Im internationalen Vergleich sind die deutschen Steuersätze gering, insbesondere die Biersteuer. Würde ein höherer Steuersatz helfen?
Studien haben gezeigt, dass Konsum durch eine Steuererhöhung durchaus gedämpft werden kann. Wichtig dabei ist aber: Damit so eine Erhöhung als präventive Maßnahme wirkt, muss sie drastisch und flächendeckend sein.
Können Sie das erläutern?
Dafür gibt es zwei anschauliche Beispiele. Eine frühere Erhöhung der Tabaksteuer etwa war zunächst durchaus erheblich. Die Erhöhung wurde dann aber auf drei Stufen verteilt. So waren die Preis-Schocks kleiner und eine schrittweise Gewöhnung an die höheren Kosten möglich.
Das andere Beispiel sind Alkopops, die vor gut zehn Jahren schwer im Trend waren. Vor allem junge Mädchen tranken die süßen Mix-Brausen, weil sie kaum nach Alkohol schmecken und leicht verfügbar waren. Um den stark zunehmenden Konsum einzudämmen, überlegte sich die Politik eine Sondersteuer. Daraufhin sank zwar der Alkopops-Konsum – doch der gesamte Alkoholkonsum bei Jugendlichen ging nicht zurück. Sie suchten sich einfach andere Getränke als Ausweichmöglichkeit.
Das zeigt: Wenn eine Maßnahme nicht konsequent umgesetzt wird, gibt es immer Verlagerungen. Hier kommt das ökonomische Phänomen der Preiselastizität der Nachfrage zum Tragen. Für mein Lieblingsgetränk bin ich durchaus bereit, mehr zu bezahlen, auch wenn es weh tut. Wenn ich aber zum Beispiel nicht so auf Sekt stehe und nur der wird teurer, greife ich eben zum Bier.
Wie könnte der Staat wirkungsvoll eingreifen?
Ein Beispiel für situative Maßnahmen wäre, den Verkauf von Alkohol an Tankstellen nachts zu verbieten, sowie den öffentlichen Konsum an bestimmten Brennpunkten. Für viele Jugendliche ist gerade das ein Anlaufpunkt. Da fehlt es teils an Gesetzen, so dass Gerichte nichts ausrichten können. Zum Zweiten mangelt es an der Kontrolle der Gesetze. Es gibt etwa andere Länder, die bei Verstößen gegen den Alkoholausschank bis hin zur Lizenzentziehung gehen. In Deutschland gibt es allenfalls eine Ermahnung – falls es überhaupt auffällt. Die Aufsichtsbehörden sind oftmals schlicht überlastet, teils mangelt es auch an der Bereitschaft, Kontrollen durchzuführen.
Der Einzelhandel bemüht sich zum Beispiel, da ist schon eine deutlich strengere Kontrolle der Ausweise zu sehen – Schwachpunkt bleiben die Gaststätten und Einkaufsmöglichkeiten in der Nacht an Tankstellen und Kiosks.
Wenn wir von Suchtprävention reden - welche gesunden Alternativen gibt es zum Alkohol, ein Rausch-Gefühl hervor zu rufen?
Hierzu zählt alles, was die Sinne positiv anregt und einen in eine andere Welt versetzt. Es kann zum Beispiel Tanzen sein, Yoga, bestimmte Entspannungsübungen – für andere sind es schöne Reisen oder Musik. Solche Dinge können das Belohnungssystem aktivieren, was dazu führt, dass wir uns gut fühlen.
Was dazu geeignet ist, ist individuell natürlich sehr verschieden, das muss jeder selbst ausprobieren. Wenn ich etwa gern in die Oper gehe, kann das für mich beglückend sein – wenn ich meinen 15-jährigen Sohn dazu zwinge, findet der das wohl nicht so toll.
Wer herausgefunden hat, was ihm oder ihr gut tut, muss das auch pflegen. Jeder sollte sich selbst bewusst belohnen. Das tun wir in der Regel viel zu selten.
Was kann die Gesellschaft tun, um der Suchtproblematik entgegenzuwirken?
Sie muss auf den Jugendschutz und dessen Einhaltung achten, und zumindest durch situative Beschränkungen in kritischen Situationen und an kritischen Orten den Konsum insgesamt und die negativen Folgen reduzieren.
Als eine ganz allgemeine Maßnahme sollten wir versuchen unsere Lebenszufriedenheit zu stärken. Wir leben in einer sehr leistungsorientierten Gesellschaft. Nur Leistung zählt, gelobt wird zu wenig. Wir müssen lernen, uns selbst und andere mehr zu loben. Das gilt für die Arbeit genauso wie für die Partnerschaft oder die Kindererziehung. Lob stärkt uns und unser Selbstbewusstsein – und das macht wiederum stark gegen Missbrauch von Alkohol und anderen Substanzen, und viele andere Probleme.
Besonders als Eltern sollte man sich seiner Vorbildfunktion bewusst sein und sich auch klar machen, wie wichtig die Begleitung der Kinder durch die Pubertät und die ganz normalen Ablösungsprozesse ist. Das ist praktische Prävention! Das darf man nicht einfach sich selbst überlassen. Wichtig ist, dass man den Freizeitbereich kennt, dass man sieht, wo sie landen, ob es psychische Probleme gibt, welche Freunde sie haben – damit man gegebenenfalls eingreifen kann.
Herr Professor Bühringer, herzlichen Dank für das Gespräch.