Existenz bedroht.
„Deshalb muss die Bundesregierung jetzt ihre Pläne für eine Gas- und Strompreisbremse zügig umsetzen und bis dahin ihre Hilfsprogramme nachbessern sowie die Zugangsbedingungen so ändern, dass auch durch die hohen Energiepreise in Not geratene Handelsunternehmen Zugang zu den Hilfen bekommen“, so Genth. „Alles andere nimmt die Pleite vieler betroffener Handelsunternehmen in Kauf.“ Der folgende Leerstand in den Stadtzentren würde im Anschluss deutlich höhere Investitionen der öffentlichen Hand notwendig machen, als wenn die Hilfsprogramme für alle auf Unterstützung angewiesenen Betriebe geöffnet würden, argumentiert Genth. „Ich warne hier vor teurer Kurzsichtigkeit. Und es geht auch um tausende Arbeitsplätze“, sagte Genth der WirtschaftsWoche.
Angesichts der hohen Inflation und der Sorge um weiter steigende Energiepreise leiden Einzelhändler unter der zunehmenden Kaufzurückhaltung der Verbraucher. Am Montag hatte das Münchner Ifo-Institut gemeldet, dass die Geschäftserwartungen der Einzelhändler auf ein historisches Tief gefallen seien. Für das zweite Halbjahr rechnet der HDE für den Einzelhandel insgesamt mit einem realen durchschnittlichen Umsatzrückgang von fünf Prozent zum Vorjahr. In einzelnen Branchen, insbesondere dem innerstädtischen Nonfoodhandel, liege der Umsatz jedoch immer noch um bis zu 20 Prozent unter dem Vor-Corona-Niveau aus 2019.
Kritik aus den Ländern
Bund und Länder wollen am Mittwoch über das dritte Entlastungspaket verhandeln, das die Ampel-Koalition Anfang September als Ausgleich für rasant steigende Preise vorgestellt hatte. Dazu zählen Einmalzahlungen für Rentner und Studierende und ein Preisdeckel für einen Grundbedarf an Strom. Aus den Ländern kam Kritik an der Aufteilung der Kosten, zudem haben mehrere Ministerpräsidenten weitere Entlastungen vom Bund gefordert. „Wir müssen in der Tat sehr aufpassen, dass uns nicht wirtschaftliche Substanz verloren geht – und zwar auf Dauer“, sagte etwa Niedersachsens Regierungschef Stephan Weil (SPD) im Interview mit der WirtschaftsWoche.
Der Bremer Regierungschef Andreas Bovenschulte (SPD) mahnte, der Energiepreisdeckel müsse jetzt kommen. „Die Menschen brauchen in unsicheren Zeiten schnellstmöglich Sicherheit. Sie müssen wissen, was auf sie zukommt und worauf sie sich einstellen können und müssen“, sagte er der „Welt“.
Auch der Thüringer Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) sprach sich in der Zeitung für einen Energiepreisdeckel aus. „Die Strompreise müssen deutlich sinken und sich an den Herstellungskosten orientieren. Die Spritpreise müssen wieder mit den Rohölpreisen synchronisiert werden.“ Die rot-grün-gelbe Bundesregierung ringt derzeit um Maßnahmen, um den Anstieg der Gaspreise für Bürger und Unternehmen einzudämmen.
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