Streiks bei Real „Ich frage mich, ob Verdi klar ist, wofür sie kämpfen“

Einkaufswagen der Supermarktkette Real stehen auf dem Kundenparkplatz. Quelle: dpa

Der Tarifstreit bei Real eskaliert: Die Gewerkschaft Verdi ruft die 34.000 Beschäftigen zu Streiks auf. Metro-Chef Olaf Koch sagt im Interview mit der WirtschaftsWoche, was er davon hält und was er mit Real vorhat.

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Es soll ein „schwarzer Freitag“ für die Supermarktkette Real werden. Unter dem Motto „Der Horror ist real“ hat die Aktion Arbeitsunrecht zu bundesweiten Protestaktionen gegen die Metro-Tochter aufgerufen. Die Gewerkschaft Verdi hat – wie von der WirtschaftsWoche bereits am Mittwoch berichtet – die rund 34.000 Real-Beschäftigten zu Streiks aufgerufen. „Wir kämpfen für Löhne, von denen man leben kann“, sagte Verdi-Bundesvorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger.

Hintergrund des Streiks ist der jüngst vollzogene Ausstieg des Unternehmens aus der Tarifbindung mit Verdi. Neu eingestellte Mitarbeiter sollen nun nach einem Tarifvertrag mit der Gewerkschaft DHV bezahlt werden, der für das Unternehmen deutlich günstiger ist. Dies bedeute für die Betroffenen durchschnittlich 23 Prozent weniger Geld, betonte Nutzenberger.

Der Chef des Real-Mutterkonzerns Metro, Olaf Koch, wirft dagegen der Gewerkschaft vor, Tarifverhandlungen über eine wettbewerbsfähige Entgeltstruktur für neue Mitarbeiter "blockiert" zu haben. "Ich frage mich, ob den Verdi-Vertretern eigentlich klar ist, wofür sie überhaupt kämpfen", sagte Koch im Interview mit der WirtschaftsWoche.

"Für die bisherige Belegschaft gibt es keine Verschlechterungen – weder beim Lohn noch bei sonstigen Arbeitsbedingungen“, so Koch. „Aber wenn wir neue Mitarbeiter einstellen, müssen wir sichergehen, dass wir auf Marktniveau zahlen. Bisher liegen unsere Lohnkosten rund 30 Prozent über denen vieler Wettbewerber. Das sind unfaire Wettbewerbsbedingungen, die wir nicht länger akzeptieren konnten.“
„Solche Löhne führen direkt in die Altersarmut der Beschäftigten“, sagt dagegen Nutzenberger. Tatsächlich reichen die Probleme weitaus tiefer. Schon in den vergangenen Jahren haben sich immer mehr Handelsunternehmen wie die SB-Warenhauskette Globus aus der Tarifbindung zurückgezogen. Andere Händler wie Karstadt vereinbarten Sanierungstarifverträge, auch Galeria Kaufhof plant einen solchen Schritt. In Summe verlor der Flächentarifvertrag dadurch immer stärker an Relevanz, zumal es Verdi bislang nicht gelang, große neue Player wie Amazon oder Zalando zur Tarifbindung zu bewegen. Unternehmen, die weiter im Tarif bleiben, drohen damit Wettbewerbsnachteile bei den Personalkosten.

Ein Argument, das auch Metro-Chef Koch anführt: „Wir hatten mit der Gewerkschaft 2016 eine Vereinbarung geschlossen, dass wir über einen wettbewerbsfähigen Flächentarifvertrag oder alternativ über einen Haustarif mit dem Ziel verhandeln wollen, bis März 2018 ein Ergebnis zu haben“. Das habe die Gewerkschaft blockiert. „Dass wir daraus Konsequenzen ziehen, ist doch klar. Wir reden über 34.000 Arbeitsplätze, da kann ich nicht so tun, als wären Lohnkosten irrelevant für die Ertragsfähigkeit und langfristige Jobsicherung.“, sagte Koch.

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Nach seinen Angaben ist sind Lohnniveau und das Gesamtpaket bei Real „absolut marktgerecht“ und „liegen teilweise noch über dem Flächentarifvertrag“. Das zeige auch das Bewerberinteresse: „Trotz der Umstellung des Tarifmodells vor gut einem Monat haben wir über 800 neue Kolleginnen und Kollegen eingestellt“, sagte Koch der WirtschaftsWoche.

Trotz des Tarifstreits zeigt sich Koch optimistisch für die Zukunft der SB-Warenhauskette, die bereits seit Jahren mit Umsatzrückrängen kämpft. „Wir sind jetzt an einem Punkt, an dem wir sagen können: Das Unternehmen ist erfolgreich für die Zukunft aufgestellt. Die Rahmenbedingungen sind so gut wie lange nicht“, so Koch. „Jetzt geht es darum, Real erfolgreich weiterzuentwickeln und das Wertpotenzial des neuen Geschäftsmodells, des rasant wachsenden Online-Marktplatzes und der über 70 eigenen Immobilienstandorte zu heben.“

Große Hoffnungen setzt der Metro-Chef dabei auf ein neues Marktkonzept, das auf eine enge Verzahnung von Gastronomie und Handel setzt. In Krefeld wurde vor einiger Zeit der erste entsprechend umgebaute Markt eröffnet. „Der Erfolg ist erkennbar“, sagt Koch. „Die Kundenfrequenz ist um 30 Prozent gestiegen. Es gibt richtige Fans des Marktes. Für sie ist das Einkaufserlebnis so entscheidend, dass sie auch 50 Kilometer weit fahren.“
In absehbarer Zeit soll das Markthallen-Konzept daher auch auf andere Standorte wie Braunschweig und Bielefeld übertragen werden. „Insgesamt glauben wir, dass sich mittelfristig rund 30 unserer deutschlandweit rund 280 Standorte für das Markthallen-Konzept eignen“, sagte Koch. In einer dreistelligen Anzahl von Märkten würden darüber hinaus einzelne Module aus dem Konzept in die Läden integriert werden. Schließungen von Märkten seien aktuell nicht geplant. „Das Modell Krefeld hat übrigens so viel Potenzial, dass wir sogar darüber nachdenken, neue Märkte zu eröffnen“, kündigte Koch an.
>> Das vollständige Interview mit Olaf Koch lesen Sie hier.

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